Wird ein Urteil im Strafausspruch aufgehoben, müssen Feststellungen zur Person erneut getroffen werden.
Der Angeklagte wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge vom Landgericht Bonn zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach Aufhebung des Urteils im Strafausspruch durch den Bundesgerichtshof (BGH) verurteilte die Strafkammer des Landgerichts den Angeklagten zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Dabei hatte das neue Urteil Bezug auf den Werdegang des Angeklagten aus dem ersten Urteil genommen und die Feststellungen wörtlich übernommen.
3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm, Az.: III-3 RBs 226/10
Das AG Lübbecke hat den Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 58 km/h und der Inbetriebnahme eines unvorschriftsmäßig ausgerüsteten Fahrzeuges zu einer Geldbuße von 285,- Euro verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat ausgesprochen. Gegen diese Entscheidung ging der Beschwerdeführer mit einer Rechtsbeschwerde vor.
Der 3. Senat für Bußgeldsachen ist der Auffassung, dass die getroffenen Feststellungen des AG Lübbecke und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung lückenhaft und widersprüchlich sind. Eine sichere Nachprüfung, ob das AG Lübbecke seine Überzeugung von der Geschwindigkeitsüberschreitung ohne Rechtsfehler gewonnen habe, werde nicht ermöglicht. Das AG Lübbecke habe nicht angeben, ob ein standardisierten Messverfahren durchgeführt worden sei.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Das vorliegend angewandte ProViDa-System 2000 ist sowohl zur Geschwindigkeits- als auch zur gleichzeitigen Abstandsmessung seit über 10 Jahren in ständigem Gebrauch und als standardisiertes Messverfahren für Geschwindigkeitsmessungen anerkannt (vgl OLG Köln VRS 97, 442; OLG Celle VRS 77, 464; 81, 210; 92, 435; OLG Braunschweig NZV 1995, 367). Zum Ausgleich systemimmanenter Messungenauigkeiten erfolgt ein Toleranzabzug von 5% von der gemessenen Geschwindigkeit aus (vgl OLG Celle VRS 92, 435 unter Hinweis auf eine gutachterliche Stellungnahme der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 31.8.1996).
Aufgrund gerichtsbekannter Mitteilungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt einer dementsprechenden Verfügung des Landesamtes für Polizeiliche Dienste NRW darf das ProViDa-System 2000 im Betrieb mit Motorrädern zurzeit bei Messungen mit Schräglage nicht verwendet werden. Hintergrund dieser Mitteilung ist, dass es bei Kurvenfahrten in Situationen mit extremer Schräglage durch einen verringerten Reifenabrollumfang des messenden Fahrzeuges Messwerte für die Wegstrecke und die Geschwindigkeit systematisch zu groß berechnet werden, wobei zurzeit ungeklärt ist, ob die Verkehrsfehlergrenzen eingehalten werden.
Daher ist bei Verkehrsüberwachungen mittels Messungen von Motorrädern durch das ProViDa -System nur bei Geradeausfahrten mit aufrechter Position von einem standardisierten Messverfahren auszugehen.“
Der Senat hob das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das AG Lübbecke zurück.
2. Strafsenat des OLG Nürnberg, Az.: 2 St OLG Ss 147/10
Das AG Schwandorf hat die Angeklagte wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt und hat ein Fahrverbot von einem Monat ausgesprochen. Die Angeklagte legte dagegen, beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, Berufung ein. Das LG Amberg hat die Berufung als unbegründet verworfen. Dagegen wandte sich die Angeklagte mit dem Rechtmittel der Revision.
Der 2. Strafsenat erachtet die Revision der Angeklagten als begründet, da die vom AG Schwandorf getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage für eine Strafzumessung bildeten und das LG Amberg darüber hinausgehende Feststellungen getroffen hat, die ihm verwehrt gewesen sind.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Die Feststellungen des AG tragen zwar den Schuldspruch des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Sie ermöglichen aber keine Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots. Nach § 44 StGB kann ein solches verhängt werden, wenn jemand „im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers“ eine Straftat begeht. Derartige Feststellungen wurden nicht getroffen.
Das LG hat vorliegend über die vom AG zum Schuldspruch getroffenen Feststellungen hinaus zusätzliche Feststellungen getroffen. Zudem ist es bei seiner Entscheidung zum Fahrverbot ersichtlich von seinen ergänzenden Feststellungen ausgegangen. Folglich hat das LG Feststellungen über die Rechtsfolgen in unzulässiger Weise in seiner Entscheidung zugrunde gelegt, aus denen sich im Vergleich zu den rechtskräftig gewordenen Feststellungen des AG erst die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots ergeben. Die zusätzlichen Feststellungen des LG wirken sich damit „strafschärfend“ aus. Solche Feststellungen zu treffen, war dem LG verwehrt.“
Der Strafsenat hob das Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG Amberg zurück. Die Revision der Verteidigung hatte damit Erfolg.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner