Rechtsstaatlichkeit

  • Der Staat verstößt mit dem geltenden Waffengesetz nicht gegen seine Schutzpflicht.

    Beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) waren drei Verfassungsbeschwerden gegen das geltende Waffengesetz anhängig. Inhaltlich kritisierten die Beschwerdeführer, dass der Staat seine Schutzpflicht auf Leben und körperliche Unversehrtheit mit dem Waffengesetz nicht ausreichend nachkäme. Dazu müsste die heutige Regelung jedoch gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sein.

  • Wie bekannt wurde, will die Staatsanwaltschaft Hannover eventuell Anklage gegen den derzeitigen Bundespräsidenten Christian Wulff erheben. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass sich Wulff in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) beziehungsweise Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) schuldig gemacht habe.

    Die Einleitung des Ermittlungsverfahren allerdings ist gar nicht so einfach. Denn: Während seiner Amtszeit genießt der Bundespräsident – wie auch grundsätzlich alle Bundestagsabgeordneten – strafrechtliche Immunität. Das heißt, dass er strafrechtlich nicht einfach verfolgt werden kann. Ermittlungen können danach erst geführt werden, wenn seine Immunität aufgehoben wurde.

    Die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten ist in der Geschichte noch nicht vorgekommen und wirft einige Fragen auf. Das Verfahren wird nun ähnlich wie bei Bundestagsabgeordneten ablaufen. Danach ist die Zustimmung des Bundestags erforderlich. Wird dann die Immunität des Bundespräsidenten aufgehoben, so kann die Staatsanwaltschaft gegen Wulff ermitteln. Dann kann es zur Anklage oder zur Einstellung des Verfahrens kommen.

    So wie es momentan aussieht, soll die Immunität Wulffs relativ schnell aufgehoben werden, um den Weg für Ermittlungen frei zu machen. Insbesondere soll dies der Rechtsstaatlichkeit gerecht werden. Denn es soll ja jeder vor dem Gesetz gleich sein. Also müssen auch Ermittlungen gegen den Bundespräsidenten möglich sein. Grundsätzlich… Aber die „Verunglimpfung des Bundespräsidenten“ ist nach § 90 StGB strafbar. Steht er also über dem Gesetz? Das muss zweifelsfrei verneint werden. Und Ermittlungen abzulehnen, weil er nun einmal (zumindest formal) das höchste Amt in Deutschland innehat ist, ist fraglich. So dass man wohl zu dem Ergebnis kommen muss, dass strafrechtliche Ermittlungen mit einem ausreichenden Anfangsverdacht und der Zustimmung und damit auch Prüfung durch den  Bundestag grundsätzlich möglich sein müssen. Allerdings sollte zu jeden Zeit auch die Unschuldsvermutung bestehen bleiben. Denn wenn jeder strafrechtliche Konsequenzen für sein Handeln zu tragen hat, so muss auch jedem in gleichem Maße die Unschuldsvermutung zu Gute kommen. Das sollte nicht vergessen werden…!


  • Quelle: Pressemitteilung des BGH, Nr. 206/2011 vom 22.12.2011

    In der vorliegenden Entscheidung wertete der BGH das Selbstgespräch sowie dessen Inhalt von einer polizeilich abgehörten Person in seinem Kraftfahrzeug zum Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, woraus sich ein absolutes Verwertungsverbot ergab und die Aussage nicht im Prozess verwertet werden darf.  Mit der Entscheidung wurde sowohl der von Art. 13 GG geschützte Bereich auf das eigene Fahrzeug erweitert als auch das vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasste Recht am eigenen Wort bzw. der ausgesprochenen Gedanken und dem hiervon ausgehenden Gewicht in der Interessenabwägung mit der Strafverfolgung.

    Pressemitteilung:

    Bundesgerichtshof entscheidet zur Unverwertbarkeit von polizeilich abgehörten Selbstgesprächen

    Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revisionen der drei Angeklagten das Urteil des Landgerichts Köln vom 11. Dezember 2009 aufgehoben, durch welches diese jeweils wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitstrafe verurteilt worden waren (vgl. Pressemitteilung Nr. 176/2011).

    Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete einer der Angeklagten seine Ehefrau, nachdem diese sich von ihm getrennt hatte. Er wollte damit verhindern, dass die Geschädigte das gemeinsame Kind mitnehme, das nach dem Willen des Angeklagten im Haushalt seiner mitangeklagten Schwester und deren ebenfalls mitangeklagten Ehemanns aufwachsen sollte. Die beiden Mitangeklagten waren an der Tat zumindest im Vorbereitungsstadium maßgeblich beteiligt; sie handelten, um den Wunsch zu verwirklichen, das Kind der Getöteten selbst aufzunehmen und großzuziehen. Konkrete Feststellungen zur Art der Tötung und zu konkreten Tatbeiträgen konnte das Landgericht nicht treffen, zumal die Leiche des Tatopfers nicht aufzufinden war.

    Als eines unter mehreren für die Tatbegehung selbst sowie für die Täterschaft der Angeklagten sprechendes Indiz hat das Landgericht Bemerkungen des Ehemanns der Getöteten gewertet, die dieser bei Selbstgesprächen in seinem PKW gemacht hat. Das Kraftfahrzeug war auf richterliche Anordnung mit technischen Mitteln abgehört worden. Dabei wurden sowohl Gespräche von zwei der Angeklagten bei gemeinsamen Fahrten als auch ­ bruchstückhaft ­ Selbstgespräche des angeklagten Ehemanns der Getöteten aufgezeichnet. Auf beides hat das Landgericht die Verurteilung der drei Angeklagten gestützt.

    Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Selbstgespräche im konkreten Fall nicht hätten zur Überführung der Angeklagten im Strafprozess hätten verwendet werden dürfen. Insoweit bestand ein Beweisverwertungsverbot, das sich unmittelbar aus der Verfassung ergab.
    Denn mit der heimlichen Aufzeichnung und Verwertung des nichtöffentlich geführten Selbstgesprächs war ein Eingriff in den nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit verbunden.

    Maßgeblich für diese Bewertung des Senats war eine Abwägung und Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände des konkreten Falles. Denn nicht jedes Selbstgespräch einer Person ist ohne Weiteres dem vor staatlichen Eingriffen absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit zuzuordnen.
    Andererseits muss nach den Grundätzen des Schutzes der Menschenwürde und der Freiheit der Person ein Kernbereich privater Lebensgestaltung und Lebensäußerung verbleiben, in welchen der Staat auch zur Aufklärung schwerer Straftaten nicht eingreifen darf.

    Der Grundsatz, dass „die Gedanken frei“ und dem staatlichen Zugriff nicht zugänglich sind, beschränkt sich nicht allein auf innere Denkvorgänge , sondern erfasst auch ein in ­ unbewussten oder bewussten, unwillkürlich oder willkürlich geführten ­ Selbstgesprächen formuliertes Aussprechen von Gedanken, bei welchem sich die Person als „allein mit sich selbst“
    empfindet.

    Wichtige Kriterien für die Entscheidung, ob Äußerungen in Selbstgesprächen diesem innersten, unantastbaren Bereich der Persönlichkeit zuzuordnen sind, sind namentlich

    die Eindimensionalität der Selbstkommunikation, also die Äußerung ohne kommunikativen Bezug;

    die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation und das Maß des berechtigten Vertrauens der Person darauf, an dem jeweiligen Ort vor staatlicher Überwachung geschützt zu sein;

    die mögliche Unbewusstheit der verbalen Äußerung;

    die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken ,

    die Äußerungsform als bruchstückhafter, auslegungsfähiger oder ­bedürftiger Ausschnitt eines „Gedankenflusses“.

    In der Flüchtigkeit und Bruchstückhaftigkeit des in Selbstgesprächen gesprochenen Worts ohne kommunikativen Bezug liegen nach Ansicht des Senats auch rechtlich erhebliche Unterschiede etwa zu Eintragungen in Tagebüchern.
    Aus dem Umstand, dass eine Äußerung innerhalb des nach Art. 13 GG geschützten Bereichs der Wohnung fällt, lässt sich nach der gesetzlichen Systematik zwar ein verstärkendes Indiz für die Zuordnung zum geschützten Kernbereich ableiten. Auch außerhalb der Wohnung ist dieser Kernbereich aber absolut geschützt, wenn andere der genannten Gesichtspunkte in der Wertung überwiegen. So lag es in dem vom 2. Strafsenat entschiedenen Fall. Der gegen die Zuordnung zum Kernbereich der Persönlichkeit sprechende Sozialbezug der Äußerungen, der in ihrem möglichen oder tatsächlichen Bezug auf eine schwere Straftat lag, trat dagegen zurück.

    Aus der Verletzung des von Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG geschützten Kernbereichs der Persönlichkeit ergab sich danach ein absolutes Verwertungsverbot für die bei den Selbstgesprächen aufgezeichneten Äußerungen. Dieses Verwertungsverbot wirkt auch in Bezug auf die beiden Mitangeklagten.

    Die Sache muss demnach erneut vor dem Landgericht Köln verhandelt werden.

    Urteil vom 22. Dezember 2011 ­ 2 StR 509/10

    Landgericht Köln ­ Urteil vom 11. Dezember 2009 – 90 Js 196/07 105 ­ 19/08

    Karlsruhe, den 22. Dezember 2011

    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
    76125 Karlsruhe
    Telefon (0721) 159-5013
    Telefax (0721) 159-5501


  • Steuerhinterziehung: Es ist und bleibt ein für viele fragwürdiges Geschäft. Zwar haben nach einem Bericht die Bundesländer vom Ankauf der Steuer-CDs (es waren ja mehrere Fälle) bislang profitiert und auch in Hamburg konnten dadurch 799 Selbstanzeigen in den letzten 2 Jahren statt der sonst üblichen 100 bis 150 Selbstanzeigen pro Jahr verzeichnet werden, doch die Kritik nimmt auch innerhalb der Bundesregierung nicht ab.

    So hatte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) derweil kritisch geäußert und gesagt, dass er keine Dauerlösung in dem Ankauf von Steuer-CDs z.B. aus Österreich, der Schweiz oder Lichtenstein sehe. Eine solche – eventuell unter einem Rechtsverstoß zu Stande gekommene – Prozedur entspreche nicht auf Dauer angelegt seinem Verständnis von einem Rechtstaat.

    Vielmehr müsse eine europaweite Harmonisierung des Steuerrechts erschaffen werden und verwies auf das „Steuerabkommen“ mit der Schweiz.

    Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sieht dieses jedoch anders und erklärte, er wolle sich dieses Mittel der Beschaffung von den Daten und dadurch letztlich auch die Klärung von Straftaten „nicht aus der Hand nehmen lassen“.

    ( Hamburger Abendblatt, 17.10.2011 )


  • 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Az.: 4 StR 378/10

    Das LG hat die Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten A. zudem wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen fährlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt. Der Angeklagte W. wurde zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren und der Angeklagte A. zu einer Jugendstrafe von 7 Jahren verurteilt. Für den Angeklagten A hat das LG eine Maßregelanordnung nach §§ 69,69a StGB getroffen. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit dem Rechtsmittel der Revision.

    Nach Ansicht des 4. Strafsenats hätten die Revisionen der Angeklagten Erfolg, da die in der Hauptverhandlung beisitzende Richterin bereits in der Sache als Staatsanwältin tätig gewesen ist. Sie sei somit Kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen gewesen.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Dies stellt eine Tätigkeit i.S.d. § 22 Nr. 4 StPO dar. Dieser Begriff ist weit auszulegen, um Sinn und Zweck der Vorschrift die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens dadurch zu wahren, dass bereits der Anschein eines Verdachts der Parteilichkeit eines Richters vermieden wird, zu genügen. Er umfasst nach der ständigen jedes amtliche Handeln in der Sache, das geeignet ist, den Sachverhalt zu erforschen oder den Gang des Verfahrens zu beeinflussen (vgl. BGH, Beschl. v. 03.11.1981 – 1 StR 711/8l, NStZ 1982, 78).“

    Der Strafsenat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des LG München I zurückverwiesen.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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