1. Strafsenat des OLG Oldenburg, Az.: 1 Ss 51/10
Der Angeklagte wurde vom AG Leer wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Berufung ein. Das LG Aurich setzte daraufhin die Freiheitsstrafe auf sechs Monate ohne Bewährung fest. Hiergegen wendete sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.
Der 1. Strafsenat ist der Auffassung, dass die Strafzumessung des LG Aurich durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Es stehe zu befürchten, dass das LG Aurich die Freiheitsentziehung durch eine Haftstrafe bagatellisiere.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Das LG hat bei der Prüfung einer Strafaussetzung u. a. ausgeführt, die freiheitsentziehende Strafverbüßung werde den Angeklagten in seinen – vagen – Lebensplanungen auch „nicht groß beeinträchtigen“, weil er keine eigenen Einrichtungsgegenstände habe, sondern in einer Wohngemeinschaft lebe und seine Arbeitssituation zur Zeit schlecht sei.
Die wohnlichen und beruflichen Verluste des Angeklagten hielten sich nach Ansicht des LG in Grenzen. Familiär sei er nicht so gebunden, dass dort Probleme für die künftige Lebenssituation entstehen würden.
Diese Urteilsformulierung, verkennt allerdings das in einer Freiheitsstrafe liegende Übel in grundlegender und unvertretbarer Weise. Es ist nicht vertretbar, den völligen Verlust der persönlichen Freiheit und die massiven Lebenseinschränkungen, die mit einem Strafvollzug verbunden sind, in Hinblick auf Wohn, Eigentums und Lebensverhältnisse eines Angeklagten als „nicht große“ Beeinträchtigung zu bewerten und so zu bagatellisieren.“
Der Strafsenat hob daher das Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LG Aurich zurück.
Strafrecht / Aktuelle Nachrichten / Kündigung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat für „Emmely“ entschieden (Az.: 2 AZR 541/08). Die Erfurter Richter mussten über den Fall der Kassiererin Barbara Emme, bekannt unter dem Namen „Emmely“, entscheiden, welche Pfandbons im Wert von 1,30€ unterschlagen hatte und daraufhin gekündigt wurde.
Das BAG hat in diesem konkreten Fall entschieden, dass der Arbeitgeber zunächst eine Warnung, sog. Abmahnung, hätte aussprechen müssen, bevor er zum Mittel der Kündigung hätte greifen dürfen. Und das obwohl „Emmely“ die Tat mehrfach bestritten und sogar andere Kollegen bezichtigt hatte. Das Gericht stand zwar zu, dass die Pflichtverletzung „erhebliche Irritationen beim Arbeitgeber hervorgerufen habe“, aber die lange Betriebszugehörigkeit von 31 Jahren bedinge, dass ein „großer Vorrat an Vertrauen“ bestehe. Um diesen aufzubrauchen bedürfe es mehr, als diese Tat.
Durch diese Entscheidung wird es den Arbeitgebern deutlich erschwert bei Bagatellstraftaten ihre Mitarbeiter fristlos zu entlassen. Der Vorsitzende Richter des BAG betonte jedoch, dass der Diebstahl im Bagatellbereich nach wie vor noch Grund für eine Entlassung sei, dies sei allerdings nach dem Einzelfall zu unterscheiden.
(FAZ vom 11.06.2010 Nr. 132, S. 13)
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner