Song von Bushido – Ein Fall für den Strafverteidiger?

Nachdem der deutsche Rapper Bushido in den letzten Monaten weniger mit seiner Musik und mehr mit seinen angeblichen Verbindungen zur organisierten Kriminalität (zum Abou-Chaker-Clan) in den Nachrichten erschien, steht nun wieder ein Song von ihm im Mittelpunkt der Medien. Dazu musste der Bambi-Gewinner 2011 lediglich ein neues Musikvideo mit dem Titel „Stress ohne Grund“ veröffentlichen, in welchem er mit provokanten und gewohnt harten Texten gegen Politiker sein musikalisches Comeback feiert. Klaus Wowereit (SPD), amtierender Bürgermeister von Berlin, und Bundestagsabgeordneter Serkan Tören (FDP) haben bereits Strafanzeige gegen Bushido gestellt. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den 35-Jährigen. Hat sich Bushido aber wirklich strafbar gemacht? Einige strafrechtliche Rechtsfragen sollen hiermit geklärt werden.

Die fraglichen Textpassagen im Bushido Song

Grundsätzlich geht es um drei Passagen im Lied, die möglicherweise strafrechtlich relevant sein könnten. Die erste Textzeile richtet sich gegen den Musik-Kollegen Kay One und betrifft auch den Berliner Politiker Klaus Wowereit:

„Halt die Fresse, fick die Presse, Kay Du Bastard bist jetzt vogelfrei Du wirst in Berlin in Deinen Arsch gefickt wie Wowereit“

Kurze Zeit später geht es gegen den Bundestagsabgeordneten Serkan Tören (FDP), der Bushido bereits mehrfach als Antisemiten bezeichnete, weiter:

„Ich mach‘ Schlagzeilen, fick deine Partei und ich will das Serkan Tören jetzt ins Gras beißt (Anschließend Schüsse)“

Als letztes wendet er sich an Claudia Roth (Grüne), die sich für die Aberkennung des Bambi-Integrationspreises von Bushido einsetzte:

„Ich schieß auf Claudia Roth, und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz“.

Anschließend wird ein Auto, inklusive einer zuvor entführten Person im Kofferraum, mit Benzin übergossen und angezündet.

Greift hier die Kunstfreiheit in Bushidos Song?

Der Kunstbegriff ist stark umstritten. Die Rechtsprechung wendet den sogenannten materiellen Kunstbegriff an. Demnach ist all das Kunst, in dem Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers zum Ausdruck kommen. Dies ist hier wohl der Fall, da die Rap-Musik oftmals eigene Erlebnisse und vor allem Meinungen und Beurteilungen aus der eigenen Sichtweise des Sängers & Songschreibers beinhaltet. Die Erstellung des Songtextes, Produktion von Musik und einem Musikvideo fallen daher grundsätzlich unter die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.

Gilt die Kunstfreiheit schrankenlos? Bis zum Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts war die Einschränkbarkeit der Kunstfreiheit umstritten. Während beispielsweise die Meinungsfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre findet, folgt die Kunstfreiheit erst einen Absatz später im Grundgesetz. Das BVerfG entschied in ihrer Mephisto-Entscheidung daher auch, dass die Schranken aus Art. 5 Abs. 2 GG nicht für die Kunstfreiheit gelten (BVerfGE, Beschluss vom 24. Februar 1971, Az.: 1 BvR 435/69).
Die Kunstfreiheit endet jedoch dort, wo die Menschenwürde verletzt sein könnte. Hier kommt vor allem eine Kollision mit dem allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Frage. Die Gerichte müssen dabei die kollidierenden Grundrechte gegeneinander abwägen, z.B. im Rahmen der praktischen Konkordanz (nach Konrad Hesse). Dies muss auch im Strafverfahren erfolgen. Dabei muss in jedem Einzelfall geschaut werden, wie die beiden kollidierenden Grundrechte die größtmögliche Wirkung erreichen können. Gegebenenfalls könnte sich Bushido auch auf die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Dieses Grundrecht ist jedoch, wie bereits erwähnt, leichter einzuschränken als die Kunstfreiheit, daher sei hier die Kunstfreiheit zu prüfen.

