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  • BGH, Beschluss vom 14.02.2012, Az.: 3 StR 392/11

    Der Angeklagte ergriff nach Feststellung des Landgerichts Duisburg das Handy des Geschädigten. Auf dem Handy wollte er nach Beweisen für eine Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Schwester eines Mitangeklagten suchen. Dabei übertrug er die Bilddateien des Handys auf sein eigenes Handy. Bei der Tat soll es dem Angeklagten gleichgültig gewesen sein, ob der Geschädigte das Gerät zurückerlange. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Raubes.

    Die Strafverteidigung rügte die Verurteilung. Es fehle hier an der Zueignungsabsicht im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB. Dies sieht auch der BGH so und gibt der Revision der Strafverteidigung statt:

    Danach hat sich der Angeklagte nicht eines Verbrechens des Raubes, sondern nur einer Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht, denn er handelte nicht, wie § 249 Abs. 1 StGB voraussetzt, in der Absicht, das Mobiltelefon sich oder einem Dritten zuzueignen. Weder wollte er sich den Substanz- oder Sachwert des Geräts aneignen, noch hat er dessen Wert durch den vorübergehenden Gebrauch gemindert (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1968 – 4 StR 398/68, GA 1969, 306, 307 zur fehlenden Aneignungskomponente bei der Wegnahme zwecks Inhaftierung; S/S-Eser/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 242 Rn. 53, 55; NK-StGB-Kindhäuser, 3. Aufl., § 242 Rn. 82; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 150). Es fehlt an dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des Täters, den Bestand seines Vermögens oder den eines Dritten zu ändern, wenn er das Nötigungsmittel nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 19a) oder wenn er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören“, „zu vernichten“, „preiszugeben“, „wegzuwerfen“, „beiseite zu schaffen“, „zu beschädigen“, sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701; vom 26. September 1984 – 3 StR 367/84, NJW 1985, 812, 813 jeweils mwN; OLG Köln, Beschluss vom 6. Mai 1997 – Ss 226/97 – 93, NJW 1997, 2611). Dass die vom Angeklagten beabsichtigte Durchsuchung des Speichers und das Kopieren der dabei aufgefundenen Bilddateien im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lag, ändert hieran nichts, denn dies führte nicht zu deren Verbrauch (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 – RReg 4 St 158/91, juris, zum Kopieren und Verwerten von auf Diskette gespeicherten Daten; Cramer, CR 1997, 693, 696; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 154).

    Auch bezüglich einer möglichen räuberischen Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, 255 StGB fehle es an der Bereicherungsabsicht. Der bloße Besitz einer Sache bildet nämlich nicht immer einen Vermögensvorteil:

    Auch eine – bei fehlender Zueignungsabsicht mögliche (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 – 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386) – Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) kommt vorliegend nicht in Betracht, denn der Angeklagte handelte nicht in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern. Bloßer Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10 mwN, NStZ 2011, 699, 701; BGH, Beschluss vom 19. August 1987 – 2 StR 394/87, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1 zu einem Fall der Wegnahme zwecks Beweisvereitelung).“

    Damit hatte die Revision der Strafverteidigung Erfolg. Wegen Raubes oder räuberischer Erpressung hat sich der Angeklagte demnach nicht strafbar gemacht.

  • Nahe Hamburg ist es jetzt zu einer ungewöhnlichen Spritztour eines 14-Jährigen gekommen, die rechtliche Konsequenzen haben wird. So soll sich der Jugendliche aus Trittau mit der EC-Karte seines Vaters für 600 Euro einen Motorroller gekauft und diesen sofort zusammen mit einem 12-jährigen Freund im Straßenverkehr benutzt haben. Offenbar wusste er den PIN der EC-Karte, konnte er selbige dem Vater entwenden und war dem Verkäufer das Alter des Jungen nicht aufgefallen. Dabei besaß der Jugendliche nicht einmal einen Führerschein für das Fahren eines Motorrollers.

  • Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung und Beihilfe zum Verstoß gegen § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

    Diesbezüglich hatte die Strafkammer festgestellt, dass der Angeklagte einmal gleichzeitig sieben und einmal einem illegal eingereisten Vietnamesen ein Unterkommen geboten hatte. Dabei hatte der Angeklagte die Beschaffung eines gefälschten niederländischen Reisepasses und eines gefälschten niederländischen Führerscheins mit zwei Mitangeklagten „organisiert“.

  • Vor dem Landgericht Braunschweig ist ein 46-jähriger Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Joseph wegenSexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen angeklagt. Laut Anklageschrift hat er in insgesamt 240 Fällen den Kindesmissbrauch an drei Jungen vorgenommen. So habe er sich unter anderem nachts oder vor der Messe an den Jungen vergehen und auch Fotos von den Geschlechtsteilen der Kinder angefertigt.

    Einige der Vorwürfe bestätigte der Angeklagte bereits bei einer ersten Vernehmung und ein umfassendes Geständnis wurde angekündigt. So äußerste sich der Angeklagte zu seinem Werdegang und der Intention der Beziehungen zu den Jungen.

    Er selber erklärte die Taten mit ehrlicher Verbundenheit und Freundschaft und versuchte diese zu verharmlosen. Eines der Opfer sah er sodann liebevoll „wie einen Sohn“ an. Mit einem damals 10-jährigen Jungen sei er sogar nach Paris ins Disney Land sowie mehrmals in den Ski-Urlaub für mehrere Tage gereist, wo es zu weiteren sexuellen Handlungen gekommen sei. Die Eltern der betroffenen Kinder waren schockiert, ob der Fürsorgepflicht und der Beziehung des Pfarrers zu den Kindern.

    Viele Details sind dabei noch nicht einmal zum Vorschau gekommen – Es bleibt abzuwarten, inwiefern der Pfarrer und sein Strafverteidiger durch ein umfangreiches Geständnis den Prozess vorzeitig beenden und möglicherweise dadurch ein milderes Strafmaß erwarten können.

    Insgesamt wird die Diskussion um den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche aufgrund dieses Prozesses wohl weitergeführt werden.

    ( Quelle: SPON 12.01.2012 )


  • In Berlin musste sich ein 24-Jähriger wegen versuchten Totschlags verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, einen Mann nach einem Streit im September 2010 mit dem Messer bedroht und lebensgefährlich verletzt zu haben. Danach stieg er in sein Auto und fuhr weg.
    Nach den Feststellungen des Gerichts ist das mutmaßliche Opfer nach der Provokation durch den Angeklagten auf diesen losgegangen.
    Der Angeklagte war einschlägig vorbestraft. Zudem fuhr er ohne Führerschein, was allerdings nicht Teil der Anklage war.

    Der Strafverteidiger des Angeklagten berief sich im Prozess auf Notwehr und forderte einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung.
    Das Gericht folgte der Strafverteidigung und sprach den Angeklagten vom Tatvorwurf frei. Es habe eine Notwehrlage vorgelegen. Allerdings soll er 1200 Euro für die Fahrt ohne Führerschein zahlen.

    ( Quelle: Tagesspiegel online vom 31.12.2011 )


  • Vor dem Amtsgericht Emmendingen (Baden-Württemberg) musste sich ein 47-jähriger Mann verantworten. Ihm wurde fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr vorgeworfen.
    Der Mann sei im Mai mit ca. zwei Promille noch Auto gefahren; laut Sachverständigen könnten es sogar 3 Promille gewesen sein. Zudem hatte er seit April keinen Führerschein mehr. Sein Mitbewohner hat ihn nach der Tat bei der Polizei angezeigt.
    Im Prozess verwickelten sich die Zeugen, welche alle aus dem näheren Wohnumfeld des Angeklagten stammen, in Widersprüche. Es wurde nicht deutlich wer etwas gesehen oder gehört hatte. Letztlich wurde wohl nur geschlussfolgert, dass der Angeklagte betrunken gewesen sei.
    Der Richter fragte die Zeugen nachdrücklich, ob es eventuell zu Absprachen zwischen den Nachbarn kam, um die alkoholisierten Fahrten des Angeklagten zu unterbinden.
    Ein Zeuge sagte daraufhin aus, dass es Absprachen gab, um den Angeklagten vor Gericht zu bringen und vielleicht hinter Gittern. Er habe seine Freundin geschlagen und eventuell sogar vergewaltigt. Die Frau hätte allerdings nicht die Kraft gehabt, den Mann anzuzeigen.
    Strafverteidiger und Staatsanwaltschaft sahen die Tat als bestätigt an und forderten eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Bei der Tagessatzhöhe gingen die Anträge aber auseinander. Der Verteidiger forderte eine Tagessatzhöhe von 5 Euro, also insgesamt 300 Euro. Die Staatsanwaltschaft forderte das Doppelte.

    Das Gericht entsprach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro. Auf seinen Führerschein muss der Mann noch mindestens vier Monate verzichten.

    ( Quelle: Badische Zeitung online vom 04.11.2011 )


  • Bereits gestern hatte sich Facebook zu den aktuellen Streitthemen der Datenschützer aus Deutschland im SPIEGEL geäußert und von einer wirklich großen Nervosität im Umgang mit persönlichen Daten im Hinblick auf Deutschland gesprochen. Das Land sei ein „spezieller Fall“ heißt es.

    Neben dem fragwürdigen „Like“-Button, der von angemeldeten und nicht-angemeldeten Seitenbesuchern eventuell die IP-Adresse speichert und zu den Servern von Facebook in den USA sendet, was ein Verstoß gegen die deutschen Datenschutzbestimmungen darstellen würde, ist vor allem auch die automatische Gesichtserkennung des größten sozialen Netzwerks der Welt heiß diskutiert. Diese würde biometrische Daten gegen den Willen des Betroffenen erfassen, was ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der jeweiligen Person bedeutet könne.

    Wie Ilse Aigner (CSU), derzeitige Bundesverbraucherschutzministerin der Regierung, nun erklärte, unterstützt sie das Bestreben des Hamburger und Schleswig-Holsteiner Datenschutzbeauftragten, gegen diese automatische Gesichtserkennung vorzugehen. Insbesondere dürfe diese nur mit Einwilligung des Benutzers erfolgen und nicht automatisch voreingestellt.

    Zudem hofft sie auf eine europaweite Lösung dieses Problems. „Es wäre absurd, wenn ein globaler Internetkonzern regionale Sonderregelungen für einzelne Bundesländer machen würde“ bekräftigte die Ministerin gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

    Doch damit dürfte die Kuh noch nicht vom Eis sein, denn derzeit sieht es nicht danach aus als würde Facebook den Forderungen entgegen kommen.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt, 24.10.2011 )


  • Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 165/2011 vom 19.10.2011

    Kaum eine urheberrechtliche Frage im Hinblick auf die Haftung von Suchmaschinen beschäftigte derart viele Verfahren wie das Urheberrecht an den Bildern der Google Bildersuche, die automatisch generiert und verkleinert werden von dem Suchmaschinenbetreiber. Nach Ansicht des BGH ist Google hierfür nicht in Haftung zu nehmen.

    Pressemitteilung:

    Bundesgerichtshof entscheidet erneut über die urheberrechtliche Zulässigkeit der Bildersuche bei Google

    Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat erneut entschieden, dass Google nicht wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, wenn urheberrechtlich geschützte Werke in Vorschaubildern ihrer Suchmaschine wiedergegeben werden.

    Die von Google betriebene Internetsuchmaschine verfügt über eine textgesteuerte Bildsuchfunktion, mit der man durch Eingabe von Suchbegriffen nach Abbildungen suchen kann, die Dritte im Zusammenhang mit dem Suchwort ins Internet eingestellt haben. Die von der Suchmaschine aufgefundenen Bilder werden in einer Ergebnisliste in verkleinerter Form als Vorschaubilder („thumbnails“) gezeigt. Die Vorschaubilder enthalten einen elektronischen Verweis (Link), über den man zu der Internetseite mit der wiedergegebenen Abbildung gelangen kann.

    Der Kläger ist Fotograf. Im Dezember 2006 und März 2007 wurden auf Suchanfragen die Abbildungen eines vom Kläger angefertigten Lichtbildes der Fernsehmoderatorin Collien Fernandes als Vorschaubilder angezeigt. Als Fundort der Abbildungen wurden zwei näher bezeichnete Internetseiten angegeben.

    Der Kläger hat vorgetragen, er habe den Betreibern dieser Internetseiten keine Nutzungsrechte an der Fotografie eingeräumt. Er hat die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzung unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen.

    Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

    Der Bundesgerichtshof hat im vergangenen Jahr entschieden, dass ein Urheber, der eine Abbildung eines urheberechtlich geschützten Werkes ins Internet einstellt, ohne technisch mögliche Vorkehrungen gegen ein Auffinden und Anzeigen dieser Abbildung durch Suchmaschinen zu treffen, durch schlüssiges Verhalten seine Einwilligung in eine Wiedergabe von Vorschaubildern der Abbildung erklärt und der darin liegende Eingriff in das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung des Werkes (§ 19a UrhG) daher nicht rechtswidrig ist (BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08, BGHZ 185, 291
    – Vorschaubilder I).

    In der heute verkündeten Entscheidung stellt der Bundesgerichtshof klar, dass eine solche, die Rechtswidrigkeit des Eingriffs ins Urheberrecht ausschließende Einwilligung auch dann vorliegt, wenn eine Abbildung eines Werkes von einem Dritten mit Zustimmung des Urhebers ohne Schutzvorkehrungen ins Internet eingestellt worden ist. Der Kläger hatte im Streitfall zwar geltend gemacht, er habe den Betreibern der Internetseiten, auf denen die Vorschaubilder der Fotografie eingestellt waren, keine Nutzungsrechte eingeräumt. Darauf kommt es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedoch nicht an. Der Kläger hatte nämlich Dritten das Recht eingeräumt, das Lichtbild im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Die von einem Dritten mit Zustimmung des Urhebers durch Einstellen von Abbildungen des Werkes ins Internet wirksam erklärte Einwilligung in die Anzeige in Vorschaubildern ist
    – so der Bundesgerichtshof – nicht auf die Anzeige von Abbildungen des Werkes beschränkt, die mit Zustimmung des Urhebers ins Internet eingestellt worden sind. Es ist allgemein bekannt, dass Suchmaschinen, die das Internet in einem automatisierten Verfahren nach Bildern durchsuchen, nicht danach unterscheiden können, ob ein aufgefundenes Bild von einem Berechtigten oder einem Nichtberechtigten ins Internet eingestellt worden ist. Deshalb kann und darf der Betreiber einer Suchmaschine eine solche Einwilligung dahin verstehen, dass sie sich auch auf die Anzeige von solchen Abbildungen in Vorschaubildern erstreckt, die ohne Zustimmung des Urhebers ins Internet eingestellt worden sind. Dem Urheber ist es allerdings unbenommen, diejenigen wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch zu nehmen, die diese Abbildungen unberechtigt ins Internet gestellt haben.

    Urteil vom 19. Oktober 2011 – I ZR 140/10 – Vorschaubilder II

    LG Hamburg – Urteil vom 26. September 2008 – 308 O 248/07

    OLG Hamburg – Urteil vom 23. Juni 2010 – 5 U 220/08

    Karlsruhe, den 19. Oktober 2011

    Pressestelle des Bundesgerichtshofs
    76125 Karlsruhe
    Telefon (0721) 159-5013
    Telefax (0721) 159-5501


  • OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2010, Az.: III-3 Rvs 72/10, 3 Rvs 72/10

    Die Angeklagte war vom Amtsgerichts Lemgo wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,00 € verurteilt worden. Außerdem wurde ihr die Fahrerlaubnis entzogen, ihr Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von noch sieben Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
    Nach den Feststellungen des Gerichts sei die Frau mit dem von ihr geführten PKW gegen den hinteren linken Kotflügel des PKW des Geschädigten gefahren. Dies passierte als die Frau rückwärts aus einer Einfahrt fahren wollte. Sodann entfernte sich die Angeklagte vom Unfallort, ohne zuvor die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Den Unfall habe sie bemerkt.
    Im Prozess stellte ein Sachverständiger dar, dass sich die Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug auf 2.647,40 € belaufen. Zudem beträgt der Wiederbeschaffungswert 1.150,- € und hat das beschädigte Fahrzeug einen Restwert von 50,- €.
    Die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

    „Nach Ansicht des Gerichts stellt § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB seinem Wortlaut nach auf den bedeutenden Schaden an fremden Sachen ab. Damit sind die üblichen Reparaturkosten gemeint. Nach Ansicht des Gerichts sind unter dem Begriff „Schaden“ auch dann die Reparaturkosten zu verstehen, wenn der Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert geringer ist als die Reparaturkosten. Im Gegensatz zu § 315 c StGB stellt § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auf den Begriff des Schadens ab und nicht wie in § 59 c StGB auf den Verkehrswert der gefährdeten Sache. Die Auslegung des Wortlauts und die Auslegung aus der Gesetzessystematik ergeben daher, dass „Schaden“ i.S.d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB den Wiederherstellungsaufwand bedeutet. Daher liegt nach Ansicht des Gerichts auch in diesem Fall ein Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vor. Eine Sperrfrist von noch sieben Monaten war unter Berücksichtigung der bisher verstrichenen Zeit seit Beschlussfassung angemessen.“

    Auf die Revision der Angeklagten hin, hat das OLG die Anordnung der Maßregel nach § 69 StGB aufgehoben. Es läge kein bedeutender Schaden i.S. vom § 69 II Nr. 3 StGB vor:

    „Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann hier bei der Prüfung der Frage, ob unfallbedingt ein bedeutender Schaden entstanden ist, nicht, wie durch das Amtsgericht geschehen, auf die sich aus dem Sachverständigengutachten ergebenden Reparaturkosten für geschädigte Fahrzeug abgestellt werden. Die in dem Sachverständigengutachten berechneten Reparaturkosten von 2.647,40 € einschließlich Mehrwertsteuer – bei dem Vergleich zwischen den von einem Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten und dem Wiederbeschaffungswert ist in der Regel von den Bruttoreparaturkosten auszugehen, vgl. BGH NJW 2009, 1340 – übersteigen hier nämlich den Wiederbeschaffungswert des geschädigten Fahrzeugs, der nach den Urteilsfeststellungen 1.150,00 € beträgt, um 130 %, so dass ein wirtschaftlicher Totalschaden gegeben ist. Bei einer solchen Fallgestaltung ist die Höhe des Ersatzanspruchs bei Abrechnung auf Gutachtenbasis auf den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes beschränkt (vgl. BGHZ 162, 170), so dass sich hier ein unfallbedingter Sachschaden lediglich in Höhe von 1.100,00 € ergibt. Dieser liegt deutlich unter der derzeit maßgeblichen Wertgrenze für einen bedeutenden Schaden i. S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 von 1.300,00 €, so dass die Voraussetzungen für eine auf die vorgenannte Vorschrift gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis hier nicht erfüllt sind. Eine andere Beurteilung ergibt sich hier auch nicht unter Berücksichtigung des Integritätsinteresses des Geschädigten..“

    Damit lehnt das OLG einen bedeutenden Schaden ab. Der Maßregelausspruch des § 69 StGB zeigt eine Vermutung für die mangelnde Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges. Dies könne hier nicht angenommen werden. Damit ist auch der Beschluss zur Entziehung der Fahrerlaubnis hinfällig.


  • EuGH, Beschluss vom 19.05.2011, Az.: C-184/10

    Der EuGH hatte über ein Vorabentscheidungsersuchen (Art. 267 AEUV) vom Bayrischen Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden.

    Zum Sachverhalt:
    Die Klägerin – Inhaberin einer in der Tschechischen Republik ausgestellten Fahrerlaubnis – wollte sich gegen eine Entscheidung des Freistaats Bayern wehren, da ihr das Recht aberkannt wurde, von dieser im deutschen Hoheitsgebiet Gebrauch zu machen. Dafür erhob sie beim Verwaltungsgericht Anfechtungsklage. Dieses gab der Klägerin Recht. Der Freistaat Bayern legte gegen dieses Urteil beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Berufung ein. Dieser beschloss sodann, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorzulegen.

    Der EuGH hatte die Richtlinie 91/439 auszulegen und speziell zu klären, ob ein Staat berechtigt ist, eine im europäischen Ausland ausgestellte Fahrerlaubnis nicht anzuerkennen.
    Nach der Richtlinie kann ein Mitgliedsstaat die Anerkennung ablehnen, sofern die Person nicht mindestens sechs Monate in dem ausstellenden Staat einen ordentlichen Wohnsitz hatte. Dies war nicht der Fall. Allerdings könnte die Richtlinie so zu verstehen sein, dass der Ausstellerstaat zunächst eine Maßnahme gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ergreifen muss, bevor ein anderer Staat diese aberkennen kann.

    Der EuGH hat nun entschieden, dass eine vorherige Maßnahme durch den Ausstellerstaat nicht erforderlich ist. Vielmehr muss die Fahrerlaubnis aus einem anderen Mitgliedsstaat nur anerkannt werden, wenn der Inhaber einen Wohnsitz von mindestens 185 Tagen im Ausstellerstaat nachweisen kann. Die Aberkennung ist außerdem unabhängig von einem Verkehrsdelikt in Deutschland.

    Daher können bisher anerkannte Fahrerlaubnisse aus dem europäischen Ausland ihre Gültigkeit verlieren. Inhaber einer solchen Fahrerlaubnis machen sich nun des „Fahrens ohne Fahrerlaubnis“ strafbar.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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