Aussage

  • 2. Strafsenat des BGH, Az.: 2 StR 497/10

    Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen unerlaubtenHandeltreiben mit Btm in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Im Übrigen ist er freigesprochen worden. Mit der hiergegen gerichteten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat der Angeklagte mit der Sachrüge Erfolg.

    In den Fällen II 1 – 7 stützte sich das Landgericht wesentlich auf die Angaben des Zeugen W. Dieser hat sich sowohl bei seiner Zeugenaussage bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung als auch später im Prozess mehrfach widersprochen. So nannte er den Angeklagten und den Zeugen Sa. abwechselnd als Lieferanten und war sich auch über den Tatzeitraum unklar. Dies wurde jedoch von der Strafkammer nicht sorgfältig hinterfragt. Vielmehr verurteilte sie den Angeklagten im Wesentlichen aufgrund dieser Zeugenaussagen des W.

    Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hob den Schuldspruch aufgrund  fehlerhafter, da unvollständiger Beweiswürdigung auf und führt hierzu aus:

    „Der Zeuge W. hat ersichtlich mehrfach, beginnend von der ersten Einlassung als Beschuldigter am 1. Juli 2008 bis hin zu seiner Vernehmung in der gegen den Angeklagten gerichteten Hauptverhandlung, seine Aussage geändert und abwechselnd den Zeugen Sa. oder den Angeklagten als eigentlichen Betäubungsmittellieferanten belastet. Diese unkonstanten Angaben, die offenbar auch den Tatzeitraum betreffen, hätten für das Landgericht Anlass für eine besonders sorgfältige Würdigung der Aussage des Zeugen W. sein müssen. Dabei hätte die Kammer die Entstehung der einzelnen Angaben des Zeugen sowie ihre jeweiligen Inhalte im Einzelnen darlegen und vor allem – unter besonderer Berücksichtigung der von dem Zeugen für den jeweiligen Aussagewechsel gegebenen Erklärungen – erörtern müssen, aus welchem Grunde sie sich welcher Tatversion anschließt. Diesen Anforderungen ist die Kammer nur zum Teil gerecht geworden. So hat sie zwar in (noch) genügender Weise erläutert, dass aus ihrer Sicht die Korrektur der ursprünglichen Angaben durch die polizeilichen Vernehmungen vom 27. Oktober und 21. November 2008 der Glaubhaftigkeit der dabei gemachten, jetzt der Entscheidung zugrunde gelegten Angaben nicht entgegenstehe (vgl. UA S. 9). Sie hat sich aber nicht hinreichend mit dem zweiten Aussagewechsel des Zeugen unmittelbar nach der ersten Korrektur in den polizeilichen Vernehmungen in seiner eigenen Hauptverhandlung am 4. Dezember 2008 auseinander gesetzt. Es wird schon nicht klar, ob sich der Zeuge hierzu in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten geäußert hat; ebenso wenig erhellt sich, warum dieser nochmalige Aussagewechsel aus Sicht der Kammer für die Glaubwürdigkeit des Zeugen keine Rolle spielt.“

    Die Strafkammer des Landgerichts hinterfragte nicht, was dieser Aussagenwechsel für die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage des W. bedeutet. Dies war insofern geboten, als dass der Zeuge W. den ersten Aussagewechsel damit erklärte, er „habe sich von dem Angeklagten zunächst bedroht gefühlt und sei schließlich erst infolge der veränderten Sicherheitssituation in der Untersuchungshaft zu wahren Angaben hinsichtlich des Lieferanten bereit gewesen“.  Die bloße Erörterung von etwaigen Falschbelastungsmotiven war nicht ausreichend.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Mit dem Umstand, dass der Zeuge in der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung gleichwohl zu seiner ursprünglichen Aussageversion zurückgekehrt ist, hätte sich das Landgericht deshalb – insbesondere vor dem Hintergrund der Feststellung, dass er ausdrücklich erklärt haben soll, keine vorsätzlich falschen Angaben in den polizeilichen Vernehmungen vom 27. Oktober und 21. November 2008 gemacht zu haben – eingehend auseinandersetzen müssen. Dies war im Übrigen nicht deshalb entbehrlich, weil das Landgericht mögliche Falschbelastungsmotive des Zeugen (UA S. 10: Absprache mit dem Zeugen Sa. ; § 31 BtMG) erörtert und deren Vorliegen verneint hat, weil auch das Fehlen solcher Motive den zweimaligen Aussagewechsel nicht erklären kann.“

    Auf Grund der durchgreifenden Mängel in der Beweiswürdigung hob der Strafsenat die Verurteilung des Angeklagten in den Einzelfällen auf, was zur Aufhebung der Gesamtstrafe führte, und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurück.


  • 4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 660/09

    Zeugenaussagen im Sexualstrafrecht: Der Angeklagte ist „wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt“ worden. Gegen das Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Hier kann er einen Teilerfolg erzielen.

    Bei der Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter A. stützte sich die Jugendschutzkammer insbesondere auf die als glaubhaft erachtete Aussage von dieser. Weiter habe das Landgericht festgestellt, dass die Tochter A. bereits 1997 ihrer Halbschwester J.R. erzählt habe, ihr Vater habe an ihr „herumgemacht“ und auch versucht, in ihr einzudringen. Hierbei habe sie geweint und gerufen, der Angeklagte möge damit aufhören. Des Weiteren stellte das Landgericht diesbezüglich fest, dass die Halbschwester J.R in einer Nacht bei dem Nachhause kommen A. hörte, wie sie „Hör auf, es tut weh, lass das!“ und in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung „Vati“ rief.

    Allerdings verweigerte J.R. in der Hauptverhandlung ihre Aussage. Folglich konnte das Landgericht diese nicht verwerten. Daher wurde der Richter der Jugendschutzkammer als Zeuge in der Hauptverhandlung geladen, der die damalige Zeugenaussage der J.R. zusammengefasst hatte. Da er sich daran nicht mehr erinnern konnte, wurden ihm seine damaligen Aufzeichnungen vorgelegt.

    Hierin sieht der 4. Strafsenat des BGH einen Verstoß gegen § 252 i.V.m. § 261 StPO. Danach ist die Zeugenvernehmung eines Richters über eine vorangegangene Zeugenaussage eines Zeugen zwar möglich, jedoch nicht die Verwertung des Inhalts der Vernehmungsniederschrift selbst.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Zwar ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, einen Richter als Zeugen über die von der das Zeugnis in der Hauptverhandlung verweigernden Person gemachten Aussagen zu vernehmen, sofern er an einer richterlichen Vernehmung dieser Beweisperson beteiligt war (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 252 Rdn. 14 m. Nachw.). Auch dürfen dem Richter, der die Vernehmung durchgeführt hat, die Vernehmungsprotokolle – notfalls durch Vorlesen – als Vernehmungsbehelf vorgehalten werden (vgl. BGH NJW 2000, 1580). Grundlage der Feststellung des Sachverhalts kann jedoch nur das in der Hauptverhandlung erstattete Zeugnis des Richters über den Inhalt der früheren Aussage des jetzt die Aussage verweigernden Zeugen sein, nicht aber der Inhalt der Vernehmungsniederschrift selbst. Deshalb genügt nicht, wenn der Richter lediglich erklärt, er habe die Aussage richtig aufgenommen; verwertbar ist nur das, was – ggf. auf den Vorhalt hin – in die Erinnerung des Richters zurückkehrt (BGH, Beschl. vom 4. April 2001 – 5 StR 604/00, StV 2001, 386; Meyer-Goßner aaO Rdn. 15).“

    Da sich im vorliegenden Fall der Richter nicht mehr hinreichend an die Inhalte der Aussage der J.R. erinnern konnte, ist es nach Auffassung des Strafsenats nahe liegend, dass das Landgericht nicht auf den Aussagen des Richters, sondern auf das Protokoll der richterlichen Vernehmung der J.R. vor der Jugendschutzkammer zurückgegriffen hat. Dies ist jedoch angesichts der oben stehenden Ausführungen unzulässig.

    Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Aussage der A ausdrücklich anhand der früheren Zeugenaussage der J.R. begründet und nicht auf andere Weise über die Wahrnehmung der J.R. über dieses mutmaßliche nächtliche Ereignis, was sie gehört haben soll, Beweis erhoben. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einem anderen Ergebnis in der Beweiswürdigung gekommen wäre, wenn die frühere Zeugenaussage der J.R. nicht verwertet worden wäre. Somit ist der Schuldausspruch aufzuheben und über die Sache neu zu entscheiden.

    Abschließend macht der Senat noch darauf aufmerksam, dass „die im Bundeszentralregister getilgte frühere Verurteilung des Angeklagten gemäß § 51 Abs. 1 BZRG auch nicht bei der Beweiswürdigung zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden darf.“

  • Das Kammergericht Berlin hat eine Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten über einen Bußgeldbescheid aufgehoben. Das Amtsgericht hatte einen Autofahrer wegen zu schnellen Fahrens zu einer Geldbuße von 200 € verurteilt. Dies entspricht dem Doppelten eines üblichen Bußgeldes. Das Amtsgericht erklärte dazu, dass die Aufklärung des Sachverhalts nicht durch die Aussageverweigerung des Fahrers gescheitert sei. Insofern vermutete das Kammergericht, das der Grund für das erhöhte Bußgeld in der Aussageverweigerung des Fahrers zu sehen sei. Das Aussageverweigerungsrecht sei jedoch ein elementares Recht. Die Beschuldigten dürften nicht befürchten, dass die Ausnutzung dieses ihnen zustehenden Rechtes sich zu ihren Lasten auswirkt.
    (Quelle: FAZ vom 01.09.2010 Nr. 202, S. 21)

  • Der Angeklagte ist vom Landgericht Dresden wegen Urkundenfälschung in insgesamt acht Fällen und versuchter Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Mit der hiergegen gerichteten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erzielt der Angeklagte einen Erfolg.

    Der Angeklagte hatte durch Offenbarung seines Wissens über den an ihm selbst verübten erpresserischen Menschenraub nach § 239a StGB in Tateinheit mit der räuberischen Erpressung nach § 255 StGB wesentlich bei der Aufklärung dieser Straftat mitgewirkt. Die Strafkammer des Landgerichts Dresden hatte jedoch die Regelung des § 46 StGB nicht angewendet, da es sich beim Angeklagten ihrerseits nach nicht um einen Tatbeteiligten, sondern um das Tatopfer handele. Außerdem seien die Aussagen des Angeklagten als Zeuge nicht freiwillig erfolgt.

    Diese Erwägungen halten nach Ansicht des Strafsenats des BGH der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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