Ein strafrechtlich relevantes Verbreiten im Sinne des § 17 UrhG liegt bereits dann vor, wenn das Produkt beworben wird.
Der angeklagte Unternehmer bewarb in Deutschland nachgebaute Möbelstücke. Hergestellt wurden die Möbelstücke in Italien. Dabei waren die einzelnen Stücke zwar in Deutschland urheberrechtlich geschützt, in Italien jedoch nicht. Die Ware sollte direkt aus einem italienischen Lager per Spedition an die deutschen Kunden geliefert werden. Dabei beauftragten die Kunden das jeweilige Transportunternehmen eigenständig, welches vom verkaufenden Unternehmen empfohlen wurde.
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in 485 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. In der Revisionsverhandlung musste sich nun der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Sache beschäftigen.
Als erstes stellt der BGH fest, dass die unionsrechtlich garantierte Warenverkehrsfreiheit nicht dahingehend zu verstehen ist, dass sie einem Mitgliedstaat verbietet, die Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke durch nationale Strafvorschriften strafrechtlich zu verfolgen.
Laut BGH ist ein Verbreiten im Sinne des § 17 UrhG auch nicht erst dann gegeben, wenn der Händler seinen Kunden die Möbel tatsächlich übergibt. Es reicht bereits das Bewerben aus:
„Entsprechend diesem Schutzniveau des Gemeinschaftsrechts legt der Senat den Begriff des Verbreitens gemäß § 17 UrhG so aus, dass bei einem grenzüberschreitenden Verkauf ein Verbreiten in Deutschland gemäß § 17 UrhG schon dann vorliegt, wenn ein Händler, der seine Werbung auf in Deutschland ansässige Kunden ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten schafft, für sie zur Verfügung stellt oder dies einem Dritten erlaubt und diese Kunden so in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungen von Werken liefern zu lassen, die in Deutschland urheber-rechtlich geschützt sind.“
Aus diesem Grund verwirft der BGH die Revision des Angeklagten.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012, Az.: 1 StR 213/10
Das Bundeskabinett hat einen Gesetzesentwurf zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren auf den Weg gebracht. Damit soll das Strafverfahrensrecht an EU Mindeststandards angepasst werden. Dazu wird es in einigen Bereichen der Strafprozessordnung (StPO) Anpassungen geben.
So werden Beschuldigte zukünftig umfangreichere Rechte auf Dolmetscherleistungen im Verfahren haben. Alle verfahrenswichtigen Dokumente müssen schriftlich übersetzt werden, insbesondere auch die Strafurteile. Ebenfalls müssen Beschuldigte zukünftig umfangreicher über ihre Rechte belehrt werden.
Bei Festnahmen soll der Beschuldigte zukünftig schriftlich über die Möglichkeit der Bestellung eines Pflichtverteidigers informiert werden. Ebenfalls soll die Belehrung den Hinweis auf das Recht auf Auskunft und Akteneinsicht beinhalten. Zusätzlich werden die Behördlichen einer Dokumentationspflicht hinsichtlich der vorgenommenen Ermittlungshandlungen haben.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 135/2012 vom 22.08.2012
Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöhe hat jetzt entschieden, dass auch Versandapotheken aus anderen EU-Mitgliedsstaaten der deutschen Arzneimittelpreisbindung unterliegen, und hält die hierfür geltenden Vorschriften des Arzneimittelgesetzes für eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage der nationalen Preisregulierung im Kontext des Unionsrechts, die weder gegen das primäre oder sekundäre Unionsrecht noch gegen die Warenverkehrsfreiheit verstosse.
Auszug aus der Pressemitteilung:
EU-Versandapotheken unterliegen deutscher Arzneimittelpreisbindung
Die deutschen Preisvorschriften gelten grundsätzlich auch dann, wenn verschreibungspflichtige Arzneimittel von einer Versandapotheke mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union an Endverbraucher in Deutschland abgegeben werden. Das hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes heute in Karlsruhe entschieden.
Im zugrundeliegenden Fall, der beim I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs anhängig ist, hatte die Beklagte, eine in den Niederlanden ansässige Apotheke, im Wege des Internet-Versandhandels Medikamente für den deutschen Markt angeboten und mit einem Bonussystem geworben, nach dem der Kunde beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente auf Kassenrezept einen Bonus von 3% des Warenwertes, mindestens aber 2,50 € und höchstens 15,00 € pro verordneter Packung erhalten sollte. Der Bonus sollte unmittelbar mit dem Rechnungsbetrag oder im Rahmen einer künftigen Bestellung verrechnet werden.
Die Klägerin, die im Inland eine Apotheke betreibt, sieht darin einen Verstoß gegen die im Arzneimittelrecht für verschreibungspflichtige Arzneimittel geltenden Preisbindungsvorschriften. Sie hat die beklagte Versandapotheke auf Unterlassung der Ankündigung und Gewährung der Boni in Anspruch genommen.
Der I. Zivilsenat des BGH hat die Frage, ob deutsches Arzneimittelpreisrecht auch für den Apothekenabgabepreis verschreibungspflichtiger Arzneimittel gilt, die im Wege des Versandhandels von einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Versandapotheke im Inland in den Verkehr gebracht werden, bejahen wollen. Er hat sich hieran aber durch eine Entscheidung des 1. Senats des Bundessozialgerichts gehindert gesehen. Der 1. Senat des BSG hatte 2008 in anderem Zusammenhang entschieden, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht nicht für Versandapotheken gilt, die aus dem europäischen Ausland Arzneimittel an deutsche Verbraucher schicken. Der I. Zivilsenat des BGH hat die Frage deshalb dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung vorgelegt.
Der Gemeinsame Senat hat nunmehr entschieden, dass die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen, ausländische Versandapotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel im Inland an Endverbraucher abgeben, deutschem Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen. Dies ergibt sich insbesondere aus § 78 Abs. 1 und 2 AMG. Diesem Ergebnis steht weder primäres noch sekundäres Unionsrecht entgegen. Die deutsche Regelung verstößt nicht gegen die Warenverkehrsfreiheit. Es handelt sich nicht um eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV.
Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 – GmS-OGB 1/10
Karlsruhe, den 22. August 2012
*Nähere Angaben zu den zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen und zu den Entscheidungen des Bundessozialgerichts und des Bundesgerichtshofs können dem Terminhinweis vom 14.8.2012 entnommen werden (Pressemitteilung des BGH 127/12 vom 14.8.2012).
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Wegen Zinsmanipulation wird gegen zwölf internationale Großbanken ermittelt. Die Institute haben sich selbst angezeigt. Dies nimmt das Schweizer Kartellamt zum Anlass mal genauer hinzusehen.
Die Wettbewerbshüter haben nun zu klären, ob die Referenzzinssätze „Libor“ und „Tibor“ manipuliert wurden. Dabei handelt es sich um Werte, die die Konditionen, zu denen sich Banken gegenseitig Geld leihen abbilden. Durch die Verfälschung der Angaben sei es vermutlich auch zu einer Beeinflussung der Kosten für Kredite an Unternehmen und Verbraucher gekommen. Denn: Werden die Zinssätze höher angegeben, so müssen auch die Kunden höhere Zinsen zahlen, als gerechtfertigt wäre. Die Differenz ist Gewinn der Banken.
Eventuell handelt es sich bei den zwölf Banken noch nicht einmal um alle Betroffenen. Es könne noch zu weiteren Anzeigen kommen. Die Büroräume zahlreicher Geldhäuser wurden bereits durchsucht.
Wegen ähnlicher Vorwürfe ermittelt bereits die EU-Kommission sowie die Finanzaufsichtsbehörden einiger Länder.
( Quelle: Financial Times Deutschland online vom 03.02.2012 )
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 005/2012 vom 13.01.2012
In der vorliegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof das Rabattmodell einer Apothekerin für den Arzneimittelbezug im Ausland für teilweise unbedenklich erachtet und einen Verstoß der Beklagten gegen das arzneimittelrechtliche Verbringungsverbot des § 73 Arzneimittelgesetz abgelehnt.
Pressemitteilung:
Bundesgerichtshof entscheidet über Rabattmodell für den Arzneimittelbezug aus dem Ausland
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat hat ein von einer Freilassinger Apothekerin betriebenes Rabattmodell für Arzneimittel teilweise für unbedenklich angesehen und die Abweisung der gegen diese Apothekerin gerichteten Klage in diesem Punkt bestätigt.
Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Freilassing. Sie bietet ihren Kunden an, Medikamente bei einer Apotheke in Budapest zu bestellen und zusammen mit einer Rechnung dieser Apotheke bei ihr in Freilassing abzuholen. Den Kunden verspricht sie dabei einen Rabatt in Höhe von 22% bei nichtverschreibungspflichtigen und von 10% bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Im Falle einer Bestellung lässt die Beklagte die Medikamente zunächst durch einen Großhändler aus Deutschland an die Apotheke in Budapest liefern, von wo aus sie wieder zurückgeliefert werden. Auf Wunsch werden die Kunden, die Medikamente auf diesem Wege beziehen, in der Apotheke der Beklagten pharmazeutisch beraten. Die Klägerinnen, die ebenfalls in Freilassing Apotheken betreiben, sehen in dem Verhalten der Beklagten – soweit verschreibungspflichtige Arzneimittel abgegeben werden – einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften. Soweit die Beklagte sonstige Arzneimittel auf diese Weise abgibt, beanstanden die Klägerinnen in erster Linie den Verstoß gegen andere arzneimittelrechtliche Bestimmungen. Mit ihrer beim Landgericht Traunstein erhobenen Klage haben sie die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen.
Das Landgericht Traunstein hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht München hat dieses Urteil nur insoweit bestätigt, als die Beklagte Rabatte auf preisgebundene verschreibungspflichtige Arzneimittel angeboten hat. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung nunmehr bestätigt. Insbesondere hat er in Übereinstimmung mit dem OLG einen Verstoß der Beklagten gegen das arzneimittelrechtliche Verbringungsverbot des § 73 Arzneimittelgesetz* verneint. Danach dürfen zulassungspflichtige Arzneimittel nur unter bestimmten Voraussetzungen nach Deutschland eingeführt werden. Insbesondere ist der Versand von Arzneimitteln auch aus dem EU-Ausland an deutsche Endverbraucher nur unter engen Voraussetzungen gestattet, die die hier eingeschaltete Budapester Apotheke nicht erfüllt. Der Bundesgerichtshof hat jedoch einen Versand unmittelbar an Endverbraucher im Streitfall verneint. Auch wenn das von der Beklagten praktizierte Modell so ausgestaltet ist, dass sie den Verkauf der bestellten Arzneimittel durch die Budapester Apotheke lediglich vermittelt und der Kaufvertrag deswegen zwischen dem deutschen Kunden und der Budapester Apotheke zustande kommt, ist die Beklagte arzneimittelrechtlich als Empfängerin anzusehen, die ihrerseits die Medikamente sodann an die Kunden abgibt. Für die arzneimittelrechtliche Beurteilung ist dabei maßgebend, dass in die Abgabe an den Endverbraucher eine inländische Apotheke eingeschaltet ist, die verpflichtet ist, die Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit der auf diese Weise abzugebenden Arzneimittel zu prüfen und die Verbraucher bei Bedarf zu beraten. Deswegen ist arzneimittelrechtlich die inländische Apotheke der Beklagten Empfängerin der von der Budapester Apotheke versandten Arzneimittel. Daher hat der Bundesgerichtshof einen Verstoß gegen das Verbringungsverbot des § 73 AMG verneint.
Im Übrigen ist der Beklagten die Gewährung eines Rabatts im Falle verschreibungspflichtiger Arzneimittel von den Vorinstanzen gerade deswegen verboten worden, weil sie die Arzneimittel als inländische Apothekerin abgibt. Denn die insoweit anwendbaren arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften, die einen solchen Rabatt untersagen, gelten nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts nur im Falle der Abgabe durch inländische Apotheken.
Urteil vom 12. Januar 2012 – I ZR 211/10 – Europa-Apotheke Budapest
LG Traunstein – Urteil vom 11. März 2009 – 2 HKO 2534/08
OLG München – Urteil vom 28. Oktober 2010 – 6 U 2657/09
A&R 2010, 279
Karlsruhe, den 13. Januar 2012
*§ 73 Abs 1 Satz 1 und 1a AMG Verbringungsverbot
(1) Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung oder Genehmigung nach § 21a oder zur Registrierung unterliegen, dürfen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes nur verbracht werden, wenn sie zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen, nach § 21a genehmigt, registriert oder von der Zulassung oder der Registrierung freigestellt sind und
1.
der Empfänger in dem Fall des Verbringens aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum pharmazeutischer Unternehmer, Großhändler oder Tierarzt ist, eine Apotheke betreibt oder als Träger eines Krankenhauses nach dem Apothekengesetz von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit Arzneimitteln versorgt wird,
1a.
im Falle des Versandes an den Endverbraucher das Arzneimittel von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, welche für den Versandhandel nach ihrem nationalen Recht, soweit es dem deutschen Apothekenrecht im Hinblick auf die Vorschriften zum Versandhandel entspricht, oder nach dem deutschen Apothekengesetz befugt
ist, entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel versandt wird oder
…
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EuGH, Beschluss vom 19.05.2011, Az.: C-184/10
Der EuGH hatte über ein Vorabentscheidungsersuchen (Art. 267 AEUV) vom Bayrischen Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden.
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin – Inhaberin einer in der Tschechischen Republik ausgestellten Fahrerlaubnis – wollte sich gegen eine Entscheidung des Freistaats Bayern wehren, da ihr das Recht aberkannt wurde, von dieser im deutschen Hoheitsgebiet Gebrauch zu machen. Dafür erhob sie beim Verwaltungsgericht Anfechtungsklage. Dieses gab der Klägerin Recht. Der Freistaat Bayern legte gegen dieses Urteil beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Berufung ein. Dieser beschloss sodann, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorzulegen.
Der EuGH hatte die Richtlinie 91/439 auszulegen und speziell zu klären, ob ein Staat berechtigt ist, eine im europäischen Ausland ausgestellte Fahrerlaubnis nicht anzuerkennen.
Nach der Richtlinie kann ein Mitgliedsstaat die Anerkennung ablehnen, sofern die Person nicht mindestens sechs Monate in dem ausstellenden Staat einen ordentlichen Wohnsitz hatte. Dies war nicht der Fall. Allerdings könnte die Richtlinie so zu verstehen sein, dass der Ausstellerstaat zunächst eine Maßnahme gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ergreifen muss, bevor ein anderer Staat diese aberkennen kann.
Der EuGH hat nun entschieden, dass eine vorherige Maßnahme durch den Ausstellerstaat nicht erforderlich ist. Vielmehr muss die Fahrerlaubnis aus einem anderen Mitgliedsstaat nur anerkannt werden, wenn der Inhaber einen Wohnsitz von mindestens 185 Tagen im Ausstellerstaat nachweisen kann. Die Aberkennung ist außerdem unabhängig von einem Verkehrsdelikt in Deutschland.
Daher können bisher anerkannte Fahrerlaubnisse aus dem europäischen Ausland ihre Gültigkeit verlieren. Inhaber einer solchen Fahrerlaubnis machen sich nun des „Fahrens ohne Fahrerlaubnis“ strafbar.
5. Strafsenat des OLG Stuttgart, Az.: 5 Ss 471/10
Das AG Stuttgart-Bad Cannstatt verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Freiheitsstrafe von drei Monaten und setzte die Strafaussetzung zur Bewährung aus. Ferner hat es ihm „die ausländische Fahrerlaubnis, soweit sie ihm inzwischen erteilt wurde“ entzogen. Dagegen legte der Angeklagte Berufung ein.
Das LG Stuttgart verwarf die Berufung als unbegründet und stellte fest, dass der Angeklagte als Pkw-Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen habe, obwohl er gewusst habe, dass ihm durch rechtskräftiges Urteil des AG Stuttgart-Bad Cannstatt wegen eines Verkehrsdelikts die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 8 Monaten für ihre Wiedererteilung angeordnet wurde.
Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.
Der 5. Strafsenat des OLG Stuttgart erachtet die Revision des Angeklagten als teilweise erfolgreich. Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch richte, sei das Urteil zwar nicht zu beanstanden. Hingegen hätten die angeordneten Fahrerlaubnismaßnahmen keinen Bestand.
Indem das LG lediglich festgestellt habe, dass der Angeklagte über keine deutsche Fahrerlaubnis verfüge und keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob er im Besitz einer ausländischen Fahrerlaubnis sei, habe es seiner Kognitionspflicht aus §§ 244 II, 261 StPO nicht ausreichend genüge getan.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Für die Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis nach §§ 69 I, 69 b StGB wird vorausgesetzt, dass das Gericht die Feststellung getroffen hat, dass diese Fahrerlaubnis besteht (Fischer, StGB, 57. Auflage, § 69 Rdnr. 3a; Gübner, NJW 2008, 2278). Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird gemäß § 69 a I 3 StGB nur eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung angeordnet. Stellt das Tatgericht fest, dass der Täter eine ausländische Fahrerlaubnis besitzt, ist diese zu entziehen. Die Entziehung hat aber lediglich die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 69 b Abs. 1 StGB). Sofern der ausländische Führerschein von der Behörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ausgestellt wurde und der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat, wie es beim Angeklagten den Feststellungen des Landgerichts nach der Fall ist, so wird der Führerschein im Urteil eingezogen und an die ausstellende Behörde zurückgesandt (§ 69 b II 1 StGB).
Nach § 261 StPO darf das Gericht eine tatsächliche Voraussetzung eines Straftatbestands sowie einer Vorschrift, die eine Maßregel der Besserung und Sicherung vorsieht, nur dann heranziehen, wenn es davon überzeugt ist, dass sie gegeben ist. Ein bloßer Verdacht reicht dafür nicht aus. Es ist allein Sache des Gesetzgebers, durch die besondere Ausgestaltung von Voraussetzungen der Strafbarkeit oder von Maßregeln der Besserung und Sicherung Ausnahmen hiervon zuzulassen. Dies ist etwa beim Straftatbestand der üblen Nachrede in § 186 StGB in der Form geschehen, dass im Falle des Beweises der Richtigkeit der behaupteten ehrenrührigen Tatsache – und nur in diesem Fall – eine objektive Bedingung der Strafbarkeit entfällt. Eine solche Vorschrift findet sich hier nicht.“
Der Strafsenat hof das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgerichts zurück.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg für die umstrittene deutsche Griechenland-Hilfe frei gemacht. Der am 07.05.2010 von fünf Klägern eingereichte Eilantrag auf Verfassungsbeschwerde gegen die Griechenland-Subventionen wurde vom Bundesverfassungsgericht als unbegründet abgewiesen.
„Das Bundesverfassungsgericht hat keine hinreichenden Anhaltspunkte, die zu der Annahme zwingen, dass die währungs- und finanzpolitische Einschätzung der Bundesregierung fehlerhaft ist“, heißt es in der Entscheidung.
(Quelle FAZ vom 10.05.2010 Nr. 107, S. 12)
Die vorherige Meldung vom 8.05.2010:
Fünf Kläger, darunter die Ökonomen Wilhelm Hankel und Joachim Starbatty sowie der Rechtswissenschaftler Karl Albrecht Schachtschneider, haben Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen die die Griechenland-Subventionen eingelegt.
Die Beschwerdeführer sehen mehrere Grundrechte verletzt. So sei ihr Wahlrecht gem. Art. 38 GG verletzt, da die Abgeordneten mit ihrer Zustimmung zum Gesetz die demokratischen Grenzen für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU verletzt hätten, die ihnen die Verfassungsrichter im „Lissabon-Urteil“ gesetzt hätten. Zudem sei der „Lissabon-Vertrag“ verletzt, der eine gegenseitige Finanzhilfe verbiete. Übersei sei ihr Grundrecht auf Eigentum gem. Art. 14 GG verletzt, weil die EU nun keine Stabilitätsgemeinschaft mehr sei, sondern eine „Inflationsgemeinschaft“. Des Weiteren rügen sie eine Verletzung der Handlungsfreiheit gem. Art. 2 GG und des Sozialstaatsprinzips. Außerdem habe die EU nun die Schwelle zum Bundesstaat überschritten. Damit verliere Deutschland jedoch seine eigene Staatlichkeit, was nach Art. 146 GG nur durch eine Volksabstimmung beschlossen werden könne.
Nun bleibt abzuwarten, ob die Verfassungsbeschwerde überhaupt zulässig ist und wenn ja, wie die Richter entscheiden werden.
(Quelle FAZ vom 08.05.2010 Nr. 106, S. 14)
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 1. Senat, Urteil vom 2. März 2010
Az. 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08
In einem der spektakulärsten Urteile der vergangenen Jahre hatte sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erneut mit der so genannten „Vorratsdatenspeicherung“ zu befassen. Diese beruht auf die EU Richtlinie 2006/24/EG und trägt das Ziel der Speicherung von Verkehrsdaten von Telefondiensten und Internetdiensten wie auch E-Mails vorsorglich für mindestens 6 Monate, um so der Verfolgung von (schweren) Straftaten und der Gefahrenabwehr zu dienen.
Den drei (von fast 35.000 Beschwerdeführern) ausgewählten Musterfällen nahm sich das Bundesverfassungsgericht an. Die Beschwerdeführer sehen nach ihrer Ansicht durch die Vorratsdatenspeicherung vor allem das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) sowie ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. So sei es unverhältnismäßig, sämtliche Daten dergestalt zu speichern, dass sich dadurch auch Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen lassen.
Der Erste Senat des BVerfG hatte sodann am 2. März 2010 sein Urteil bekannt gegeben und entschieden, dass die derzeitigen Regelungen des TKG und der StPO im Hinblick auf die Vorratsdatenspeicherung mit Art. 10 Abs. 1 GG nicht vereinbar seien.
So ist die Vorratsdatenspeicherung zwar grundsätzlich möglich und nicht schlechthin verfassungswidrig, jedoch in der derzeitigen Konstellation und insbesondere in der dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Ausgestaltung nicht verfassungsmäßig. Auch wird durch die angegriffenen Regelungen keine hinreichende Datensicherheit und Datenbegrenzung gewährleistet. Laut Bundesverfassungsgericht „genügen sie nicht in jeder Hinsicht den verfassungsrechtlichen Transparenz und Rechtschutzforderungen“.
Weiter hat das BVerfG angedeutet, dass es sich bei der Vorratsdatenspeicherung um einen besonders schweren Eingriff handelt mit einer „Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt“. Aus den Daten lassen sich „bis in die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüsse ziehen“, die für sich genommen das aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzten. Schließlich hat jeder Bürger grundsätzlich das Recht, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen.
Allerdings ist eine Speicherung der Verkehrsdaten unter bestimmten Maßgaben mit Art. 10 Abs. 1 GG vereinbar, wie das BVerfG im Weiteren ausführt. Hierzu müssen allerdings erst bestimmte Grundlagen und Vorgaben geschaffen werden. Angedeutet wird diesbezüglich unter anderem die Speicherung der Verkehrsdaten durch Dritte (wie private Diensteanbieter), um auch der Staatsferne Rechnung zu tragen. Auch dürfen die vielen Informationen nicht zusammengeführt und bei der Speicherung als „Ganzes“ gesammelt werden. Letztlich müsse so eine bessere Sicherheit für die Aufbewahrung der Daten gewährleistet werden.
Im Rahmen der Strafprozessordnung ist es notwendig, den Abruf der Daten unter einen grundsätzlichen Richtervorbehalt zu stellen, um so auch nachträglich im gerichtlichen Verfahren die Anordnung überprüfen zu lassen. Wichtig sei auch hier nach Auffassung des BVerfG das Gebot der Transparenz: Der Betroffene müsse darüber informiert werden, wenn und wann seine Daten verwendet und abgerufen werden. Zur Not auch im Rahmen einer nachträglichen Kenntnisnahme. Bezüglich der Anwendung der Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr darf auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht außer Acht gelassen werden.
Nach der derzeitigen Ausgestaltung ist das Abrufen der gespeicherten Daten zur Strafverfolgung „praktisch im Bezug auf alle Straftatbestände nutzbar“ und wodruch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegt.
Auszug aus der Pressemitteilung des BVerfG vom 2. März 2010:
„Mit den aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entwickelten Maßstäben unvereinbar sind auch die Regelungen zur Verwendung der Daten für die Strafverfolgung. § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO stellt nicht sicher, dass allgemein und auch im Einzelfall nur schwerwiegende Straftaten Anlass für eine Erhebung der entsprechenden Daten sein dürfen, sondern lässt unabhängig von einem abschließenden Katalog generell Straftaten von erheblicher Bedeutung genügen. Erst recht bleibt § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 StPO hinter den verfassungsrechtlichen Maßgaben zurück, indem er unabhängig von deren Schwere jede mittels Telekommunikation begangene Straftat nach Maßgabe einer allgemeinen Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung als möglichen Auslöser einer Datenabfrage ausreichen lässt. Mit dieser Regelung werden die nach § 113a TKG gespeicherten Daten praktisch in Bezug auf alle Straftatbestände nutzbar. Ihre Verwendung verliert damit angesichts der fortschreitenden Bedeutung der Telekommunikation im Lebensalltag ihren Ausnahmecharakter. Der Gesetzgeber beschränkt sich hier nicht mehr auf die Verwendung der Daten für die Verfolgung schwerer Straftaten, sondern geht hierüber und damit auch über die europarechtlich vorgegebene Zielsetzung der Datenspeicherung weit hinaus“.
Für die Strafverfolgung bedeutet es, dass die Verwendung der Daten der Vorratsdatenspeicherung nur dann zulässig ist, wenn im Einzelfall der Verdacht einer schwerwiegenden Straftat besteht. Hierfür sind enge Grenzen zu ziehen und hat der Gesetzgeber einen Strafkatalog zu schaffen. Im Hinblick auf die Gefahrenabwehr bedeutet dieses, dass eine hinreichend belegte, konkrete Gefahr für ein hohes Rechtsgut wie „Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes zur Abwehr einer gemeinen Gefahr“ vorliegen muss.
Auszug aus der Pressemitteilung:
„Für die Strafverfolgung folgt hieraus, dass ein Abruf der Daten zumindest den durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer auch im Einzelfall schwerwiegenden Straftat voraussetzt. Welche Straftatbestände hiervon umfasst sein sollen, hat der Gesetzgeber abschließend mit der Verpflichtung zur Datenspeicherung festzulegen.
Für die Gefahrenabwehr ergibt sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass ein Abruf der vorsorglich gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten nur bei Vorliegen einer durch bestimmte Tatsachen hinreichend belegten, konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr einer gemeinen Gefahr zugelassen werden darf. Diese Anforderungen gelten, da es auch insoweit um eine Form der Gefahrenprävention geht, gleichermaßen für die Verwendung der Daten durch die Nachrichtendienste. Eine Verwendung der Daten von Seiten der Nachrichtendienste dürfte damit freilich in vielen Fällen ausscheiden. Dies liegt jedoch in der Art ihrer Aufgaben als Vorfeldaufklärung und begründet keinen verfassungsrechtlich hinnehmbaren Anlass, die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Voraussetzungen für einen Eingriff der hier vorliegenden Art abzumildern.“
Letztlich resultiert aus dem Urteil und der zukünftigen Neugestaltung der Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bezüglich der strafprozessualen Regelungen:
„Innerhalb des ihm dabei zustehenden Gestaltungsspielraums darf der Gesetzgeber solche Auskünfte auch unabhängig von begrenzenden Straftaten oder Rechtsgüterkatalogen für die Verfolgung von Straftaten, für die Gefahrenabwehr und die Aufgabenwahrnehmung der Nachrichtendienste auf der Grundlage der allgemeinen fachrechtlichen Eingriffsermächtigungen zulassen. Hinsichtlich der Eingriffsschwellen ist allerdings sicherzustellen, dass eine Auskunft nicht ins Blaue hinein eingeholt wird, sondern nur aufgrund eines hinreichenden Anfangsverdachts oder einer konkreten Gefahr auf einzelfallbezogener Tatsachenbasis erfolgen darf. Ein Richtervorbehalt muss für solche Auskünfte nicht vorgesehen werden; die Betreffenden müssen von der Einholung einer solchen Auskunft aber benachrichtigt werden. Auch können solche Auskünfte nicht allgemein und uneingeschränkt zur Verfolgung oder Verhinderung jedweder Ordnungswidrigkeiten zugelassen werden. Die Aufhebung der Anonymität im Internet bedarf zumindest einer Rechtsgutbeeinträchtigung, der von der Rechtsordnung auch sonst ein hervorgehobenes Gewicht beigemessen wird. Dies schließt entsprechende Auskünfte zur Verfolgung oder Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten nicht vollständig aus. Es muss sich insoweit aber um auch im Einzelfall besonders gewichtige Ordnungswidrigkeiten handeln, die der Gesetzgeber ausdrücklich benennen muss.“
Insgesamt und trotz der scharfen Kritik an der konkreten Ausgestaltung der Regelung der Vorratsdatenspeicherung scheint diese aber in Zukunft durch eine Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen unter Berücksichtigung der Erwägungen des BVerfG denkbar und wohl auch realistisch. Doch bis es so weit ist, wird der Gesetzgeber das Urteil und zusätzliche Erläuterungen abzuwarten und in den Prozess der gesetzlichen Neugestaltung einzubringen haben. Außerdem hat die EU bereits angekündigt, die entscheidende Richtlinie als Vorgabe der nationalen Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung erneut zu überprüfen und gegebenenfalls und unabhängig von nationalen Umsetzungsspielräumen nachzubessern.
Somit sind viele weitere Szenarien denkbar. Eines steht jedoch bereits jetzt fest: Die Vorratsdatenspeicherung wird es wohl auch in naher Zukunft geben und den Zielen der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr dienen.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner