Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH), Nr. 99/2011 vom 7.6.2011
In dem folgenden Fall geht es unter anderem um das medienrechtliche Problem des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 I, 1 I GG im Rahmen des Rechts am eigenen Bild nach §§ 22, 23 KUG in der Abwägung mit der Pressefreiheit, auf die sie hier die Bild-Zeitung berufen konnte. Besteht ein öffentliches Interesse an der Bildnisveröffentlichung, kann diese dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen überwiegen. Im konkreten Fall ist dann eine Veröffentlichung des Fotos des Betroffenen in den Medien zulässig.
Pressemitteilung:
Bildveröffentlichung und sitzungspolizeiliche Verfügung
Die Beklagte ist Herausgeberin der „Bild“-Zeitung. Der Kläger wurde durch ein inzwischen rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2008 zusammen mit zwei Mitangeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt (Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2008; BGH, Beschluss vom 22. September 2009 – 3 StR 203/09, Pressemitteilung Nr. 203/2009). Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, weil in der Ausgabe der Bild-Zeitung vom 16. Juli 2008 im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung unter der Überschrift „Irak-Terroristen müssen für Attentatsplan ins Gefängnis!“ ein Foto des Klägers veröffentlicht wurde, auf dem sein Gesicht zu erkennen ist.
Das Strafverfahren hatte einen geplanten Anschlag der Terrorgruppe „Ansar al-Islam“ auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Allawi zum Gegenstand. Während der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart waren Fernseh- und Bildaufnahmen nach der sitzungspolizeilichen Anordnung der Vorsitzenden nach § 176 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)* am Tag der Urteilsverkündung nur mit der Maßgabe zulässig, dass bei Abbildungen der Angeklagten deren Gesichter durch geeignete Maßnahmen (pixeln) unkenntlich gemacht werden.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, das Foto ungepixelt oder sein Antlitz in anderer Weise unkenntlich gemacht zu verbreiten. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hat der u. a. für das Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der ihn identifizierenden Bildberichterstattung zusteht.
Die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ist grundsätzlich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG** zu beurteilen. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren – hier nicht vorliegenden – Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
Im Streitfall handelte es sich bei der aktuellen Berichterstattung über die Urteilsverkündung um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Demgegenüber musste der Persönlichkeitsschutz des Klägers zurücktreten. Dem Umstand, dass der Kläger nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt nicht das vom Berufungsgericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach dem Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren. Das Persönlichkeitsrecht ist auch im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist.
Urteil vom 7. Juni 2011 – VI ZR 108/10
Landgericht Berlin – Urteil vom 26. Februar 2009 – 27 O 982/08
Kammergericht – Urteil vom 6. April 2010 – 9 U 45/09
(veröffentlicht in AfP 2010, 385 und in NJW-RR 2010, 1417)
Karlsruhe, den 7. Juni 2011
* § 176 GVG
Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.
**Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie
§ 22
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. ………..
§ 23
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1.Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
…………………
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei Tanken ohne zu Bezahlen, auch wenn dies ohne Vorsatz und nur aus Unachtsamkeit geschieht, der Tankstellenbetreiber von dem Tankenden die Kosten für einen Privatdetektiv verlangen kann, der engagiert werden musste, um den Tankenden ausfindig zu machen.
Strafbarkeit wegen Betrugs?
Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass ein Mann für 10 Euro getankt und nicht gezahlt hatte. Letztlich erhielt der Mann eine Rechnung in Höhe von 180 Euro, die auch die Detektivkosten auswies. Der Bundesgerichtshof erklärte, dass nicht der Eindruck entstehen dürfe, dass auch bei geringen Beträgen risikolos getankt werden könne, ohne zu Bezahlen und ließ die Rechnung unbeanstandet.
( Quelle: Bundesgerichtshof Az.: VIII ZR 171/10 )
Ein Baby muss generell bekanntlich von der Mutter oder den Eltern mit Nahrung versorgt werden. Überforderte Eltern vergessen dies mitunter immer wieder oder „sorgen“ aufgrund von Depressionen oder finanzieller, familiärer Probleme für eine schlechte Erziehung und Ernährung ihres Kindes.
Im Folgenden beschäftigten sich die Gerichte mit der Strafbarkeit einer Mutter, nachdem ihr unterernährtes Baby verstorben ist.
5. Strafsenat des BGH, Az.: 5 StR 56/11
Der Verurteilte war im Jahre 1993 vom Landgericht Hamburg unter anderem wegen Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Nach Ablauf der anschließenden 10 jährigen Sicherheitsverwahrung, hat das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 20. Dezember 2010 die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über 10 Jahre hinaus angeordnet. Hier hatte es sich bereits mit den Vorgaben des Senats und der Einschränkungen ausgehend von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009 auseinandergesetzt.
Gegen die Verlängerung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung legte der Verurteile die Beschwerde ein. Im Hinblick auf die entgegenstehende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte hat der Senat des LG Hamburg die Sache dem Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) vorgelegt.
Dieser hatte über die rückwirkende Anwendbarkeit der Verlängerung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsprechung der Strafsenate wurde die Sache nun dem Großen Senat des Bundesgerichtshofs vorgelegt.
Wortlaut des Strafsenats im Beschluss:
„Mit seinem Anfragebeschluss hat der Senat eine rückwirkende Anwendbarkeit des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB grundsätzlich bejaht und wegen divergierender Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs zur identischen Rechtsfrage sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser Rechtsfrage das Verfahren nach § 132 GVG eingeleitet. Dabei hat der Senat § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB allerdings weiter einschränkend dahin ausgelegt, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären ist, sofern nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist (Leitsatz 2 des genannten Beschlusses); bei diesem Maßstab kommt in Ausnahmefällen auch eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung in Betracht (Anfragebeschluss Rn. 47).
Der Senat hat darauf hingewiesen, dass aufgrund der weiteren zu erwartenden Dauer des weiteren Verfahrens gem. § 132 GVG bis zu dessen Erledigung die Akten an das vorlegende Oberlandesgericht zurückzusenden sind. Dies ist notwendig, da zur Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs das Oberlandesgericht bereits der zuständigen Strafvollstreckungskammer übertragen.“
Bis zur Erledigung und Klärung der Sachfragen durch den Großen Senat ruht das Verfahren somit.
5. Strafsenat des BGH, Az.: 5 StR 86/11
Die Angeklagten sind vom Landgericht wegen Raubes und räuberischer Erpressung in zwei Fällen verurteilt. Die hiergegen gerichtet Revision hat auf Seiten des Angeklagten Z. Erfolg.
Im vorliegenden Fall haben die drei Angeklagten in drei Fällen Kaufinteressierte von einem PKW überfallen, wobei die genaue Mittäterschaft der drei Angeklagten nicht ganz aufzuklären war. Die Strafkammer stützte sich unter anderem auf die Aussage des Angeklagten L sowie die Vernehmung eines Polizeibeamten, der am Tatort eingetroffen und seiner Aussage nach von drei männlichen Tätern überfallen worden war. Dabei hat der Geschädigte über die Beteiligung der drei Angeklagten nur gemutmaßt, dass „wegen eines vermeintlichen Raschelns in einem naheliegenden Gebüsch eine dritte Person an dem Überfall beteiligt gewesen sein könnte“.
Wie der Strafsenat des Bundesgerichtshof (BGH) ausführt, fehle es an genauen Urteilsfeststellungen und konkreten Täterbeschreibungen, die eine Beteiligung des Angeklagten Z beweisen würden.
Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die bei der Ablehnung von Beweisanträgen wegen Erwiesenseins von Tatsachen entsprechend gilt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 – 1 StR 410/88, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 erwiesene Tatsache 1), ist eine Auseinandersetzung mit als wahr unterstellten Tatsachen unter anderem dann erforderlich, wenn die Beweiswürdigung ohne deren Erörterung lückenhaft bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1979 – 2 StR 749/78, BGHSt 28, 310, 311; BGH, Beschluss vom 28. August 1991 – 5 StR 303/91 mwN). So liegt der Fall hier.
Bloße Mutmaßungen in Richtung auf einen dritten Täter aufgrund eines Raschelns im Gebüsch sind namentlich mit der dezidierten Schilderung eines gewalttätigen Angriffs jenes dritten Täters nicht in Einklang zu bringen. Die Existenz eines dritten Täters wäre dabei trotz der sonst gegen den Angeklagten Z. sprechenden Indizien im Hinblick auf die zentrale Bedeutung dieses Aspekts geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Angeklagten L. hinsichtlich der (Mit-)Täterschaft des Angeklagten Z. in Frage zu stellen. Den hierin liegenden Widerspruch im Aussageverhalten des Geschädigten durfte das Landgericht deshalb nicht einfach übergehen.
Das Gleiche gilt für den durch die Strafkammer in demselben Beschluss als erwiesen angesehenen, im Urteil aber nicht angesprochenen Umstand, dass der Zeuge A. gegenüber der Polizei zum Aussehen des zweiten Täters Folgendes angegeben hat: „ca. 1,80 m bis 1,90 m groß, leicht gewelltes schulterlanges schwarzes Haar, ausländischer Typ (osteuropäische Richtung), braungebrannter Typ“, „schlanke Gestalt“ (Sachakten Bl. 1172). Demgegenüber ist der Angeklagte Z. nach den Urteilsfeststellungen 1,96 m groß, wog zur Tatzeit 101,9 kg (UA S. 12) und trug (wohl) kurzes blondes Haar (vgl. UA S. 9).“
Strafrecht / Revision / Wirtschaftsstrafrecht / Bestechung
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshof vom 5.5.2010
Pressemitteilung:
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Frage dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegt, der nach § 132 Abs. 4 GVG für die Beantwortung grundsätzlicher Rechtsfragen u. a. dann zuständig ist, wenn dies zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Das zugrunde liegende Revisionsverfahren betrifft die Strafbarkeit von Beteiligten am sog. Pharmamarketing.
Die Staatsanwaltschaft Verden (Aller) hatte gegen den Geschäftsführer eines Unternehmens ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechung bzw. der Bestechung im geschäftlichen Verkehr geführt. Das Unternehmen vertreibt Geräte, die zur elektromedizinischen Reizstromtherapie bestimmt sind. Nach Einstellung dieses Ermittlungsverfahrens, hat die Staatsanwaltschaft in einem selbstständigen Verfallsverfahren beantragt, gegen das Unternehmen Wertersatz in Höhe von 350.225 Euro für verfallen zu erklären.
Das Landgericht Stade hat diesen Antrag als unzulässig verworfen. Nach seinen Feststellungen schloss das Unternehmen mit der AOK N. Verträge über die Abgabe der Reizstromtherapiegeräte an Patienten zur häuslichen Eigenanwendung. Es stellte zudem niedergelassenen Ärzten hochwertige Apparaturen für deren Praxis zur Verfügung und erließ das hierfür zu zahlende Entgelt vollständig oder teilweise, wenn der Arzt Verordnungen über den Bezug eines Reizstromtherapiegeräts ausstellte und diese dem Unternehmen zukommen ließ. Zwischen September 2004 und November 2008 gingen dem Unternehmen mehr als 70.000 Verordnungen zu. Es rechnete seine Leistungen sodann auch gegenüber der AOK N. ab.
Das Landgericht hat diesen Sachverhalt rechtlich dahin gewürdigt, dass weder die Voraussetzungen einer Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 2 StGB noch diejenigen einer Vorteilsgewährung nach § 333 StGB oder Bestechung nach § 334 StGB gegeben seien. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision.
Für die Entscheidung erheblich ist danach vorrangig, ob ein niedergelassener Vertragsarzt bei der Behandlung gesetzlich Versicherter – hier: Verordnung von Hilfsmitteln – als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB anzusehen ist mit der Folge, dass die Beteiligten ein Amtsdelikt (Vorteilsannahme bzw. -gewährung, Bestechlichkeit bzw. Bestechung, §§ 331 ff. StGB) begehen können. Ist dies zu verneinen, hängt der Ausgang der Revision davon ab, ob der Vertragsarzt Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB ist. Diese Fragen sind in der Literatur umstritten. Höchstrichterliche Entscheidungen hierzu sind bisher nicht ergangen. Ihre Beantwortung hat über den vorliegenden Einzelfall hinaus erhebliche Auswirkungen auf die Strafverfolgungspraxis im weit verbreiteten Bereich des sog. Pharmamarketing.
Az:. 3 StR 458/10 – Beschluss vom 5. Mai 2011
Seit vielen Jahren ist es Praxis, dass jährlich der Schulfotograf in die Schule kommt und Lehrer sowie Schüler einzeln und als Klasse ablichtet. Die Bilder können sich die Schüler und Lehrer dann später kaufen.
Fraglich dabei ist, ob dies auch relevant für das Wirtschaftsstrafrecht sein kann, ob hier konkret eine Bestechung vorliegen kann, nämlich dann, wenn der Fotograf die Schule mit einer Beteiligung (Umsatzbeteiligung) oder durch Sachleistung ködert, zum Zwecke der Gewinnung des Auftrags.
Zu den Geschäftspraktiken der Schulfotografen und der möglichen Strafbarkeit der Schulfotografie hat der Bundesgerichtshof jüngst eine erläuternde Pressemitteilung veröffentlicht:
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Wahrsagern, Hellsehern und allen mit übernatürlichen Kräften Werbende für ihre Dienste eine Entlohnung verlangen können.
Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass eine Kartenlegerin von einem Kunden 6700 Euro verlangte. Dieser Betrag habe noch für ihre Dienste ausgestanden dem Kunden wieder eine Partnerin zu bescheren. Der Kunde hatte jedoch bereits 35.000 Euro an die Kartenlegerin gezahlt.
Nach Ansicht der Richter komme es darauf an, ob die Kartenlegerin die Zwangslage des Kunden ausgenutzt habe und so gegen die guten Sitten verstoßen habe. In einem solchen Fall müsse der Kunde nicht zahlen. Ob der zugrundeliegende Fall gegen die guten Sitten verstößt soll nun das Landgericht Stuttgart klären.
(Bundesgerichtshof, III ZR 87/10)
Der Angeklagte ist vom Landgericht Aachen wegen „versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung (gemäß §§ 253 Abs. 1, 3, 255, 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 b StGB) und mit gefährlicher Körperverletzung (gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt“ worden.
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und kann einen entscheidenden Teilerfolg erzielen.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine „Tötung auf Verlangen“ gem. § 216 StGB nur besteht, wenn der Wunsch zu sterben erkennbar nicht nur einer Augenblicksstimmung entspringt.
Dem Urteil lag der Fall zugrunde, dass ein Mann seine Ehefrau erschossen hatte, nachdem diese den Wunsch zu sterben geäußert hatte. Der Mann erklärte, dass seine Frau an einem bösartigen Unterleibstumor gelitten habe und ihre Schmerzen derart stark gewesen seien, dass sie sie nicht mehr ertragen konnte. Nachdem er seine Ehefrau erschossen hatte, versuchte der Mann sich darauf selbst das Leben zu nehmen, was jedoch misslang. Das Landgericht Verden verurteilte denn Mann wegen Tötung auf Verlangen zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Die Tochter des Opfers hatte sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen und Revision zum BGH eingelegt.
Der Bundesgerichtshof gab der Revision statt und begründete dies damit, dass das Landgericht Verden die Einlassungen des Täters genauer hätte prüfen müssen. Der Bundesgerichtshof sieht in diesem Fall bereits die Schwierigkeit zu prüfen, ob das geäußerte Verlangen der Frau überhaupt ein ernstliches Tötungsverlangen darstelle. Ernstlich sei ein solches Verlangen dann nicht, wenn es erkennbar nur einer Augenblicksstimmung entspringe und ihm daher keine tiefere Reflexion des Tatopfers über seinen Todeswunsch zugrunde liege.
Nun muss das Landgericht Verden nochmals über die Sache entscheiden.
(Aktenzeichen: Bundesgerichtshof 3 StR 168/10)
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner