Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 005/2012 vom 13.01.2012
In der vorliegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof das Rabattmodell einer Apothekerin für den Arzneimittelbezug im Ausland für teilweise unbedenklich erachtet und einen Verstoß der Beklagten gegen das arzneimittelrechtliche Verbringungsverbot des § 73 Arzneimittelgesetz abgelehnt.
Pressemitteilung:
Bundesgerichtshof entscheidet über Rabattmodell für den Arzneimittelbezug aus dem Ausland
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat hat ein von einer Freilassinger Apothekerin betriebenes Rabattmodell für Arzneimittel teilweise für unbedenklich angesehen und die Abweisung der gegen diese Apothekerin gerichteten Klage in diesem Punkt bestätigt.
Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Freilassing. Sie bietet ihren Kunden an, Medikamente bei einer Apotheke in Budapest zu bestellen und zusammen mit einer Rechnung dieser Apotheke bei ihr in Freilassing abzuholen. Den Kunden verspricht sie dabei einen Rabatt in Höhe von 22% bei nichtverschreibungspflichtigen und von 10% bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Im Falle einer Bestellung lässt die Beklagte die Medikamente zunächst durch einen Großhändler aus Deutschland an die Apotheke in Budapest liefern, von wo aus sie wieder zurückgeliefert werden. Auf Wunsch werden die Kunden, die Medikamente auf diesem Wege beziehen, in der Apotheke der Beklagten pharmazeutisch beraten. Die Klägerinnen, die ebenfalls in Freilassing Apotheken betreiben, sehen in dem Verhalten der Beklagten – soweit verschreibungspflichtige Arzneimittel abgegeben werden – einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften. Soweit die Beklagte sonstige Arzneimittel auf diese Weise abgibt, beanstanden die Klägerinnen in erster Linie den Verstoß gegen andere arzneimittelrechtliche Bestimmungen. Mit ihrer beim Landgericht Traunstein erhobenen Klage haben sie die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen.
Das Landgericht Traunstein hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht München hat dieses Urteil nur insoweit bestätigt, als die Beklagte Rabatte auf preisgebundene verschreibungspflichtige Arzneimittel angeboten hat. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung nunmehr bestätigt. Insbesondere hat er in Übereinstimmung mit dem OLG einen Verstoß der Beklagten gegen das arzneimittelrechtliche Verbringungsverbot des § 73 Arzneimittelgesetz* verneint. Danach dürfen zulassungspflichtige Arzneimittel nur unter bestimmten Voraussetzungen nach Deutschland eingeführt werden. Insbesondere ist der Versand von Arzneimitteln auch aus dem EU-Ausland an deutsche Endverbraucher nur unter engen Voraussetzungen gestattet, die die hier eingeschaltete Budapester Apotheke nicht erfüllt. Der Bundesgerichtshof hat jedoch einen Versand unmittelbar an Endverbraucher im Streitfall verneint. Auch wenn das von der Beklagten praktizierte Modell so ausgestaltet ist, dass sie den Verkauf der bestellten Arzneimittel durch die Budapester Apotheke lediglich vermittelt und der Kaufvertrag deswegen zwischen dem deutschen Kunden und der Budapester Apotheke zustande kommt, ist die Beklagte arzneimittelrechtlich als Empfängerin anzusehen, die ihrerseits die Medikamente sodann an die Kunden abgibt. Für die arzneimittelrechtliche Beurteilung ist dabei maßgebend, dass in die Abgabe an den Endverbraucher eine inländische Apotheke eingeschaltet ist, die verpflichtet ist, die Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit der auf diese Weise abzugebenden Arzneimittel zu prüfen und die Verbraucher bei Bedarf zu beraten. Deswegen ist arzneimittelrechtlich die inländische Apotheke der Beklagten Empfängerin der von der Budapester Apotheke versandten Arzneimittel. Daher hat der Bundesgerichtshof einen Verstoß gegen das Verbringungsverbot des § 73 AMG verneint.
Im Übrigen ist der Beklagten die Gewährung eines Rabatts im Falle verschreibungspflichtiger Arzneimittel von den Vorinstanzen gerade deswegen verboten worden, weil sie die Arzneimittel als inländische Apothekerin abgibt. Denn die insoweit anwendbaren arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften, die einen solchen Rabatt untersagen, gelten nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts nur im Falle der Abgabe durch inländische Apotheken.
Urteil vom 12. Januar 2012 – I ZR 211/10 – Europa-Apotheke Budapest
LG Traunstein – Urteil vom 11. März 2009 – 2 HKO 2534/08
OLG München – Urteil vom 28. Oktober 2010 – 6 U 2657/09
A&R 2010, 279
Karlsruhe, den 13. Januar 2012
*§ 73 Abs 1 Satz 1 und 1a AMG Verbringungsverbot
(1) Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung oder Genehmigung nach § 21a oder zur Registrierung unterliegen, dürfen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes nur verbracht werden, wenn sie zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen, nach § 21a genehmigt, registriert oder von der Zulassung oder der Registrierung freigestellt sind und
1.
der Empfänger in dem Fall des Verbringens aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum pharmazeutischer Unternehmer, Großhändler oder Tierarzt ist, eine Apotheke betreibt oder als Träger eines Krankenhauses nach dem Apothekengesetz von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit Arzneimitteln versorgt wird,
1a.
im Falle des Versandes an den Endverbraucher das Arzneimittel von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, welche für den Versandhandel nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt
ist, entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel versandt wird oder
…
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Das Amtsgericht Cloppenburg hatte einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr gemäß § 112 II Nr. 2 StPO erlassen. Dem Mann wurde vorgeworfen, sich in zwei Fällen der Geldfälschung und in vier Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht zu haben. Dabei soll er Mitglied einer Bande gewesen sein, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. Der im Ausland wohnende Angeklagte legte Haftbeschwerde ein. Das Landgericht Oldenburg hat daraufhin den Haftbefehl durch Beschluss aufgehoben, da keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr bestünden.
Die Staatsanwaltschaft erhob am 08.04.2010 Anklage gegen einen Angeklagten mit Wohnhaft in Frankreich. Am 05.05.2010 ließ das AG die Anklage zu, eröffnete das Hauptverfahren und verfügte die Terminsladung für den 25.05.2010.
Die Ladung des Angeklagten wurde per Einschreiben mit Rückschein versandt. Dieser kam als unzustellbar zurück.
Durch die Geschäftsstelle wurde diese Ladung – angesichts des zwischenzeitlich eingegangen Rückbriefes und entgegen einer Verfügung des zuständigen Richters – nicht an den Angeklagten, sondern gegen Empfangsbekenntnis an dessen Verteidiger zugestellt. Der Verteidiger war nach seiner Strafprozessvollmacht zur Empfangnahme von Ladungen ausdrücklich ermächtigt.
Die steuerliche Absetzung von Unterhaltszahlungen an Verwandte im Ausland ist nun erschwert. Der Bundesfinanzhof hat hierzu entschieden, dass in Zukunft die konkrete Bedürftigkeit der zu unterstützenden Person nachgewiesen werden muss, da dies ansonsten nicht als außergewöhnliche Belastung des Steuerpflichtigen gewertet werden kann. Regelmäßig sei dies bei einer gesetzlichen Unterhaltspflicht gegeben. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind die Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach dem Zivilrecht unterhaltsverpflichtet ist.
Nach der bisherigen Rechtsauffassung wurde eine solche außergewöhnliche Belastung unterstellt, wenn die Steuerpflichtigen Geld an Verwandte in anderen Ländern überwiesen.
In den zu entscheidenden Fällen ging es um Überweisungen an Verwandte in der Türkei und in Bosnien-Hercegovina.
Zukünftig müssen die Finanzämter jeden Fall konkret betrachten. Im ersten Fall hat der Bundesfinanzhof festgestellt, dass volljährige Kinder in der Regel selbst in der Lage sein müssten ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, da sie verpflichtet seien selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Mögliche Einkünfte aus einer unterlassenen Erwerbstätigkeit könnten deshalb der Bedürftigkeit entgegen stehen, falls eine Erwerbstätigkeit zumutbar sei.
Anders entschieden die Richter in dem zweiten Fall. Hier sei der im Ausland lebende Ehepartner nicht dazu verpflichtet einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch eine Bedürftigkeit sei nicht Voraussetzung, sofern die Eheleute einen gemeinsamen Haushalt führten.
( Bundesfinanzhof VI R 29/09 und VI R 5/09 )
Dem Beschuldigten wurde am 17.12.2009 der Haftbefehl des AG Frankfurt (Oder) verkündet, er befindet sich derzeit in der JVA Cottbus-Dissenchen. Davor war er in der JVA Kempen und anschließend in der JVA Frankfurt (Oder) ansässig. Nach Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers wurde der Beschuldigte durch den Rechtsanwalt D. als Pflichtverteidiger vertreten. Hiergegen erhob er später eine Beschwerde, mit der er die Beiordnung des Pflichtverteidigers rügt.
Die entscheidende Frage war, ob dem Beschuldigten die Gelegenheit gegeben worden ist bzw. er sich dessen bewusst war, in einem bestimmten Zeitraum einen Anwalt für seine Verteidigung zu benennen. Eine solche Möglichkeit entspricht dem Grundsatz des fairen Verfahrens und ist gesetzlich ausdrücklich normiert.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner