Anwalt, Fachanwalt oder Strafverteidiger?

Etwa 0,2 Prozent der Bevölkerung besitzt in Deutschland eine Zulassung als Rechtsanwalt. Ca. 29 Prozent der zugelassenen Rechtsanwälte dürfen in der Außendarstellung den Titel „Fachanwalt“ verwenden. Von allen Fachanwälten in Deutschland haben ca. 6,2 Prozent ihre Eignung als Fachanwalt für Strafrecht nachgewiesen. Von den Rechtsanwälten insgesamt haben bundesweit ca. 1,82 Prozent den Titel „Fachanwalt für Strafrecht“ erworben, unter den Anwälten in Hamburg bezeichnen sich etwa 1,26 Prozent der Anwälte als Fachanwalt für Strafrecht. (Basis der Ermittlung: Statistiken der Bundesrechtsanwaltskammer, www.brak.de, Stand: 2013.)

Anwalt oder Fachanwalt? Strafrecht-Anwalt oder Fachanwalt für Strafrecht? Anwalt oder Strafverteidiger? Wo liegen die Unterschiede?

Trotz strenger Reglementierungen sind Anwälte in Deutschland keine Mangelware. Nach Auskunft der Bundesrechtsanwaltskammer steigen die Zulassungszahlen für Rechtsanwälte in Deutschland seit 1960 kontinuierlich an (Ausnahme: 1991), zum 01.01.2014 zählte die Kammer bundesweit bereits 163.690 Mitglieder, davon 162.695 Rechtsanwälte, 276 Rechtsbeistände, 654 Rechtsanwalts-GmbHs und 26 Rechtsanwalts-AGs. Hier in Hamburg wurden insgesamt 10.072 Mitglieder gezählt, darunter 9.998 Rechtsanwälte und 34 Rechtsbeistände.

Rechtsanwaltszulassungen in Deutschland

Rechtsanwaltszulassungen in Deutschland

Obwohl oder gerade weil es offenbar viele gibt – „der beste Rechtsanwalt“ oder „der beste Strafverteidiger“ ist für den Laien möglicherweise kaum noch zu ermitteln.

Als besonders schwierig könnte sich die Suche nach einem guten Anwalt in Hamburg herausstellen,
da wir verglichen mit anderen Bundesländern in Hamburg momentan die höchsten Zuwachsraten (Neuzulassungen) für Rechtsanwälte verzeichnen. Verglichen mit München, Frankfurt, Hamm oder Berlin ist die Zunft der Anwälte in Hamburg auf den ersten Blick scheinbar „noch nicht so stark“ vertreten, doch der Eindruck täuscht:

Rechtsanwaltszulassungen in Hamburg, Berlin und München

Vgl.: Hamburg, München, Berlin

Nach unseren Schätzungen (Einwohnerzahlen lassen sich leider nicht exakt ermitteln und vergleichen), rangieren Anwälte in Hamburg – bezogen auf das Verhältnis zwischen Anwälten und Einwohnern – derzeit zahlenmäßig etwa zwischen München und Berlin.

Betrachten wir das vorliegende Zahlenmaterial, so lässt sich für einen Anwalt in Hamburg eine Quote von derzeit etwa 180:1 ermitteln, gegenüber sagenhaften (nur noch ca.) 70 Einwohnern pro Anwalt in München und etwa 260 Einwohnern je Rechtsanwalt in der Bundeshauptstadt (Berlin) – jeweils ohne Berücksichtigung des Einzugsgebiets im jeweiligen Umland der genannten Städte.

Damit Sie sich bei der Auswahl Ihres Rechtsanwalts nicht allein auf möglicherweise unqualifizierte (weil fachlich ungeeignete) persönliche Empfehlungen oder auf Medienberichte über so genannte „Staranwalt-Prozesse“ verlassen müssen, erläutern wir Ihnen im Folgenden einige juristische Orientierungshilfen, mit denen der Gesetzgeber versucht hat, für Transparenz unter den Anwälten zu sorgen:

Dazu (vorab) ein Beispiel: Inhaber der Anwaltskanzlei Dr. Böttner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht und Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner.

Die verschiedenen Berufsbezeichnungen (Anwaltstitel) geben Auskunft über diverse abgelegte Prüfungen, Tätigkeitsschwerpunkte und Leistungsnachweise, hier bezogen auf die besondere Expertise als Spezialist und Rechtsanwalt im Strafrecht.

Anders als im Volksmund (und somit auch im Duden) lässt der Anwaltsbegriff im juristischen Sprachgebrauch keinerlei Spielraum zu. Um Irreführungen möglichst auszuschließen, darf sich ein Anwalt in Deutschland nur dann als Rechtsanwalt bezeichnen, wenn ihm der Rechtsanwaltstitel nach Ablieferung entsprechender Prüfungsleistungen offiziell verliehen wurde. Gesetzlich geschützt sind darüber hinaus der Doktorgrad (Dr. jur. steht für den Doktor der Rechte bzw. der Rechtswissenschaften) und auch der Fachanwaltstitel, welche Auskunft über Zusatzqualifikationen geben. Lediglich der Zusatz „Strafverteidiger“ ist eine frei gewählte (ungeschützte) Berufsbezeichnung. Sie gibt Auskunft über einen Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit.

Anwalt oder Rechtsanwalt?

Es ist schon vorgekommen, dass jemand fragte, ob es zwischen einem Anwalt und einem Rechtsanwalt Unterschiede gibt. Nun ja. Ein „Anwalt der Armen“ oder ein „Anwalt der Natur“ muss z.B. von Rechts wegen selber kein Rechtsanwalt sein, er könnte sich u.U. auch einem Anwalt anvertrauen, um seine Standpunkte prüfen, vertreten und durchsetzen zu lassen. im deutschen Sprachgebrauch ist der Anwaltsbegriff tatsächlich beliebig dehnbar. Unter einem „Anwalt des Volkes“ versteht man im Allgemeinen einen Staatsanwalt. Wie der Anwalt hat auch der Staatsanwalt zunächst ein Studium bzw. das Referendariat zum Volljuristen absolviert und eine Befähigung zum Richteramt nachgewiesen, sich aber anschließend für eine Laufbahn im Staatsdienst entschieden.

Im juristischen Sprachgebrauch wird der Anwaltsbegriff allerdings uneingeschränkt gleichwertig verwendet. Wer Ihre Rechte schützen und verteidigen möchte, kann sich Ihnen gegenüber als Anwalt oder als Rechtsanwalt ausgeben, vorausgesetzt er hat das erste und das zweite Staatsexamen erfolgreich absolviert, ist also als Anwalt zugelassener Volljurist, oder er hat eine Sonderzulassung erhalten, z.B. für die Vertretung in speziellen Rechtsgebieten, bei nachgewiesener Eignung.

Im „Hochschuldeutsch“ wird der Anwalt normalerweise als Rechtsanwalt bezeichnet, da er an deutschen Universitäten zum „Verteidiger der Rechte“ ausgebildet wird. Umgangssprachlich wird der Rechtsbezug oft „unterschlagen“, was kritisch betrachtet verbal wohl nicht korrekt ist aber gängige Praxis.

Rechtsanwalt oder Fachanwalt?

Für die Zulassung zum Rechtsanwalt ist in Deutschland eine Ausbildung zum Volljuristen nötig. Nach einschlägigem Studium der Rechtswissenschaften erwartet den werdenden Anwalt das erste Staatsexamen. Nach bestandener Prüfung durchläuft er ein Referendariat (i.d.R. ca. 2 Jahre), den so genannten „juristischen Vorbereitungsdienst“, in welchem er verschiedene Stationen der Justiz durchläuft. Dem praktischen Teil der juristischen Ausbildung schließt sich das 2. Staatsexamen an, nach dessen Bestehen sich der ehemalige Jura-Student als Rechtsassessor (Assessor juris) oder Volljurist bezeichnen darf, der über Kenntnisse im Zivilrecht, im Strafrecht und im Öffentlichen Recht verfügt. Als solcher kann er die Zulassung zum Rechtsanwalt beantragen.

Recht stagniert nicht, es entwickelt sich weiter. Früher oder später empfiehlt es sich für einen Rechtsanwalt, sich auf ein Rechtsgebiet zu fokussieren. Zur intensiven und kontinuierlichen Weiterbildung in komplexen Rechtsgebieten und für den Nachweis einer aktiven und erfolgreichen Spezialisierung bieten sich in Deutschland Fachanwaltschaften an:

Rechtsanwälte mit Fachanwalt-Spezialisierung Rechtsanwälte mit Spezialisierung als Fachanwalt (Verteilung 2013).

Rechtsanwälte und Fachanwälte in Deutschland

Die (anklickbaren) Grafiken veranschaulichen die momentane Verteilung solcher Rechtsanwalts- bzw. Fachanwaltsspezialisierungen. Erläuterungen zum Fachanwalt für Strafrecht finden Sie in den Kanzlei-Informationen dieser Homepage.

Neben dem Fachanwalt für Strafrecht können Rechtsanwälte heute Zusatzqualifikationen als Fachanwalt in über 20 Rechtsgebieten erwerben – zu den ältesten gehört der Fachanwalt für Steuerrecht, am stärksten nachgefragt sind derzeit Fortbildungen zum Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Familienrecht.

Fachanwälte in Hamburg

Fachanwälte in Hamburg

Neu hinzugekommen ist in 2014 der Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.

Mit steigenden Anforderungen und wachsender Komplexität einzelner Rechtsgebiete darf man annehmen, dass irgendwann weitere Fachanwaltschaften folgen werden, die dem so genannten „Einheitsjuristen“ (dem Anwalt mit breit gefächertem Studium) eine tiefgreifende Spezialisierung auch in anderen komplexen Rechtsgebieten ermöglicht.

Rechtsanwalt oder Strafverteidiger?

Ein Rechtsanwalt kann, muss aber nicht als Strafverteidiger für Sie tätig werden. Anwälte, die sich auf die Strafverteidigung spezialisiert haben, bringen normalerweise eine besondere Motivation zur Verteidigung Ihrer Rechte mit sowie entsprechende Erfahrungen im Strafrecht.

Als Beschuldigter in einem Strafverfahren sind Sie in der Wahl Ihres Verteidigers grundsätzlich relativ frei. Sie können einen Rechtsanwalt, jeden Rechtslehrer einer deutschen Hochschule, einen Rechtskundigen  und in besonderen Fällen sogar einen Kammerrechtsbeistand oder eine andere Person Ihres Vertrauens als Verteidiger auswählen. Sie können sich zu jedem Zeitpunkt eines Strafverfahrens und in jeder Instanz von Ihrem Strafverteidiger vertreten lassen, auf besonderen Wunsch können sogar mehrere Strafverteidiger für Sie tätig werden (max. 3). In bestimmten Fällen ist die Beiordnung eines erfahrenen Strafverteidigers notwendig (gesetzlich vorgeschrieben), in vielen anderen Fällen ist die Hinzuziehung eines spezialisierten Strafverteidigers dringend anzuraten. Sollten Sie die rechtzeitige Hinzuziehung eines Wahlverteidigers versäumt haben, wird Ihnen unter Umständen ein Pflichtverteidiger zugewiesen. (Weitere Informationen zur Strafverteidigung im Straf- und Wirtschaftsstrafrecht finden Sie auf den Informationsseiten unserer Kanzlei.)

Dem Rechtsanwalt ähnliche und andere Berufsbezeichnungen

Neben deutschen Rechtsanwälten können sich auch europäische Rechtsanwälte in Deutschland niederlassen und eine Zulassung als Rechtsanwalt beantragen. Die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer setzt voraus, dass der Antragsteller bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaates als europäischer Rechtsanwalt eingetragen ist. Im Außenverhältnis trägt ein europäischer Anwalt die Berufsbezeichnung, die ihm im Herkunftsland verliehen wurde. Sollte er berechtigt sein, die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ zu führen, erkennt man einen solchen Anwalt an der Berufsorganisation des Herkunftsstaates, welche dann zusätzlich angegeben werden muss. Die Berufsbezeichnung „europäischer Rechtsanwalt“ darf ein solcher Anwalt in Deutschland nicht verwenden.

Bis zum 18. August 1980 wurden in Deutschland neben Rechtsanwälten auch so genannte Rechtsbeistände zur Rechtsberatung und Rechtsbesorgung zugelassen, teils mit Vollerlaubnis, teilweise mit beschränkter Erlaubnis zur Vertretung in bestimmten Rechtsgebieten. In Steuer-, Monopolsachen und im gewerblichen Rechtsschutz durften die Rechtsbeistände nicht tätig werden, wer damals eine (noch gültige) Erlaubnis erhalten hat, darf seine Tätigkeit weiterhin ausüben.

Fachhochschulen aber auch Universitäten und Institutionen der privaten Wirtschaft entwickeln parallel zum Rechtsanwaltsstudium des Volljuristen (s.o.) regelmäßig neue juristische Fachausbildungen, Studien- und Aufbaustudiengänge, die überwiegend an den Erfordernissen der freien Wirtschaft (für unternehmensinterne Zwecke) ausgerichtet sind. Mit Diplomen, Bachelor- und Masterstudiengängen solcher Absolventen werden Sie bei der Auswahl Ihres Rechtsanwalts oder Strafverteidigers wahrscheinlich eher nicht konfrontiert, so dass wir sie zu diesem Zeitpunkt hier nicht genauer erläutern müssen.

Irreführung und Missbrauch von Anwaltstiteln und Berufsbezeichnungen

Der Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen ist nach dem Strafgesetzbuch (StGB § 132a) unter Strafe gestellt. Wer einen Anwaltstitel vortäuscht, muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe rechnen.

Die Wahrscheinlichkeit einer wissentlichen Täuschung bezüglich einer Anwaltsqualifikation ist somit sehr gering, nicht ausgeschlossen ist aber eine irrtümliche Täuschung. Eine Spezialisierung wird für Rechtsanwälte zweifellos immer wichtiger, umstritten ist jedoch die Frage, wie man der Spezialisierung über den Fachanwaltstitel hinaus überhaupt Ausdruck verleihen darf:

Jeder Anwalt kann und möchte sein Fachgebiet natürlich gerne kenntlich machen, umstritten ist allerdings, wie man den Anwaltsschwerpunkt kennzeichnet und gleichzeitig Verwechselungen ausschließt, insbesondere durch schützenswerte Nichtjuristen. Beispielsweise entschied das Landgericht München (LG München, 09.02.2010, Az. 33 O 427/09) vor gar nicht all zu langer Zeit, dass sich ein Anwalt nicht als Spezialist für etwas bezeichnen dürfe, der keinen Fachanwaltstitel erworben hat (Quelle: Legal Tribune). Würde sich demnach ein (Strafrecht-)Anwalt (ohne Fachanwaltstitel) z.B. als „Spezialist für Strafrecht“ ausgeben, wäre die Verwechslungsgefahr mit einem „Fachanwalt für Strafrecht“ als zu groß zu bewerten. Würde der Anwalt hingegen angeben, dass er „spezialisiert auf Strafrecht“ ist, wäre eine Verwechslung aus Sicht des LG München quasi ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) war zuvor anderer Auffassung. Demnach würde der Fachanwalt auf eine Zusatzqualifikation hinweisen, der Spezialist hingegen eine konkrete Einschränkung auf ein bestimmtes Fachgebiet vornehmen. Fraglich blieb bis heute, wie wohl der Laie darüber denkt, der in der Regel ja einfach nur den geeignetsten Anwalt finden möchte, zur Auflösung eines gegebenen Rechtsproblems.

Die Qual der Anwalt-Wahl

Bei der Entscheidung für einen Rechtsanwalt können Rechtsanwalt (Volljuristenstatus), Fachanwalt (Spezialisierung) und Doktortitel (vertiefte Kenntnisse) sichere Anhaltspunkte für die (geprüfte) Qualifikation eines Rechtsanwalts geben. Von einem Fachanwalt können Sie auch eine gewisse Erfahrung und Motivation in seinem Spezialgebiet erwarten. Was Sie darüber hinaus in Ihre Waagschale werfen, liegt ganz bei Ihnen.

Quellangaben:

Über den Autor

Kanzlei: Rechtsanwalt und Strafverteidiger Dr. Böttner

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