Beleidigung

  • 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz, Az.: 1 Ss 185/09

    Gegen den Angeklagten waren bei AG Neuwied mehrere Verfahren anhängig. Diese Verfahren wurden von dem zuständigen Richter wie folgt behandelt:

    • Auf BI. 52 der Akte eines Verfahrens befindet sich ein teilweise ausgefülltes und vom Richter unterzeichnetes, nicht mit einem Aktenzeichen versehenes Formular, wonach „in der Strafsachen gegen XXX volles Rubrum wie Bl. 34“ eine nicht näher bezeichnete Anklage der Staatsanwaltschaft Koblenz zur Hauptverhandlung vor dem Strafrichter zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wurde.
    • Mit Beschluss legte der Strafrichter die Verfahren dem Schöffengericht zur Übernahme vor. Die Übernahme erfolgte mit Beschluss zugleich wurden alle Verfahren miteinander verbunden
    • Auf BI. 93 der Akte eines Verfahrens befindet sich ein teilweise ausgefülltes und vom Richter unterzeichnetes, nicht mit einem Aktenzeichen versehenes Formular, wonach „in der Strafsachen gegen XXXX volles Rubrum wie Bl. 34″ nicht näher bezeichnete Anklagen der Staatsanwaltschaft Koblenz zur Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wurde. Weiter ist handschriftlich eingetragen: „Hierbei wird das Verf. XXX vom hiesigen Schöffengericht übernommen und zwecks gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung mit dem Verfahren XXX, welches führt, verbunden.“
    • Zu Beginn der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht bei dem Amtsgericht Neuwied verkündete der Vorsitzende folgenden, von ihm unterzeichneten und als Anlage zum Protokoll genommenen Beschluss: „Sowohl die Ankl. v. 26.3.07 als auch die v. 20.6. werden zugelassen und das Verfahren vor dem Schöffengericht NR eröffnet.“
    • Daraufhin wurde der Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 44 Fällen, Nötigung, versuchter Nötigung, Beleidigung in mehreren Fällen vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstands gegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dagegen legte der Angeklagte Berufung ein. Daraufhin hat ihn Strafkammer wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis im 44 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.

    Der 1. Strafsenat ist der Ansicht, dass die Revision Erfolg habe. Das Verfahren sei einzustellen, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 43 Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden sei, weil es insoweit an einem Eröffnungsbeschluss fehle.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Zu den wesentlichen Förmlichkeiten eines Eröffnungsbeschlusses gehören seine schriftliche Abfassung und die Unterzeichnung durch den zuständigen Richter (siehe dazu OLG Zweibrücken v. 02.05.2008 – 1 Ws 142/08, Senatsbeschl. v. 04.03.2009 – 1 Ss 13/09). Eine Verwendung von Vordrucken, ist zwar grundsätzlich zulässig, auch wenn sie den Eröffnungsbeschluss mit einer Terminsbestimmung und einer Ladungsverfügung kombinieren. Die Vordrucke müssen jedoch vollständig ausgefüllt und eindeutig abgefasst werden.“

    Der Strafsenat hob das Urteil des LG Koblenz vom auf, soweit der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im Übrigen hat der Strafsenat das Verfahren unter Aufhebung des Urteils des AG Neuwied eingestellt.


  • Ein 23-jähriger Mann muss sich vor dem Amtsgericht Hamburg-Barmbek verantworten, da er den Zivildienst nicht antreten wollte und einen Beamten des Bundesamts für Zivildienst beschimpft haben soll. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Hamburg wirft ihm nun das Delikt der Dienstflucht vor. Hierbei gibt § 53 Zivildienstgesetz zwingend eine Freiheitsstrafe als Sanktion vor.
    Der Angeklagte räumte bei der Verhandlung zwar die Dienstflucht ein, leugnete jedoch die Beleidigung. Als Grund für seine Dienstflucht gibt er an, dass er nichts mit dem Militär zu tun haben wolle. Auch auf die Erklärung der Richterin, dass Wehr- und Zivildienst grundverschieden seien, entgegnete der Angeklagte, dass „das doch fast das Gleiche“ sei.
    Die Richterin verurteilte den Mann schließlich zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung.
    (Quelle: Hamburger Abendblatt vom 19.01.2011, S. 10)


  • Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Missbrauchs von Titeln in Tateinheit mit Beleidigung, in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, in Tateinheit mit versuchter Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 8 € verurteilt.

    Die vom Angeklagten eingelegte Revision hatte Erfolg.

  • 2. Strafsenat des BGH, Az. 2 StR 483/09

    Der Angeklagte ist vom Landgericht Köln wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat aus folgenden Erwägungen Erfolg.

    Mit der Sachrüge rügt der Anklagte unter anderem die Ausführungen zur Strafzumessung seitens des Gerichts. So hat das Landgericht zur Strafzumessung (fünf Jahre) folgendes ausgeführt:

    „Die im Rahmen der Gesamtabwägung nach § 213 StGB bedeutsamen Umstände sind nochmals im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne abzuwägen. In Anbetracht der Vielzahl der für den Angeklagten sprechenden Umstände hält die Kammer eine Strafe unterhalb der Mitte des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von fünf Jahren für tat- und schuldangemessen, aber auch im Hinblick auf die Folgen der Tat für erforderlich.“

    Eine solche Bemessung hält nach Ansicht des Strafsenats einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insbesondere seien die Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen und die Strafe nicht anhand einer etwaigen „Mitte“ festzulegen.

    So heißt es im Wortlaut des Beschlusses des Strafsenats:

    „Die Orientierung an dem rechnerischen Mittel des Strafrahmens ist dem Wesen der Strafzumessung grundsätzlich fremd (vgl. BGH StV 2008, 175; BGH Beschluss vom 3. Dezember 2002 – 3 StR 406/02 – jeweils m.w.N.). Der Tatrichter muss die im Einzelfall zu beurteilende Tat in Ansehung aller strafzumessungsrelevanten Umstände ohne Bindung an weitere Fixpunkte als die Ober- und Untergrenze des Strafrahmens in den gefundenen Strafrahmen einordnen. Den Urteilsgründen ist hier schon nicht hinreichend sicher zu entnehmen, wie die Strafkammer die „Mitte“ des Strafrahmens bestimmt hat, so dass sie zu der Einordnung der verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren als unterhalb der „Mitte“ gelangt. Anders als in dem Senatsbeschluss vom 25. Juni 2009 – 2 StR 113/09 – zugrunde liegenden Fall lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auch nicht entnehmen, dass sich die Strafkammer bei der Zumessung nicht tatsächlich an der „Mitte“ des Strafrahmens orientiert hat. Angesichts der im Urteil dargelegten zahlreichen Milderungsgründe versteht sich die Schuldangemessenheit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren nicht von selbst.“

    Es ist daher nicht auszuschließen gewesen, dass der Strafausspruch auf diesen Fehler beruht. Die bereits getroffenen Feststellungen des Landgerichts Köln bleiben davon unbetroffen bestehen, ergänzende Feststellungen bleiben möglich, sofern sie nicht im Widerspruch zu den bisher getroffenen stehen.

    Ergänzend bemerkt der Strafsenat, dass der minder schwere Fall nach § 213 1. Alt StGB im vorliegenden Sachverhalt in Betracht käme und daher vom neuen Tatrichter zu prüfen sei.

    „In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine für sich gesehen nicht als schwer einzustufende Beleidigung dann als schwer bewertet werden kann, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der „Tropfen“ war, der „das Fass zum Überlaufen“ gebracht hat (st. Rspr., vgl. BGH StV 1998, 131; NStZ-RR 1996, 259; NStZ 1983, 365; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5, 8).“

    Die Revision hat somit Erfolg. Der Strafausspruch ist aufzuheben und über diesen neu zu entscheiden.

  • Der Angeklagte ist vom Landgericht Augsburg wegen sechs tatmehrheitlichen Fällen der Bedrohung, davon drei Fällen in Tateinheit mit Beleidigung, wegen zwei Fällen der Störung des öffentlichen Friedens, davon einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung insgesamt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Darüber hinaus hat das Landgericht die Unterbringung in einem psychischen Krankenhaus angeordnet.

    Gegen das Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof und kann hiermit einen Teilerfolg erzielen:

  • BVerfG, 1 BvR 2272/04 vom 12.5.2009

    Ähnlich wie schon im so genannten „Dummschwätzer-Fall“ hatte das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, ob die Äußerung bzw. Bezeichnung als „Durchgeknallter Staatsanwalt“, die der Beschwerdeführer in der Sendung „Talk in Berlin“ auf n-tv im Juni 2003 in einem Diskussionsbeitrag traf, eine Beleidigung nach §185ff StGB darstellt.

    Der BVerfG entschied, dass eine solche Bezeichnung von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG umfasst wird und im Einzelfall unter Berücksichtigung weiterer Umstände wie der Kontext der Äußerung zu prüfen ist. Sind mehrere Deutungsmöglichkeiten der Meinungsäußerung vorliegend, müssen auch die dem Äußernden entgegenkommenden Deutungen berücksichtigt werden. Hinzu bedarf es weiterer Begleitumstände und Interpretationsmöglichkeiten, damit die Meinungskundgabe als Beleidigung angesehen werden kann.

    „Zwar ist der Begriff „durchgeknallt“ von einer gewissen Schärfe und auch von einer Personalisierung gekennzeichnet und hat unabhängig von seiner Deutung ehrverletzenden Charakter. Eine Meinungsäußerung wird aber nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung. Hinzukommen muss vielmehr, dass die persönliche Kränkung das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängt. Die Beurteilung dieser Frage erfordert regelmäßig, den Anlass und den Kontext der Äußerung zu beachten (vgl.BVerfGE 93, 266 <303> ; BVerfG, NJW 2005, S. 3274 f.). Eine isolierte Betrachtung eines einzelnen Begriffs kann allenfalls ausnahmsweise dann die Annahme einer der Abwägung entzogenen Schmähung tragen, wenn dessen diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass der Ausdruck in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von seinem konkreten Kontext stets als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie dies möglicherweise bei Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter – etwa aus der Fäkalsprache – der Fall sein kann (vgl. BVerfG, NJW 2009, S. 749 <750>).“

    Das Urteil verdeutlicht, von welch großer Bedeutung die exakte und fallbezogene Auslegung der Meinungsäußerung auch im Hinblick auf strafrechtliche Konsequenzen ist. Vor allem bei kritischen Äußerungen, die auch als Beleidigungen verstanden werden können, kann diese nicht zwangsläufig zu Gunsten des Opfers ausgelegt werden, sondern müssen sämtliche Erwägungen im Einzelfall des Kontextes (z.B. in einer politischen Debatte) im Sinne der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berücksichtigt werden.

    Das gesamte Urteil lässt sich auf der Seite des Bundesverfassungsgerichts abrufen.

  • Az. BVerfG, 1 BvR 1318/07 vom 5.12.2008

    Während einer Rede des Stadtratmitglieds wurde dieser von einem weiteren Stadtratmitglied unterbrochen, woraufhin der Redner ihn als „Dummschwätzer“ bezeichnete. Der Beschwerdeführer wurde anschließend hierfür wegen Beleidigung  zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Nach erfolgloser Revision erhob der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde. In dieser Sache hatte der BverfG nun entschieden, dass die Bezeichnung als „Dummschwätzer“ nicht zwingend eine Beleidigung im Sinne der §185ff StGB darstellt, sondern von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG umfasst wird. So müsse im Einzelfall im Rahmen der Abwägung geprüft werden, ob „es sich bei dem vom Beschwerdeführer verwendeten Begriffs des „Dummschwätzers“ um eine so genannte „Schmähkritik“ handelt, bei der die Diffamierung des Zeugen im Vordergrund stand oder ob die Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt war. Nur dann, wenn eine solche Äußerung nicht mehr der Auseinandersetzung in der Sache dient, hat sie als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzustehen“. Weiter stellten die Richter klar:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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