Der Fall Klaus Wowereit

Im ersten Zitat gegen Klaus Wowereit kommt vor allem der Straftatbestand der Beleidigung aus § 185 StGB in Frage. Dabei muss jedoch die wahre Aussage der Textzeile erfasst werden. Diesbezüglich kommt es nicht darauf an, wie der Beleidigte oder der Empfänger die Aussage versteht, sondern wie ein verständiger Dritter die Äußerung verstehen würde (BGH, Urteil vom 18. Februar 1964, Az.: 1 StR 572/63). So ist auch die Bedeutungsabweichung aufgrund der sozialen Schichten zu beachten. Im Endeffekt wird im Song in vulgärer Sprache auf die Homosexualität des Bürgermeisters angespielt. Da Wowereit keinen Hehl aus seiner Homosexualität macht und derartige sexuelle Praktiken möglicherweise eine gängige Praxis bei Homosexuellen darstellen, wird der Kunstfreiheit hier wohl der Vorrang gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eingeräumt werden müssen. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn es sich nicht mehr um eine Meinung, sondern um eine Schmähkritik handeln würde. Eine Schmähkritik liegt dann vor, wenn es sich um eine besonders gravierende Ehrverletzung handelt. Dabei muss der Begriff jedoch eng ausgelegt werden. Somit wird eine Meinungsäußerung erst dann zur Schmähkritik, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009, Az.: 1 BvR 2272/04). Zusätzlich gilt es zu beachten, dass die Schwelle zur Schmähkritik bei Personen des öffentlichen Lebens höher anzusetzen ist (OLG Frankfurt (Main), Beschluss vom 12. September 2012, AZ.: 16 W 36/12). Diese Schwelle scheint hier noch nicht erreicht zu sein.
In der Textzeile könnte darüber hinaus aber auch eine Bedrohung im Sinne des § 241 StGB gegenüber Kay One enthalten sein. Dazu müsste jedoch die Inaussichtstellung des Verbrechens den Zweck haben, beim Bedrohten den Eindruck der Ernstlichkeit der Bedrohung zu erwecken. Je nachdem wie der Text zu interpretieren ist, wird hier bereits problematisch, ob überhaupt mit einem Verbrechen gedroht wird. Versteht man „Du wirst in Deinen Arsch gefickt“ dahingehend, dass eine (gefährliche) Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB oder § 224 StGB angedroht wird, so handelt es sich in diesen Fällen nicht um ein Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB, sondern lediglich um ein Vergehen. Damit wäre der Tatbestand der Bedrohung nicht erfüllt.
Wird dagegen die Textzeile wortwörtlich verstanden, könnte eine Vergewaltigung im Sinne des § 177 StGB angedroht worden sein. Dies wäre tatsächlich ein Verbrechen. Trotzdem wird vermutlich auch hier an der „Ernstlichkeit“ gezweifelt werden müssen. Vor allem bei sogenannten „Gangsta-Rappern“ ist solch eine Wortwahl nicht unüblich. Einerseits ist es in diesen Kreisen üblich, dass unter „in den Arsch gefickt“ nicht wirklich ein Sexualdelikt verstanden wird, sondern eher eine Körperverletzung oder nur ein „Diss“ (das Fertig machen mit Worten), andererseits gehören solche Zeilen zu der Subkultur, ohne dass wirklich mit der Umsetzung in der Realität zu rechnen ist. Fischer (§ 241 Rn. 3) schreibt als Beispiel für keine Ernstlichkeit: „Szene-typische oder im Lebensumfeld der Beteiligten übliche und dort eher symbolisch verstandene Großspurigkeiten, die nach Lage des Einzelfalls von vornherein nicht als objektiv ernst zu nehmende Verbrechensandrohung angesehen werden könnten“. Das ist hier wohl der Fall, vor allem da Homosexualität in der Gangsta-Rapper-Szene allgemein abgelehnt wird und dahingehend die „Bestrafung“ durch eine (homosexuelle) Vergewaltigung widersinnig wäre. Somit wird es wohl spätestens an der Ernstlichkeit scheitern.

Der Fall Serkan Tören

Anders könnte es im Fall Serkan Tören sein. Eine Bedrohung nach § 241 StGB kommt hier wohl nicht in Frage, da kein Verbrechen angekündigt wird, sondern lediglich der Wunsch nach dem Tod des Politikers ausgedrückt wird.
Möglicherweise könnte jedoch eine öffentliche Aufforderung zu einer Straftat vorliegen. Gemäß § 111 Abs. 1 Var. 1 StGB wird jemand, der öffentlich zu einer Straftat aufruft, wie ein Anstifter bestraft. Kommt es zu keinem Erfolg droht § 111 Abs. 2 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren an.
Dabei muss die Aufforderung aber über eine bloße Befürwortung hinausgehen. Problematisch ist in diesem Fall bereits, ob eine Tötung durch eine Straftat erwünscht wird oder lediglich der Tod, gegebenenfalls auch in natürlicher Weise, herbei gesehen wird. Aber selbst wenn zumindest auch der Tod durch eine Straftat erwünscht sei, würde das Gutheißen dieser möglichen Straftat nicht automatisch auch eine Aufforderung bedeuten (BGH, Urteil vom 14. März 1984, Az.: 3 StR 36/84). Somit handelt es sich hier wohl lediglich um ein Befürworten und nicht um ein Auffordern. Dies ist seit dem Jahre 1981 nicht mehr strafbar.

Der Fall Claudia Roth

Schwerer wiegt der Fall bei Claudia Roth. Hier rühmt sich Bushido selbst mit der Ausführung der möglichen Tat. Aber auch hier scheitert die Bedrohung gemäß § 241 StGB vermutlich an der Ernstlichkeit. Objektiv ist nicht von einer Drohung mit der Tötung auszugehen, sondern ist diese eher symbolisch gemeint.
Das Ganze könnte aber im Rahmen einer Beleidigung nach § 185 StGB strafbar sein. Die Politikerin wird dadurch, dass ihrem Leben kein hoher Wert zugerechnet wird, möglicherweise in ihrer Person herabgesetzt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht jede Todesdrohung auch gleichzeitig eine Beleidigung sein muss (OLG Oldenburg, Beschluss vom 6. November 2008, Az.: Ss 412/08). Fraglich ist, ob im Gesamtkomplex eine Herabwürdigung von Frau Roth erfolgt. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts immer noch so stark wiegen, dass es von der Kunstfreiheit nicht gerechtfertigt wäre. Da es sich bei Frau Roth um eine Person des öffentlichen Lebens handelt, ist die Schwelle hier sogar noch etwas höher. Politiker und Personen aus der Öffentlichkeit müssen sich mehr gefallen lassen als Privatpersonen, vor allem auch aufgrund ihres Verhaltens.

Zusätzlich kommt es bei einer Beleidigung gemäß § 194 Abs. 1 StGB nur dann zur Strafverfolgung, wenn der Betroffene einen Strafantrag stellt. Claudia Roth hat bereits angekündigt, dass sie keinen Strafantrag stellen wird. Vielleicht auch, um nicht noch mehr Berichterstattung über die Sache zu erreichen.

Strafbarkeit wegen Gewaltdarstellung gemäß § 131 StGB

Ferner könnte das Lied bzw. Musikvideo den Straftatbestand der Gewaltdarstellung aus § 131 StGB erfüllen. Unter Schriften versteht das Strafrecht nämlich auch Ton- und Bildträger. Dazu müsste der Song grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen schildern. Bereits an diesem Punkt könnte die Strafbarkeit scheitern.
§ 131 StGB zielt nicht darauf ab, dass die Schilderung grausam oder unmenschlich, sondern die Gewalttätigkeit als solche grausam oder sonst unmenschlich ist. Dazu muss eine menschenverachtende und rücksichtslose Tendenz zum Ausdruck kommen (BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1992, Az.: 1 BvR 698/89). Beispielsweise ist dies der Fall, wenn der Täter aus Vergnügen und völlig bedenkenlos und kaltblütig Menschen misshandelt oder tötet. Als Umkehrschluss reicht somit eine reine Darstellung der Tötung nicht aus. Im Song selbst wird lediglich oberflächlich oder allgemein eine Tötungshandlung beschrieben. Hier wird kaum eine besondere grausame oder menschenverachtende Gewalt dargestellt. Vielmehr handelt es sich beim Erschießen um die übliche Gewalt, die im Rahmen eines Tötungsdeliktes auftreten kann. Damit ist der Tatbestand des § 131 StGB wohl nicht erfüllt.

Fazit: Keine Strafe für Bushdio?

Insgesamt zeigt sich, dass Bushido vermutlich keinen Rechtsanwalt für Strafrecht bzw. Strafverteidiger wegen strafrechtlicher Ermittlungen gegen seines Songs brauchen wird. Nicht alles was gesellschaftlich missbilligt wird, ist auch mit dem Strafrecht zu bekämpfen. Das Strafrecht bleibt ultima ratio und greift nur in extremen Ausnahmefällen ein. So geschmacklos und ablehnend das Lied auch sein mag, so verstößt es in größten Teilen wohl nicht gegen Strafgesetze. Neben dem Strafrecht gibt es jedoch auch andere rechtliche Konsequenzen.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) hat das Album zum entsprechenden Lied wegen Diskriminierung und Aufruf zu Gewalt bereits am 19.07.2013 indiziert. Damit darf das Album nicht mehr öffentlich beworben werden und nur noch an Erwachsene verkauft werden. Als Folge ist das Album bereits im Versandhandel nicht mehr angeboten. Im Fall der Nichteinhaltung dieser Regelungen drohen für Versandhändler bzw. Betreiber von Geschäften Geldstrafen. Auch könnten zivilrechtliche Ansprüche, wie Unterlassungsansprüche bzw. Schadensersatzansprüche im Fall einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung der Betroffenen auf Bushido zukommen. In vergleichbaren Fällen wurde den Opfern solcher Äußerungen ein Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro und mehr von den Gerichten zugesprochen. Doch diese Summe sollte angesichts dieser PR für den Rapper keine große Hürde stellen. Doch dann braucht Bushido wohl doch noch einen Rechtsanwalt.

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