Aufklärungshilfe

  • Zur Anwendung von § 46b StGB kann es ausreichen, dass vorliegende Erkenntnisse bestätigt werden.

    Das Landgericht Berlin verurteilte den Angeklagten wegen Geldfälschung und verneinte eine Strafmilderung nach § 46b StGB („Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten“), obwohl der Angeklagte frühzeitig sein Wissen offenbarte. Das Landgericht führte aus, dass der Angeklagte mit seinem frühen Geständnis lediglich die bereits bestehenden Erkenntnisse der Ermittlungen bestätigt habe.

    Die Strafverteidigung sah trotzdem einen Anwendungsgrund für § 46b StGB gegeben und war erfolgreich mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH):

  • Die Anwendung des § 31 BtMG bei der freiwilligen Offenbarung von Wissen.

    In einem Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ging es um die Anwendung der Kronzeugenregelung nach § 31 BtMG. Die Angeklagte gab gegenüber der Polizei eine Bekannte als Mitauftraggeberin des Rauschgifttransports an.

  • BGH, Beschluss vom 01.12.2011, Az.: 5 StR 429/11

    Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in zwei Fällen (Einzelstrafen fünf Jahre und sechs Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe) sowie wegen Verabredung zu einem besonders schweren Raub (Einzelstrafe zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision.

    Der BGH schließt sich dabei der Stellungnahme des Generalbundesanwalts an:

    „Bei Tat Ziffer 1 der Urteilsgründe fehlt es an der notwendigen Gesamtwürdigung, von welchem Strafrahmen auszugehen ist, dem des § 250 Abs. 3 oder dem der §§ 250 Abs. 2, 46 b, 49 StGB. Dadurch ist der Angeklagte beschwert, da der Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) für den Angeklagten günstiger ist als der nach §§ 46 b, 49 StGB gemilderte Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB (Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu elf Jahren und drei Monaten). Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, dass die Strafkammer sich dieser unterschiedlichen Auswirkungen bewusst war. Dies nötigt zur Aufhebung dieses Einzelstrafausspruchs, denn es kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass das Tatgericht unter Zugrundelegung eines anderen Strafrahmens zu einer niedrigeren Einzelfreiheitsstrafe gelangt wäre.“

    Nach Ansicht des BGH lässt sich aus den Urteilsgründen des Landgerichts nichts erkennen, welchen Strafrahmen das Gericht zugrunde gelegt hat. Die Annahme eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB wäre im vorliegende Fall für den Angeklagten günstiger als der nach §§ 46b, 49 StGB gemilderte Strafrahmen.


  • BGH, Beschluss vom 30.08.2011, Az.: 2 StR 141/11

    Das Landgericht Erfurt hat die Angeklagte wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es bestimmt, dass von der Gesamtfreiheitsstrafe ein Jahr und sechs Monate als vollstreckt gelten. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Angeklagten.

  • BGH, Beschluss vom 11.08.2011, Az.: 4 StR 279/11

    Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten verurteilt. Es wurde die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sowie ein Wertersatzverfall in Höhe von 83.600 Euro angeordnet.

    Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein. Er rügte, dass § 31 BtMG nicht angewendet wurde. Danach kann das Gericht die Strafe mildern oder sogar ganz von Strafe absehen, wenn der Angeklagte Aufklärungshilfe leistet.

    Dazu der 4. Strafsenat des BGH in seiner Beschlussbegründung:

    „Die Überprüfung des Urteils deckt zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Strafkammer hat die Anwendung des § 31 BtMG bereits deshalb zu Recht abgelehnt, weil nach den Feststellungen ein Aufklärungserfolg nicht eingetreten ist. Der Angeklagte hat lediglich den Vornamen seines Abnehmers aus Essen angeben können, wodurch „vielversprechende“ polizeiliche Ermittlungen in Gang gesetzt wurden. Damit ist ein Aufklärungserfolg nicht erzielt worden. Es genügt nicht, wenn der Täter nur Ermittlungsansätze aufgezeigt hat, erforderlich ist vielmehr, dass eine Aufdeckung erfolgt ist. Dafür müsste der Abnehmer zumindest so genau ermittelt worden sein, dass er zur Festnahme hätte ausgeschrieben werden können (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 – 2 StR 532/99, StV 2000, 318; Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 31 Rn. 15 jeweils m.w.N.).“

     

    Allerdings hob der BGH das Urteil bezüglich der Sicherungsverwahrung und des Wertersatzverfalls auf:

    „Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kann aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20. Juni 2011 keinen Bestand haben, da – anders als zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung – das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 4. Mai 2011 § 66 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) für unvereinbar mit Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Abs. 1 Grundgesetz erklärt hat und die Vorschrift bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013 nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden darf.
    Auch die Anordnung des Wertersatzverfalls begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.“

     

    Das Urteil ist aus zwei Gründen besonders interessant.
    Zum einen stellt der BGH klar, dass der § 31 BtMG nur den wirklichen Aufklärungserfolg belohnt. Bemühungen des Täters reichen nicht aus. Zum Anderen zeigt der Beschluss, dass der BGH die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzt. Dieses hatte den § 66 StGB – die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – im letzten Jahr für bestimmte Anwendungsfälle für verfassungswidrig erklärt.


  • BGH, Beschluss vom 14.04.2011, Az.: 2 StR 34/11

    Das Landgericht Aachen hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer früheren Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Außerdem hat es den vom Angeklagten zur Tatausführung genutzten Pkw eingezogen. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte erhebliche Aufklärungshilfe geleistet, indem er der Polizei Daten seiner Mittäter im Rahmen der Raubtaten genannt hatte.
    Das Landgericht hat dies als  allgemeinen Strafmilderungsgrund gewertet und im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt.

    Im Rahmen der erfolgreichen Revision hat der 2. Strafsenat des BGH nunmehr ausgeführt, dass dies sei nicht ausreichend ist, sondern vielmehr eine Milderung gem. § 46b Abs. 1 Satz 1 StGB zu prüfen ist, auch wenn der Angeklagte seine eigene Tatbeteiligung leugnet:

    „Damit hat es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen zu prüfen, ob die zu erkennenden Strafen gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 StGB zu mildern sind. Nach den getroffenen Feststellungen lagen die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. k StPO vor. Der Umstand, dass der Angeklagte seine eigenen Tatbeiträge geleugnet hat, steht der Anwendung der Vorschrift des § 46b Abs. 1 StGB nicht entgegen (vgl.  Fischer StGB 58. Aufl. § 46b Rn. 13 mwN), sondern ist im Rahmen der für die Ausübung des Ermessens nach § 46b Abs. 2 StGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu niedrigeren Einzelfreiheitsstrafen und zu einer insgesamt niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre, wenn es § 46b StGB in seine Erwägungen einbezogen hätte.“

    Ebenfalls hat das Landgericht in den schriftlichen Urteilsgründen nicht mitgeteilt, welchen Wert der im Eigentum des Angeklagten stehende und eingezogene PKW hat, so dass das Revisionsgericht nicht prüfen kann, ob die Einziehung zu Unrecht im Rahmen der Strafzumessung unberücksichtigt geblieben ist:

    „Das Landgericht hat zudem bei der Strafzumessung nicht erörtert, ob die Einziehung des dem Angeklagten gehörenden Pkws strafmildernd zu berücksichtigen ist. Ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust durch Einziehung kann strafmildernd zu berücksichtigen sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 – Strafzumessung 1, 16 und 39). Einer ausdrücklichen Erörterung bedarf es zwar dann nicht, wenn angesichts des Wertes die Einziehung die Bemessung der Strafe nicht wesentlich zu beeinflussen vermag (Senat, NStZ 1985, 362; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 39). Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, kann der Senat aber nicht beurteilen, da das Landgericht den Wert des eingezogenen Pkws nicht mitgeteilt hat.“

    Damit hat der BGH klar gestellt, dass – sofern die Voraussetzungen vorliegen – das Gericht eine Strafmilderung nach § 46b I 1 StGB zumindest erörtern und bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ggf. anwenden muss. Zudem könne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46b I StGB nicht allein deshalb verneint werden, weil die eigenen Tatbeiträge geleugnet werden. Somit ist ein Geständnis nicht zwingend für die Strafmilderung erforderlich.

    Daher wurde Urteil im Ausspruch über die Einzelstrafen sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben.


  • BGH, Beschluss vom 21.12.2010, Az.: 3 StR 401/10

    Das Landgericht Oldenburg hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen eingelegte Revision des Angeklagten hat Erfolg, das Urteil wurde aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen.

    Der Angeklagte war nach Feststellungen des Landgerichts in die Wohnung der Geschädigten eingedrungen, welche als Prostituierte tätig war.  Dort soll er zweimal den vaginalen Geschlechtsverkehr erzwungen haben.
    Nach der Einlassung des Angeklagten hat dieser jedoch  für den Geschlechtsverkehr bezahlt und die Geschädigte sei damit einverstanden gewesen. Nach Ansicht des Gericht war seine Aussage jedoch widersprüchlich und durch die Aussagen mehrerer anderer Zeugen widerlegt. Die Geschädigte wurde aber nicht vernommen.

    Die Verteidigung des Angeklagten stellte einen Beweisantrag auf Vernehmung der Geschädigten, welche sich zu diesem Zeitpunkt in Litauen befand. Die Vernehmung wurde als nicht erforderlich angesehen und daher gemäß § 244 V 2 StPO abgelehnt.

    Dies beanstandet der Strafsenat des BGH:

    „Ob die Ladung und Vernehmung eines Auslandszeugen geboten ist, richtet sich somit nach der Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne des § 244 Abs. 2 StPO. Bei deren Prüfung hat der Tatrichter namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen.

    In diesem Rahmen ist er von dem sonst geltenden Verbot der Beweisantizipation befreit. Daher darf er prognostisch berücksichtigen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu würdigen wären.“

    Die Erwägungen des Gerichts müssen dabei im Beschluss nach § 244 VI StPO dargelegt werden. Dabei muss der wesentliche Kern der Entscheidung erkennbar sein, damit das Revisionsgericht die Entscheidung überprüfen kann.

    In der vorliegenden Entscheidung hat der BGH zutreffend ausgeführt, dass bereits diese Voraussetzung nicht
    erfüllt ist. Es läge nicht einmal eine ansatzweise nachvollziehbare Prognoseentscheidung über die Erforderlichkeit  der Aussage der Zeugin des Tatrichters vor.


  • 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Az.: 2 StR 523/10

    Das LG Marburg hat den Angeklagten wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung weiter in Tateinheit mit Raub und weiter in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Dagegen legte der Angeklagte Revision ein.

    Der 2. Strafsenat erachtet die Revision begründet, da sich das LG Marburg im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nach § 244 II StPO dazu gedrängt gewesen wäre, den Staatsanwalt zu vernehmen und das Protokoll der Haftbefehlsverkündung zu verlesen.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Es ist nicht auszuschließen, dass der Strafausspruch auf der unterbliebenen Beweiserhebung beruht, denn eine Aufklärungshilfe des Angeklagten wäre im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen.“

    Der Strafsenat hob das Urteil im Strafausspruch auf und verwies die Sache an das LG Marburg zurück.


  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 65/10

    Die beiden Angeklagten sind vom Landgericht Krefeld wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit solchen in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

    Gegen die Entscheidung wendeten sich die Angeklagten mit ihrer auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

    Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Angeklagten am 13.07.2009 nach vollendeter Einfuhr von Betäubungsmitteln (ca. 3 kg Marihuana und 3kg Amphetamin) aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland von der Polizei festgenommen. Bei der polizeilichen Vernehmung und weiteren Ermittlungs- bzw. Zwischenverfahren leisteten beide Angeklagten keine „Aufklärungshilfe“. Erst in der Hauptverhandlung am 6.11.2009 gaben die Angeklagten Hinweise zu ihrem Auftraggeber.

    Auf Grund dieser späten Angaben zum Auftraggeber ist nach Ansicht des Landgerichts eine Strafmilderung nach § 31 BtMG ausgeschlossen, denn “der späte Zeitpunkt der Aussagen erst in der Hauptverhandlung führe gemäß § 31 Satz 2 BtMG, § 46 b Abs. 3 StGB i. V. m. Art. 316 d EGStGB (jeweils in der Fassung des 43. StrÄndG vom 29. Juli 2009, BGBl I 2288, in Kraft seit 1. September 2009) dazu, dass wegen der nunmehr geltenden zeitlichen Grenze der Berücksichtungsfähigkeit die „Vergünstigung des § 31 BtMG“ den Angeklagten nicht mehr zugute kommen könne.

    Hierin liegt nach Ansicht des Strafsenats ein Rechtsfehler in der Anwendung der Neuregelung auf Verfahren vor Inkrafttreten dieser. So führt der Strafsenat in seinem Beschluss im Weiteren aus:

    „Art. 316 d EGStGB bestimmt, dass § 46 b StGB und § 31 BtMG in der Fassung des 43. StrÄndG nicht auf Verfahren anzuwenden sind, in denen vor dem 1. September 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist. Diese negativ formulierte Überleitungsvorschrift stellt eine – verfassungsrechtlich unbedenkliche (BVerfGE 81, 132, 136 f.; BGHSt 42, 113, 120; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 2 Rdn. 16) – Derogation des Meistbegünstigungsprinzips (§ 2 Abs. 3 StGB) dar, die die Gerichte in bereits rechtshängigen Verfahren von der gegebenenfalls schwierigen Bewertung entbinden soll, ob die alte oder neue Fassung des § 31 BtMG nach den Umständen des konkreten Einzelfalls das mildere Gesetz sei (BTDrucks. 16/6268 S. 17: etwa im Hinblick auf die Frage einer Milderung nach § 49 Abs. 1 oder 2 StGB oder eines Absehens von Strafe). [..] Sie bedeutet jedoch nicht, dass im Umkehrschluss die neuen Vorschriften – und damit auch die Präklusionsvorschrift des § 46 b Abs. 3 StGB – ohne weiteres auf Verfahren anzuwenden sind, in denen die Eröffnung des Hauptverfahrens nach dem 1. September 2009 beschlossen worden ist. Für die Frage des auf diese Verfahren anwendbaren Rechts gelten vielmehr die allgemeinen Regeln, nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit geltende materielle Recht Anwendung findet (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB), sofern das neuere Recht in seiner Gesamtheit keine für den Angeklagten günstigere Regelung darstellt (§ 2 Abs. 3 StGB).“

    Die Anwendung des § 31 Satz 2 BtMG nF führt zur Versagung der nach alter Rechtslage denkbaren Milderungsmöglichkeiten im Sinne des § 31 BtMG und somit zu einer nachteiligen Änderung des zur Tatzeit geltenden materiellen Rechts zu Lasten des Angeklagten. Sowohl die fehlende Gesetzesbegründung als auch das Rückwirkungsverbot sprechen gegen diese Anwendung der Neuregelung.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Einer Auslegung des Art. 316 d EGStGB dahin, dass in den ab dem 1. September 2009 eröffneten Verfahren stets § 31 BtMG nF anzuwenden ist, kann auch deshalb nicht gefolgt werden, weil dies eine Änderung der mit Verfassungsrang (Fischer, StGB 57. Aufl. § 2 Rdn. 2; Eser aaO Rdn. 1) versehenen Vorschrift des § 2 Abs. 1 StGB und damit einen Verstoß gegen das im Strafrecht absolut geltende Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) darstellen würde. Zu den vom Rückwirkungsverbot erfassten Normen gehören auch jene Regeln, die über die Art und Weise der Rechtsfolgen der Erfüllung eines Straftatbestandes entscheiden und damit auch die Vorschriften über die Strafzumessung (vgl. BVerfGE 105, 135, 156 f.; Schulze-Fielitz in H. Dreier, Grundgesetz-Kommentar 2. Aufl. Art. 103 Abs. 2 Rdn. 24). Dass § 31 BtMG tatbestandlich an das Nachtatverhalten und einen etwaigen Aufklärungserfolg anknüpft, mithin an Sachverhalte, die (teilweise) in die Zeit nach Inkrafttreten des 43. StrÄndG fallen, ändert daran nichts. Mit der gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit ist der gesamte sachliche Rechtszustand gemeint, von dem die Zulässigkeit und die Modalitäten der Ahndung einer Straftat abhängen (Fischer aaO § 1 Rdn. 15; Eser aaO § 2 Rdn. 20; Rudolphi in SK-StGB § 2 Rdn. 8; Schmitz in MünchKomm-StGB § 2 Rdn. 10; Schulze-Fielitz aaO Rdn. 23 ff., 50).“

    Vor dem Hintergrund dieser fehlerhaften Anwendung der Neuregelung des § 31 BtMG ist der Strafausspruch aufzuheben und die Strafzumessung durch den neuen Tatrichter neu vorzunehmen. Die bisherigen, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können davon unberührt bestehen bleiben. Es sind jedoch ergänzende Feststellungen möglich, sofern diese nicht im Widerspruch zu den bisher getroffenen stehen.

  • Der Angeklagte ist vom Landgericht Dresden wegen Urkundenfälschung in insgesamt acht Fällen und versuchter Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Mit der hiergegen gerichteten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erzielt der Angeklagte einen Erfolg.

    Der Angeklagte hatte durch Offenbarung seines Wissens über den an ihm selbst verübten erpresserischen Menschenraub nach § 239a StGB in Tateinheit mit der räuberischen Erpressung nach § 255 StGB wesentlich bei der Aufklärung dieser Straftat mitgewirkt. Die Strafkammer des Landgerichts Dresden hatte jedoch die Regelung des § 46 StGB nicht angewendet, da es sich beim Angeklagten ihrerseits nach nicht um einen Tatbeteiligten, sondern um das Tatopfer handele. Außerdem seien die Aussagen des Angeklagten als Zeuge nicht freiwillig erfolgt.

    Diese Erwägungen halten nach Ansicht des Strafsenats des BGH der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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