Widerruf der Bewährung nach Ablauf der Bewährungszeit

AG Wetzlar, Az.: 43 AR – 10/07

Das AG Frankfurt verurteilte den Verurteilten unter Einbeziehung eines Strafbefehls vom AG Gießen am 28.11.2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten. Diese wurde zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit auf 2 Jahre ab Rechtskraft festgelegt. Rechtskraft trat am 28.11.2006 ein.
Das AG Frankfurt gab per Beschluss das Bewährungsverfahren an das AG Wetzlar ab, da der Verurteilte hier wohnhaft war.
Während der Bewährungszeit beging der Verurteilte im Sommer 2007 weitere Straftaten. Durch Urteil des AG Aschaffenburg vom 29.05.2008 in Verbindung mit dem Urteil des AG Aschaffenburg vom 25.05.2009 (rechtskräftig ab 29.05.2009) wurde der Verurteilte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mir gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten verurteilt.
Am 28.10.2009 beantragte die Staatsanwaltschaft Frankfurt beim AG Wetzlar den Widerruf der Bewährung. Am 31.03.2009 teilte das AG Wetzlar der Staatsanwaltschaft gewisse Zweifel an der Zulässigkeit des Widerrufs mit. Die Staatsanwaltschaft war anderer Ansicht und gab am 27.04.2009 bekannt, dass sie dem Verurteilten Haftaufschub bis zum 04.07.2010 gewähren und der Antrag auf Widerruf aufrechterhalten werde.

Das AG Wetzlar ist der Ansicht, dass der Widerrufsantrag zurückzuweisen sei, da die nötigen Voraussetzungen nach § 56f I Nr. 1 StGB nicht vorliegen würden.

Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

„Vorliegend handelt es sich um die Frage, wann aufgrund einer neuen Tat ein Widerruf nach Ablauf der Bewährungszeit zulässig ist. Das Gesetz sieht hierzu keine unmittelbare Regelung vor. Insbesondere ist § 56g II 2 StGB hierfür nicht anwendbar. Diese Norm bezieht sich nämlich auf den Widerruf des Straferlasses und nicht auf den Widerruf der Bewährung nach Ablauf der Bewährungszeit. Auch eine analoge Anwendung kommt nach Ansicht des Gerichts nicht in Betracht (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.03.1997, NStZ-RR 1997, 254), da die Voraussetzungen für eine Analogie nicht gegeben sind.

Ein Widerruf der Bewährung nach Ablauf der Bewährungszeit ist grundsätzlich zulässig. In der Rechtsprechung bestehen aber verschiedene Ansichten, wie lange nach Ablauf der Bewährungszeit bzw. nach rechtskräftiger Entscheidung über die neue Straftat eine Widerrufsentscheidung noch getroffen werden kann, ohne dabei die rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes zu verletzen.

Die Unverhältnismäßigkeit des Widerrufs ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Verurteilte bei Ablauf der Bewährungszeit nicht daraufhingewiesen worden ist, dass zunächst der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens wegen der laut neuer Anklage in der Bewährungszeit begangenen Taten abgewartet werden soll.“


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