dringender Tatverdacht

  • Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Stade vom 22.08.2011 befindet sich der Angeklagte seit dem 23.08.2011 ohne Unterbrechung in Untersuchungshaft.
    Die Staatsanwaltschaft Stade erhob am 21.12.2011 (unter anderem) gegen ihn Anklage beim Landgericht Stade.

    Am 12.01.2012 erließ das Landgericht Stade daraufhin einen neuen Haftbefehl gegen den Angeklagten, wobei die bisher in dem Haftbefehl des Amtsgerichts Stade nicht berücksichtigten, aber in der Anklageschrift enthaltenen Taten mit aufgenommen wurden.

  • 1. Strafsenat des OLG Naumburg, Az.: 1 Ws 398/10

    Der vorläufig festgenommene Angeschuldigte hat sich zunächst aufgrund des Haftbefehls des AG Weißenfels wegen des dringenden Tatverdachts des gemeinschaftlichen räuberischen Diebstahls und gestützt auf den Haftgrund der Fluchtgefahr in Untersuchungshaft befunden. In dem Termin zur mündlichen Haftprüfung hat das AG Weißenfels den Haftbefehl aufgehoben und dahingehend „neu gefasst“, dass die Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts des gemeinschaftlichen Diebstahls angeordnet wurde. Als Haftgrund nahm das Amtsgericht erneut das Vorliegen einer Fluchtgefahr an. Der Angeschuldigte legte Beschwerde ein, diese wurde vom LG Halle, in Unkenntnis dessen, dass die Staatsanwaltschaft Halle Anklage bei dem AG Weißenfels erhoben hatte durch Beschluss als unbegründet verworfen.
    Der Angeschuldigte legte durch Schriftsatz seines Verteidigers weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts ein. Dieser half das LG Halle durch Beschluss nicht ab. Das AG Weißenfels legte die Beschwerde jedoch als Haftprüfungsantrag aus. Durch Beschluss hat das AG Weißenfels den Haftbefehl aus den fortbestehenden Gründen seiner Anordnung aufrechterhalten.
    Gegen die Entscheidung die Aufrechterhaltung der Haft hat der Angeschuldigte durch Schriftsatz seines Verteidigers Beschwerde eingelegt, der das AG nicht abgeholfen und das LG Halle durch Beschluss als unbegründet verworfen hat. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Angeschuldigten.

    Der 1. Strafsenat ist zwar der Ansicht, dass der Angeschuldigte der ihm zur Last gelegten Tat des gemeinschaftlichen Diebstahls dringend verdächtig sei. Jedoch könne es dahinstehen, ob der Haftgrund der Fluchtgefahr bestehe, könne dahingehen, da die durch den nach Aufhebung des Haftbefehls neu ergangenen Haftbefehl des AG Weißenfels angeordnete Untersuchungshaft unverhältnismäßig sei.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Untersuchungshaft darf in Ansehung der durch Artikel 2 Abs. 2 S. 2 GG garantierten Freiheit der Person und der Unschuldsvermutung des Artikel 6 Abs. 2 MRK nur angeordnet und aufrechterhalten werden, wenn überwiegende Interessen des Gemeinwohls das zwingend gebieten (BVerfGE 35, 185, 190 [BVerfG 30.05.1973 – 2 BvL 4/73]). Die Durchsetzung des Anspruchs der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters ist der Zweck der Untersuchungshaft (BVerfGE 19, 342, 348 [BVerfG 15.12.1965 – 1 BvR 513/65]; BVerfGE 20, 45, 49 [BVerfG 03.05.1966 – 1 BvR 58/66]).

    Es muss daher eine Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten und der vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkung erfolgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haft auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen setzt (BVerfGE 20, 45, 49 [BVerfG 03.05.1966 – 1 BvR 58/66]); gleichzeitig ist zu bedenken dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft regelmäßig vergrößert (BVerfGE 53, 152, 158 [BVerfG 06.02.1980 – 2 BvR 1070/79]).

    Bei der Abwägung, ob die weitere Untersuchungshaft verhältnismäßig ist, kommt es nur auf die Tat an die Gegenstand des Haftbefehls ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung für eine andere Freiheitsstrafe in Betracht kommt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. April 1998 4 Ws 204/98). Schon hiernach ist der auf den dringenden Tatverdacht des gemeinschaftlichen Diebstahls (bei einem Beutewert von weniger als 200 Euro) gegründete Haftbefehl unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache für die Rechtsgemeinschaft nicht verhältnismäßig.“

    Der Senat hat den Beschluss des LG Halle und den Haftbefehl des AG Weißenfels vom aufgehoben.


  • 1. Strafsenat des OLG Nürnberg, Az.: 1 Ws 462/10

    Gegen den Beschuldigten wurde ein Haftbefehl wegen dringenden Tatverdachts und dem Haftgrund der Fluchtgefahr erlassen. Der Beschuldigte wurde in U-Haft verbracht und nach sechs Monaten die Haftfortdauer angeordnet.
    Die 1. Strafkammer hatte die Durchführung der Hauptverhandlung erst für einen Termin fünf Monate nach Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorgesehen.

    Nach Ansicht des 1. Strafsenats des OLG Nürnberg sind die Voraussetzungen für die Anordnung der Fortdauer der U-Haft über sechs Monate hinaus, gem. § 121 Abs. 1 StPO, nicht gegeben. Das Verfahren habe nicht die in Haftsachen gebotene, auf den Freiheitsanspruch gem. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 5 Abs. 3 S. 2 MRK beruhende Beschleunigung erfahren.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei der (Anordnung und) Aufrechterhaltung der U-Haft das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen ständig der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig Verurteilten als Korrektiv entgegengehalten werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch eine maßgebliche Bedeutung zukommt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt insoweit, dass die Dauer der U-Haft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (vgl. BVerfG StV 2008, 421).
    Dem trägt die Vorschrift des § l21 Abs. 1 StPO dadurch Rechnung, dass der Vollzug der U-Haft vor dem Ergehen eines Urteils wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden darf, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Die Bestimmung des § 121 Abs. 1 StPO lässt also nur in begrenztem Umfang eine Fortdauer der U-Haft über sechs Monate hinweg zu und ist eng auszulegen (vgl. BVerfGE 20, 45, 50: 36, 264, 271). Kommt es zu sachlich nicht gerechtfertigten und vermeidbaren erheblichen Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte nicht zu vertreten hat, so steht bereits die Nichtbeachtung des Beschleunigungsgebotes regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der U-Haft entgegen (vgl. BVerfG NJW 2006, 1336 [= StV 2006,148]).“

    Die Beschwerde des Beschuldigten hatte Erfolg. Der 1. Strafsenat hob den Haftbefehl auf.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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