Der Angeklagte war wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 StGB) und Betrugs (§ 263 StGB) zu vier Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zwischen Verurteilung und Haftantritt erhielt der später Verurteilte die Auflage, in Zukunft keinen Kontakt mehr zu Kindern zu haben.
Während seiner Haftzeit nahm der Mann Briefkontakt zu einer Mutter mit drei Kindern auf. Als er Freigang erhielt, besuchte er die Frau und spielte auch mit ihren Kindern. Die Staatsanwaltschaft sah in diesem Verhalten einen Verstoß gegen die Auflagen.
OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.12.2011, Az.: 1 Ws 551 – 552/11, 1 Ws 551/11, 1 Ws 552/11
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hatte Beschwerde gegen einen Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth eingelegt. Diese richtete sich gegen die Nichterteilung einer Bewährungsweisung
Dabei ist das OLG auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung eingegangen:
„Die Entnahme von Haarproben ist eine Maßnahme, die gemäß § 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist und deshalb der – hier nicht erteilten – Einwilligung des Verurteilten bedarf.“
„Entscheidend ist nämlich allein, dass das Abschneiden von Haaren einen Eingriff in die Körpersubstanz darstellt. Die ausdrückliche gesetzliche Regelung des § 68b Abs. 2 Satz 4 StGB, die auf § 56c Abs. 3 StGB verweist, differenziert dabei nicht nach graduell unterschiedlichen körperlichen Eingriffen, so dass alle Kontrollmaßnahmen, die mit körperlichen Eingriffen auch nur geringfügiger Art verbunden sind und zu einer lediglich unerheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität führen, nur mit Einwilligung des Verurteilten möglich sind.“
Dabei stellt das OLG fest, dass § 56c StGB an einen anderen Begriff des „körperlichen Eingriffs“ als § 81a StPO und auch § 223 StGB anknüpft.
So ist nicht unumstritten, dass jede Veränderung der Bart- oder Haartracht einen körperlichen Eingriff im Rahmen des § 81a StPO darstellt. Teilweise wird dafür sogar eine gesonderte richterliche Anordnung gefordert.
Auch sei der Begriff des körperlichen Eingriffs im Rahmen von § 223 StGB ein anderer. Die Intensität müsse ebenfalls höher angesetzt werden, da der Eingriff hier die Strafbarkeit erst begründet.
Diese Auslegung des Begriffs sind im Rahmen der Bewährungs- und Führungsaufsicht nicht mehr maßgeblich. Denn hier sollen die Eingriffe dazu beitragen, die Lebensführung des Verurteilten spezialpräventiv zu beeinflussen. Daher ist auch der Begriff des körperlichen Eingriffs weit auszulegen. Somit hat das OLG den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth bestätigt: Die Entnahme einer Haarprobe ist eine Maßnahme, die gemäß § 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist und deshalb der Einwilligung des Verurteilten bedarf.
3. Strafsenat des OLG Hamm, Az.: III 3 Ws 393/10
Der Beschwerdeführer ist durch das Amtsgerichts Münster zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Diese Strafe hat der Beschwerdeführer vollständig verbüßt, daraufhin folgte seine Entlassung
Die Strafvollstreckungskammer hatte dann durch Beschluss festgestellt, dass Führungsaufsicht eintritt und deren Dauer auf vier Jahre bestimmt wird sowie verschiedene Weisungen erteilt. Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ein.
Der 3. Strafsenat des OLG Hamm ist der Ansicht, dass die Anordnung der Führungsaufsicht rechtmäßig war, jedoch die damit verbundene Weisung aufzuheben sei, da sie über § 68b I Nr. 8 StGB hinausgehe. Eine weitere Weisung sei ebenfalls aufzuheben, da es ihr an hinreichender Bestimmtheit mangele.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Die Weisung geht über § 68 b Abs. 1 Nr. 8 StGB hinaus, indem sie beim Wechsel von Wohnung und Arbeitsstelle statt einer unverzüglichen (nachträglichen) Meldung eine „vorherige Rücksprache mit dem Bewährungshelfer“ fordert. Sofern Weisungen über den Katalog des § 68 b Abs. 1 StGB hinausgehen, müssen sie dem Bestimmtheitsgebot (§ 68 Abs. 1 S. 2 StGB) entsprechen und das verbotene oder verlangte Verhalten genau bezeichnen (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 68 StGB Rdnr. 12).
In diesem Fall aber genüge die vorbenannte Weisung nicht diesem Erforderniss. Denn es sei nach Auffassung des Strafsenats nicht in der „gebotenen Deutlichkeit“ zu ersehen, ob es sich im konkreten Fall um einen Genehmigungsvorbehalt handele oder nicht.
Weiter führt der Strafsenat aus:
„Letztlich bleibt offen, welche konkreten Anforderungen hinsichtlich der Lebensführung durch das Gericht an den Verurteilten gestellt werden. Ausschließlich das Gesetz hat die Befugnis, dem Verurteilten über den Katalog des § 68 b Abs. 1 StGB hinaus weitere Weisungen zu erteilen. Eine Übertragung dieser Befugnis auf Dritte, insbesondere den Bewährungshelfer oder die Führungsaufsichtsstelle, ist nicht nur gesetzlich nicht vorgesehen, sondern dürfte angesichts der Erheblichkeit eines denkbaren Eingriffs in das verfassungsmäßig verbürgte Freiheitsgrundrecht des Verurteilten mit dem Richtervorbehalt nicht im Einklang stehen und sich somit als verfassungswidrig erweisen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15.12.2009 – 3 Ws 485/09 und vom 11.03.2010 – 3 Ws 100/10).
Die Weisung, wonach sich der Verurteilte an Treffpunkten der örtlichen Drogenszene nicht aufhalten und keinen Kontakt zu Personen, die der Drogenszene angehören, unterhalten darf, war mangels hinreichender Bestimmtheit ebenfalls aufzuheben.“
Hinsichtlich dieser Weisungen hob der Strafsenat den Beschluss auf. Im Übrigen verwarf es die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner