Bei vielen Straßenverkehrsstraftaten spielt die Promille-Grenze eine wichtige Rolle. Vor allem die Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit ist häufig eine wichtige Frage in einem Prozess bezüglich Straßenverkehrsdelikte.
Für Verkehrsteilnehmer gelten ganz unterschiedliche Promille-Grenzwerte. Während ein Autofahrer spätestens mit 1,1 Promille Blutalkoholkonzentration als absolut fahruntüchtig gilt, dürfen Radfahrer noch bei bis 1,6 Promille in die Pedalen treten. Dies möchten die Innenminister nun für Radfahrer aber ändern.
Eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur wirksam, wenn die Schuldfeststellungen eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben.
Das Oberlandesgericht Bamberg (OLG Bamberg) hatte eine fahrlässige Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis im Revisionsverfahren zu verhandeln. Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die daraufhin eingelegte Berufung, die der Angeklagte auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, hatte beim Landgericht keinen Erfolg.
Es ist nicht selbstverständlich, dass eine in ihrer Steuerungsfähigkeit verminderte Person die Gefährlichkeit ihres Handelns erkennt.
Das Landgericht Lüneburg verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Die Strafverteidigung wehrt sich dagegen mit der Revision.
Der Angeklagten wurde vorgeworfen, dass sie zur Mittagszeit ihren Ehemann, der örztliche Blutgerinnungshemmer erhielt, mit Tötungsvorsatz mehrere Rissverletzungen am Kopf zufügte. Der Mann erlitt daraufhin einen Kreislaufzusammenbruch und starb innerhalb einer halben Stunde. Die Angeklagte, die neben einer Alkoholabhängigkeit auch unter einer komplexen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und zwanghaften Anteilen leidet, hatte am Tatabend eine Blutalkoholkonzentration von 2,3 Promille.
Den Tötungsvorsatz hat das Landgericht aufgrund der Gefährlichkeit der Tatausführung, der Kenntnis der Angeklagten von der Medikamentierung und des Unterlassens von Rettungsbemühungen geschlossen. Auch erkannte das Landgericht keine Anhaltspunkte, dass die Angeklagte die Lebensgefährlichkeit ihres Handelns nicht erkennen konnte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bezüglich dieses Rückschlusses Bedenken. Das Landgericht bestätigte der Angeklagten eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit zur Tat. Daher müssen, wenn von der Gefährlichkeit der Tatausführung auf den Tötungsvorsatz geschlossen werden will, alle subjektiven und objektiven Umstände umfangreich abgewogen werden.
Es versteht sich nicht von selbst, dass ein Täter, der – wenn auch lediglich nicht ausschließbar – aufgrund einer Persönlichkeitsstörung und Alkoholintoxikation in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert ist, noch erkennt, dass seine Gewalthandlung zum Tod des Opfers führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011, aaO).
In diesem Fall wurden dem Opfer lediglich grundsätzlich nicht lebensbedrohliche Risswunden zugefügt. Somit ist die Lebensbedrohlichkeit nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Daher hätte sich das Landgericht in diesem Fall näher mit dem Willenselement befassen müssen. Aus diesem Grund wird der Schuldspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
BGH, Beschluss vom 28. Februar2012, Az.: 3 StR 17/12
Die Angeklagte war bereits mehrfach wegen Straßenverkehrsdelikten, meist im Zusammenhang mit Trunkenheitsfahrten, verurteilt worden. Das Landgericht Detmold hat die Angeklagte wegen einer erneuten Trunkenheitsfahrt zu sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Sie war ohne gültige Fahrerlaubnis mit 2,39 Promille Blutalkoholkonzentration von zwei Polizeibeamten angehalten worden.
Mittels Revision rügte die Strafverteidigung die Verletzung sachlichen Rechts. Das Oberlandesgericht Hamm gibt der Revision insoweit statt, als dass es die Feststellung des Vorsatzes kritisiert. Denn die Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB verlangt einen Vorsatz hinsichtlich der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit.
Das Landgericht schloss aus den einschlägigen strafrechtlichen Vorbelastungen, der vorhergehenden Therapie wegen des übermäßigen Alkoholkonsums und der Tatsache, dass die Angeklagte vor der Fahrt mehrere Stunden lang Alkohol konsumierte darauf, dass die Angeklagte von ihrer Fahruntüchtigkeit wusste.
Das OLG Hamm weißt dagegen auf die Möglichkeit hin, dass die Frau aufgrund des hohen Alkoholwertes möglicherweise ihre Fahrtüchtigkeit falsch einschätzte:
„Hierfür spricht zunächst der hohe Grad der Alkoholisierung der Angeklagten. Für die Prüfung der Erkenntnis- und Kritikfähigkeit der Angeklagten zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes ist bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration (BAK) zu ihren Gunsten von einem maximalen BAK-Wert auszugehen. Damit sind im Falle der Entnahme und Untersuchung einer Blutprobe die gleichen Rückrechnungsgrundsätze wie bei der Prüfung der Schuldfähigkeit anzuwenden. Es sind demnach ein stündlicher Abbauwert von 0,2‰ sowie ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2‰ zu berücksichtigen (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl. [2012], § 20 Rdnr. 13). Da die Blutprobe im vorliegenden Falle etwa eineinhalb Stunden nach dem Fahrtbeginn entnommen wurde, ist von einer Tatzeit-BAK von 2,89‰ auszugehen. Dieser Wert liegt schon nahe an dem Wert von 3‰, der nach gefestigter Rechtsprechung in der Regel sogar Anlass für die Prüfung einer Aufhebung der Steuerungsfähigkeit ist (vgl. die Nachweise bei Fischer, a.a.O., Rdnr. 20).
Weitere Indizien für eine Herabsetzung der Erkenntnis- und Kritikfähigkeit der Angeklagten zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes sind darüber hinaus ihr Verhalten während der Polizeikontrolle, namentlich der wenig durchdacht und wenig erfolgversprechend erscheinende Versuch, der Polizei einen nicht existierenden „Bekannten“ als Fahrer zu präsentieren, sowie ihr sowohl verbal als auch physisch aggressives Verhalten gegenüber den Polizeibeamten, und schließlich auch die Feststellung des sie auf der Polizeiwache untersuchenden Arztes, ihr Denkablauf sei verworren.“
Somit spricht eine hohe Blutalkoholkonzentration noch nicht alleine für die Vorsätzlichkeit der Trunkenheitsfahrt. Diese Umstände hat das Landgericht nicht hinreichend beachtet. Aus diesem Grund hob das OLG Hamm das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Detmold zurück. Die Revision der Strafverteidigung hatte somit Erfolg.
OLG Hamm, Beschluss vom 16.02.2012, Az.: III-3 RVs 8/12
Das Landgericht Saarbrücken hat den Angeklagten unter anderem wegen (unter Alkoholeinfluss) fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet sowie Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB verhängt.
Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren Revisionen.
BGH, Beschluss vom 20.07.2011, Az.: 5 StR 246/11
Das Landgericht Dresden hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, dessen Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet sowie den Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe vor der Maßregel bestimmt. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagten mit der Revision.
3. Strafsenat des OLG Hamm, Az.: III-3 RVs 49/10
Das AG Bad Oeynhausen hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,- Euro verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Dagegen hat der Angeklagte Revision eingelegt.
Der 3. Strafsenat des OLG Hamm gab der Revision statt, da die Blutprobe nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei und somit eine Verletzung des § 261 StPO vorliege. Zudem sei eine Protokollberichtigung erfolgt, obwohl weder der Angeklagte noch sein Verteidiger gehört wurden oder dienstlichen Äußerungen der Protokollbeamten eingeholt wurden. Eine Berichtigung sei jedoch erfolgt, da sich die Richterin an die Verlesung habe erinnern können.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Aufgrund der Beweiskraft des Protokolls steht fest, dass der Beschluss über die Verlesung des Blutalkoholgutachtens nicht ausgeführt wurde. Das Protokoll ist hierzu weder lückenhaft noch widersprüchlich, sondern insoweit eindeutig. Der Umstand, dass die Verlesung tatsächlich erfolgt ist, mithin der die Verlesung anordnende Beschluss tatsächlich ausgeführt wurde, gehört auch zu den wesentlichen Förmlichkeiten, deren Beachtung von der negativen Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls erfasst wird.
Nach § 274 S. 1 StPO kann die Beachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Das Gesetz lässt als Gegenbeweis nur den Nachweis der Fälschung zu. Zwar kann nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs auch durch eine nachträgliche Berichtigung des Protokolls einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge zum Nachteil des Revisionsführers die Tatsachengrundlage entzogen werden (BGHSt 51, 298 – 317; BVerfG, Beschluss vom 15.01.2009 – 2 BvR 2044/07). Eine solche nachträgliche Protokollberichtigung fand vorliegend jedoch nicht in der gebotenen Weise statt und kann auch nicht nachgeholt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 14.10.2010 – 2 StR 158/10; OLG Hamm, Beschluss vom 10.03.2009
Grundlage einer jeden Protokollberichtigung ist nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs die sichere Erinnerung der Urkundspersonen. Fehlt es hieran, kann das Protokoll nicht mehr berichtigt werden (BGHSt 51, 298, 314, 316).“
Der Strafsenat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des AG Bad Oeynhausen zurückverwiesen.
2. Strafsenat des OLG Naumburg, Az.: 2 Ss 85/10
Der Angeklagten wurde vom AG Halle vom Vorwurf der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. Daraufhin hob das LG Halle das Urteil auf und verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen á 8 €. Zudem wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen. Der Angeklagte rügte dies mit dem Rechtsmittel der Revision.
Der 2. Strafsenat ist der Ansicht, dass die bisherigen Feststellungen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nicht tragen würden, da nicht auszuschließen sei, dass der Angeklagte schuldunfähig gewesen sei.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung war der Angeklagte zur Tatzeit erheblich alkoholisiert. Die ihm um 09.10 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 2,83 ‰ auf. Es errechnet sich zur Tatzeit eine mögliche Blutalkoholkonzentration von 3,23 ‰. Bei Blutalkoholkonzentrationen von 3 g ‰ und mehr sind die Voraussetzungen des § 20 StGB stets zu prüfen und in der Regel auch gegeben (BGH StV 1991, 297).
Ob die Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen ist, muss der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilen. Dabei muss er neben der errechneten Blutalkoholkonzentration alle wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände berücksichtigen. Dies Umstände beziehen sich auf das Erscheinungsbild und das Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat (BGH NStZ 1995, 539).
Das heißt für die Schuldfähigkeit konkret:
„Wird eine Schuldfähigkeit bei hohen BAK-Werten bejaht, bedarf dies näherer Begründung und setzt meist die Anhörung eines Sachverständigen voraus. Der Verzicht auf einen Sachverständigen ist nur dann möglich, wenn es an den tatsächlichen Grundlagen für das zu erstattende Gutachten fehlt oder das Gericht ausnahmsweise, etwa in einfacheren Fällen der Feststellung und Bewertung der Blutalkoholkonzentration oder sonst bei Vorliegen von besonderem richterlichen Erfahrungswissen auf bestimmten Teilbereichen über die erforderliche besondere Sachkunde verfügt, was dann in der Regel näher darzulegen ist (OLG Koblenz VRS 104, 300; OLG Rostock Beschluss vom 22.03.2001 1 Ss 244/00).“
Auf die Revision des Angeklagten wurde das Urteil des LG Halle mit den Feststellungen, soweit diese nicht das äußere Tatgeschehen betreffen, aufgehoben.
Az. 1 Ss 310/09 (OLG Frankfurt)
Im folgenden Fall hatte sich das OLG Frankfurt a.M. erneut mit der Verwertbarkeit einer entnommenen Blutprobe unter Missachtung des Richtervorbehalts zu befassen. Jedoch gelangte der Senat hier im besonderen Fall zu einem abweichenden Ergebnis. Dennoch hatte die Revision mit der allgemeinen Sachrüge des Angeklagten teilweise Erfolg.
Der Angeklagte war wegen eines fahrlässig begangenen Vergehens der Trunkenheit im Straßenverkehr vom Amtsgericht Hünfeld zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt. Darüber hinaus wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und der Führerschein eingezogen.
Der Angeklagte rügte zum einen in seiner Revision, dass ein Beweisverwertungsverbot vorliege, da der zuständige Polizist zur Tatzeit gegen 21:20 Uhr die Blutentnahme zur Überprüfung der Blutalkoholkonzentration ohne richterliche Anordnung vorgenommen hat. Dabei stehe die Blutentnahme grundsätzlich unter dem Richtervorbehalt gemäß §81a Abs. 2 StPO und könne nur durch Anordnung des zuständigen Richters vorgenommen werden.
Hierzu führt die Staatsanwaltschaft aus:
„Die Anordnung der Blutentnahme darf gemäß § 81 a Abs. 2 StPO nur durch den zuständigen Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehende Verzögerung auch durch die Staatsanwaltschaft und – nachrangig – ihrer Ermittlungspersonen erfolgen. Der Richtervorbehalt hat seinen Grund darin, dass es sich bei der Entnahme einer Blutprobe um einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz geschützte Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit handelt, auch wenn der Eingriff nach § 81 a Abs. 1 Satz 2 StPO nur durch einen Arzt im Rahmen der Regeln ärztlicher Kunst erfolgen darf. Der Richtervorbehalt – auch der einfachgesetzliche – zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher grds. versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolges muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. Das Bestehen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerfG NJW 2007, 1345, 1346 m.w.N.; OLG Hamburg, Beschluss vom 04.02.2008, NJW 2008, 2597, 2598).“
Der konkrete Tatverdacht der Trunkenheit bestand für den handelnden Polizeibeamten. Allerdings lag keine Gefahr im Verzug im Sinne des § 81a Abs. 2 StPO vor. Aufgrund der Werte des Alkoholtestes (2,0 Promille) hätte das Warten auf eine richterliche Anordnung zu keinem Beweisverlust geführt. Auch die Tatsache, dass es zum Zeitpunkt der Blutentnahme nach 21:20 Uhr war und somit ein eingerichteter richterlicher Eil- oder Notdienst fernmündlich zu erreichen gewesen wäre, ändert daran nichts.
Doch trotz Vorlage des Verstoßes gegen den Richtervorbehalt blieb die Frage offen, ob solche zu einem Beweisverwertungsverbot führe. Denn nicht jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften führt zu einem strafprozessualen Verwertungsverbot. Vielmehr sind der Einzellfall und die betroffenen Interessen im Wege einer Interessenabwägung zu berücksichtigen:
“Der Gesetzgeber hat die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei Missachtung des Richtervorbehaltes ein Verwertungsverbot hinsichtlich der rechtswidrig erlangten Beweismittel anzunehmen ist, nicht entschieden (vgl. BGH StV a.a.O.). Die Frage ist nach inzwischen gefestigter, verfassungsgerichtlich gebilligter (vgl. zuletzt BVerfG NJW 2008, 3053) obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (vgl. BGHSt a.a.O.; BGH StV a.a.O.). Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme eines Verwertungsverbots, auch wenn die StPO nicht auf Wahrheitsfindung “ um jeden Preis“ gerichtet ist, eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts einschränkt, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt a.a.O.; BGH StV a.a.O.). Maßgeblich mit beeinflusst wird das Ergebnis der demnach vorzunehmenden Abwägung vom Gewicht des infrage stehenden Verfahrensverstoßes, welches wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (vgl. BGHSt a.a.O.; BGH StV a.a.O.; BGH NJW 2007, 2269; OLG Stuttgart -1 Ss 532/07-; Meyer-Goßner, a.a.O., § 81 a Rn. 32).“
Entscheidend ist also die Schwere des Verstoßes unter Berücksichtigung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens. Ein Beweisverwertungsverbot ist insbesondere dann anzunehmen, „wenn die Durchführung der Maßnahme auf einer bewusst fehlerhaften bzw. objektiv willkürlichen Annahme der Eingriffsbefugnis durch den Polizeibeamten beruht“. Liegt hingegen nur ein Irrtum über die Zuständigkeit vor, ist ein Beweisverwertungsverbot regelmäßig nicht einschlägig.
Im konkreten Sachverhalt ist die Eilmaßnahme in Gestalt der Blutentnahme der Polizei nicht grundsätzlich verboten, sondern in Eilfällen gestattet. Eine solche hätte der Polizeibeamte angenommen, zumal auch ein Nachtrunk im Raume stand. Des Weiteren lagen auch die materiellen Voraussetzungen der Blutentnahme vor, da der Angeklagte unter starken Alkoholeinfluss stand und eine Gefährdung des Strafenverkehrs durch Trunkenheit in Betracht kam.
Ferner ergibt auch die Interessenabwägung keinen schwerwiegenden Verstoß, wie die Staatsanwaltschaft ausführt:
„Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass sich als betroffene Rechtsgüter das hochrangige Interesse an der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs nach § 316 StGB und das – unter einfachem Gesetzesvorbehalt stehende – Grundrecht des Angeklagten auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gegenüber standen. Während der Straftatbestand der Trunkenheit im Verkehr dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit (wegen des dahinter stehenden Schutzes insbesondere von Leben und Gesundheit anderer Verkehrteilnehmer) dem Schutz hoher Rechtsgüter dient, stellt der Eingriff, dem sich der Angeklagte unterziehen musste, lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dar (vgl. Thüringer OLG, a.a.O.).“
Auch ist nicht ersichtlich, dass der Polizeibeamte willkürlich gegen den Richtervorbehalt verstoßen hätte, sich keine Gedanken darüber gemacht bzw. willkürlich eine Gefahr im Verzug angenommen hat. Zudem ist es auch nicht aus den Urteilsfeststellungen ersichtlich, ob der „Richtervorbehalt bewusst und gezielt umgangen bzw. ignoriert“ wäre.
Die Revision ist hinsichtlich des Beweisverwertungverbots unbegründet.
Allerdings hält das Urteil im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen bezüglich der Blutalkoholkonzentration einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte hatte nach der Fahrt im Straßenverkehr bereits weiteren Alkohol zu sich genommen, der jedoch herauszurechnen war.
So ging das Gericht zu Gunsten des Angeklagten im vorliegenden Fall von einem geringen Nachtrunk aus und einer Blutalkoholkonzentration zur Zeit der Fahrt von mindestens 1,3 bis 1,4 Promille aus, was einer absoluten Fahruntüchtigkeit entsprechen würde. Problematisch ist hierbei jedoch die Ermittlung des Nachtrunks und somit die Berechnung der tatsächlichen Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Tat (Fahren mit dem PKW):
“Von diesem Wert ist sodann die durch den Nachtrunk maximal verursachte Blutalkoholkonzentration abzuziehen. Die Blutalkoholkonzentration, die sich aus dem Genuss einer bestimmten Alkoholmenge ergibt, kann in der Weise errechnet werden, dass die wirksame Alkoholmenge (in Gramm) durch das mit dem sog. Reduktionsfaktor multiplizierte Körpergewicht (in Kg) geteilt wird. Es bedarf daher der Feststellung des Körpergewichts im Tatzeitpunkt, der Bestimmung des Reduktionsfaktors und der Mitteilung der aufgenommenen Alkoholmenge in Gramm. Hinsichtlich des Körpergewichts ist dabei zugunsten des Angeklagten vom Mindestgewicht auszugehen, da die durch Nachtrunk verursachte Blutalkoholkonzentration um so höher ist, je geringer das Körpergewicht ist. Wenn der individuelle Reduktionsfaktor nicht festgestellt ist, muss der Sachverständige darlegen, welcher Reduktionsfaktor bei dem Angeklagten als niedrigster Wert in Betracht kommt und zugunsten des Angeklagten davon ausgehen (vgl. OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 20.05.1996 – 3 Ss 132/96 – und vom 13.11.2001 – 3 Ss 306/01 -; OLG Köln VRS 66, 352, 353).“
Die hierzu erforderlichen Feststellungen über die Berechnung der Blutalkoholmenge fehlen jedoch. Vielmehr ging das Gericht von „mindestens 1,3 bis 1,4 Promille“ beim Angeklagten aus, ohne die Herleitung hierfür zu begründen. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte bei den anzuwendenden Grundsätzen der Berechnungsformel bei der richtigen Anwendung dieser zum Zeitpunkt der Fahrt eine geringerer Blutalkoholkonzentration besaß.
Der Senat schließt sich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an. Diese Darlegungsmängel führen zur Aufhebung des Urteils. Der neue Tatrichter wird über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Trunkenheit im Straßenverkehr neu zu entscheiden haben.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner