gefährliche Körperverletzung

  • BGH, Beschluss vom 10.08.2011, Az.: 2 StR 203/11

    Das Landgericht Frankfurt hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und zugunsten des Nebenklägers auf eine Schmerzensgeldzahlung erkannt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.
    Nach den Feststellungen des Landgerichts stach der Angeklagte beim Verlassen einer Gaststätte dem Nebenkläger mit einem Messer von hinten seitlich in den Hals, weil er sich von diesem bedroht fühlte. Die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten sei bei Tatbegehung durch Schlafmangel und einen vorangegangenen Drogen- und Alkoholkonsum erheblich vermindert, aber nicht aufgehoben.
    Nach Ansicht des BGH, sind die Ausführungen des Landgerichts zur verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten rechtsfehlerhaft.

    „Die Kammer hat nicht bedacht, dass eine lediglich verminderte Einsichtsfähigkeit nicht ohne Weiteres die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt. Bei Feststellung einer nur erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit bleibt offen, ob diese im Einzelfall die Unrechtseinsicht tatsächlich ausgeschlossen hat oder nicht. Der Täter, der trotz generell gegebener verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht gehabt hat, ist voll schuldfähig. Fehlte ihm die Einsicht in das Unrecht seiner Tat, kann § 21 StGB nur angewendet werden, wenn ihm dies vorzuwerfen ist. Kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift § 20 StGB ein mit der Folge, dass eine Bestrafung ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 21, 27, 28 f.; 34, 22, 25 f.; 40, 341, 349; BGH RuP 2006, 101; BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 2 mwN).
    Zu der Frage, ob der Angeklagte zur Tatzeit tatsächlich Einsicht in das Unrecht seines Tuns hatte oder nicht, verhalten sich die Urteilsgründe in nur unzureichender Weise. Der Umstand, dass der Angeklagte in Verkennung der Realität eine Bedrohungssituation wahrnahm und in dieser „panischen Situation“ zustach (UA S. 19), lässt einen Schluss auf das Fehlen der Unrechtseinsicht nicht ohne Weiteres zu. Soweit das Landgericht ausgeführt hat, die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten sei „nicht ausgeschlossen“, da der Angeklagte nach der Tat planvoll gehandelt und die von ihm als bedrohlich empfundene Situation nicht bewusst herbeigeführt habe (UA S. 19), sind dies freilich keine für die Beurteilung der Einsichtsfähigkeit eines Täters geeignete Kriterien.“

    Der BGH stellt klar, dass auf Grundlage der Feststellungen des Landgerichts nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 20 StGB bei dem Angeklagten zur Tatzeit vorlagen.


  • OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.04.2011, Az.: 1 Ws 190/11

    Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Jugendstrafe von 8 Monaten verurteilt. Dabei wurde ihm zunächst die Strafaussetzung gewährt, später aber widerrufen und die Strafe zu 2/3 vollstreckt.

    Der Strafrest wurde mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg zur Bewährung ausgesetzt. Dabei wurde der Verurteilte der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt und es wurde ihm auferlegt, im Anschluss an die Haftentlassung eine Suchttherapie anzutreten und ordnungsgemäß abzuschließen. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgesetzt.

    Der Mann wurde allerdings nach ca. zwei Monaten aus der Therapieeinrichtung disziplinarisch entlassen. Entgegen seiner Angabe, kümmerte er sich in der Folgezeit nicht um einen neuen Therapieplatz. Den Kontakt zur Bewährungshilfe brach er auch ab.
    Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg hat mit Beschluss die Strafaussetzung widerrufen, weil der Verurteilte keinen Kontakt zur Bewährungshilfe aufgenommen hatte und den Nachweis seiner Drogenabstinenz schuldig geblieben sei.
    Gegen diesen Beschluss legte der Verurteilte durch seine Strafverteidigung die sofortige Beschwerde ein. Begründet hat er diese insbesondere mit seinem Lebenswandel. So habe er seit der Entlassung keine Straftat mehr begangen und sein Leben grundlegend geändert. Dies zeige sich vor allem darin, dass er den Kontakt zu seinem früheren Umfeld abgebrochen hat, drogenfrei lebe und seine Ausbildung fortsetze.

    Die Strafverteidigung hatte Erfolg, auf die Beschwerde des Betroffenen hat das OLG Oldenburg den Widerruf aufgehoben:

    „Nach dem vom Senat eingeholten aktuellen Strafregisterauszug hat der Verurteilte seit dem 20. Januar 2007 – mithin seit über 4 Jahren und damit auch in der Bewährungszeit – keine Straftat mehr begangen. Auch von neuen Ermittlungsverfahren ist nichts bekannt; Anklagen o. ä. sind zu dem vorliegenden Verfahren nicht mitgeteilt worden. Dies spricht für die Richtigkeit der Angaben des Verurteilten, er habe seine Lebensführung positiv verändert. Jedenfalls besteht kein ausreichend tragfähiger Anhaltspunkt, von etwas anderem auszugehen, zumal gerade vor dem Hintergrund seiner früheren Drogenabhängigkeit ansonsten neue Betäubungsmittel- oder Beschaffungsdelikte des Verurteilten kaum ausgeblieben wären.
    Eine Besorgnis künftiger Straftaten kann auch nicht tragfähig daraus abgeleitet werden, dass der Verurteilte die ihm auferlegte Therapie nicht durchgestanden und eine neue nicht begonnen hatte. Nachdem dieses Verhalten von der Strafvollstreckungsbehörde und der Strafvollstreckungskammer letztlich ohne Konsequenzen hingenommen wurde, kann – jedenfalls bei dem sonstigen jetzigen Erkenntnisstand – darauf nunmehr nicht mehr rekurriert werden. Auch dass der Verurteilte sich keinen Urinkontrollen unterzogen hat, reicht nicht aus, um eine derzeit gegebene Gefahr neuer Straftaten zu bejahen, zumal dem Verurteilten solche Kontrollen im Bewährungsbeschluss nicht auferlegt worden waren.
    Da kein Widerrufsgrund vorliegt, stellt sich nicht die Frage nach einer Verlängerung der Bewährungszeit oder anderen ausreichenden Maßnahmen im Sinne von § 56f Abs. 2 Satz 1 StGB, vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 56f Rdn. 14. Jedoch hat der Senat in Anwendung von § 56e StGB die Therapieweisung und die Bewährungshilfeunterstellung aufgehoben, die nach dem derzeitigen Stand der Bewährung und auch in Hinblick auf den Ablauf der Bewährungszeit bereits im Juli 2011 nicht mehr zielführend sind.“

    Damit stellt das OLG klar, dass für einen Widerruf der Strafaussetzung nach §§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; 57 Abs. 5 Satz 1 StGB Anlass zur Besorgnis bestehen müsse, dass erneut Straftaten begangen werden. Das LG kann den Widerruf aber nicht damit begründen, dass die im Bewährungsbeschluss auferlegte Drogentherapie abgebrochen wurde oder nicht ausreichende Kontakt zur Bewährungshilfe gehalten wurde, da der Verurteilte seinen positiven Lebenswandel dargelegt hat.

    Das OLG Oldenburg hob daher den mit der sofortigen Beschwerde angegriffenen Beschluss auf und der Beschwerdeführer muss nicht ins Gefägnis, da keine Widerrufsgrund der Strafaussetzung zur Bewährung vorliegt.


  • Das LG verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des AG Essen-Steele und des AG Essen und Auflösung der im Beschluss des AG Essen gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr sowie wegen Vergewaltigung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren.

    Dagegen wandte sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.

    Die Strafverteidigung hatte vor dem 4. Strafsenat des BGH hinsichtlich der Strafhöhe Erfolg. Dieser hob auf die Revision das Urteil in der Strafzumessung auf:

  • Der Angeklagte Y. ist vom Amtsgericht Berlin Tiergarten wegen „Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten“ verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Mit der hiergegen gerichteten Revision hat er Erfolg.

    Wie das Amtsgericht festgestellt hat, ging der Angeklagte zusammen mit dem befreundeten Angeklagten S. am 1. Mai 2008 von einem Fest in Berlin nach Hause zurück als sie im Stadtteil B.-K. auf eine Gruppe von 150-200 Demonstranten trafen, die sich Auseinandersetzungen mit Polizeibeamten lieferte. Der Angeklagte Y. trug zu diesem Zeitpunkt eine Glasflasche in der Hand, die er sodann in Richtung Polizeibeamte warf und dabei zumindest billigend in Kauf nahm, damit einen Polizeibeamten zu treffen. Ob ein Beamter durch diese Glasflasche verletzt wurde, war nicht mehr festzustellen.

  • Der Angeklagte M ist vom Landgericht wegen der versuchten schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Gegen den Angeklagten W ist eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten festgesetzt und „unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus einer Vorverurteilung und unter Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt“ worden.

    Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

    Der Angeklagte W. hatte sich in eine Frau verliebt, die in Bordellen ihres Zuhälters Ma. arbeitete, nachdem er sie zum Zweck der sexuellen Ausbeutung aus Russland nach Deutschland locken konnte. W. wollte mit der Frau eine gemeinsame Zukunft aufbauen und wollte sie deshalb für 10.000 Euro bei ihrem Zuhälter „freikaufen“. Im Gegenzug sollte dieser dem Angeklagten W. ihren russischen Reisepass aushändigen.

  • Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen der „versuchten gemeinschädlichen Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie der vorsätzlichen Brandstiftung für schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung zweier Urteile des Amtsgerichts Eisleben zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt“ worden. Gegen das Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof und konnte einen Teilerfolg erzielen.

    Der Angeklagte rügt in seiner Revision einzelne Verfahrensfehler. In dem einbezogenen Urteil des AG Eisleben wegen unter anderem der gemeinschaftlichen und mit den beiden Mitangeklagten begangenen gefährlichen Körperverletzung wurden die Verfahren abgetrennt und der Angeklagte und sein Verteidiger im Hauptverhandlungstermin vom 3. Juli 2008 für die Dauer der Vernehmung weiterer Zeugen beurlaubt. Jedoch wurden in Abwesendheit des Angeklagten und seines Verteidigers Umstände erörtert, die auch den Angeklagten betrafen. Danach liegen die Voraussetzungen einer Beurlaubung nicht vor.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    “Nach dieser Vorschrift besteht die Möglichkeit der Beurlaubung nur für einzelne Teile der Verhandlung, von denen der zu beurlaubende Angeklagte und sein Verteidiger „nicht betroffen“ sind. Letzteres trifft nur zu, wenn auszuschließen ist, dass die während der Abwesenheit des Angeklagten behandelten Umstände auch nur mittelbar die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berühren. Auch wenn der Verhandlungsteil nur für den Ausspruch über eine Rechtsfolge für den Angeklagten von Bedeutung ist, wird dieser von ihm betroffen (Gmel in KK-StPO 6. Aufl. § 231 c Rdn. 4; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 231 c Rdn. 12; jew. m.N.).“

    Angesichts dessen war die Beurlaubung für den Termin der Hauptverhandlung nach Auffassung des Strafsenats nicht statthaft. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Verteidiger den Antrag gestellt hat:

    „Dies folgt bereits aus dem Wesen der Einbeziehung des früheren Urteils gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG. Zwar sind der Schuldspruch des früheren Urteils und die ihn tragenden Feststellungen für das einbeziehende Gericht grundsätzlich bindend und ist deshalb auch eine vollständige oder teilweise Wiederholung der Beweisaufnahme über Umstände, die Gegenstand des früheren Verfahrens gewesen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Eisenberg JGG 13. Aufl. § 31 Rdn. 37 und 58). Dies schließt aber ergänzende Feststellungen, die zu den im früheren Verfahren getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus. Im Übrigen ist das einbeziehende Gericht hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs nicht an die Feststellungen im früheren Urteil gebunden, sondern es hat unter zusammenfassender eigen-ständiger Würdigung der in dem früheren Urteil festgestellten und der neuen Straftaten auf eine sämtliche Straftaten gerecht werdende Rechtsfolge zu erkennen (vgl. Eisenberg aaO Rdn. 38 m.N.).“

    Der Angeklagte war von der Beweisaufnahme in dem Verfahren wegen der gefährlichen Körperverletzung betroffen und insofern musste die Möglichkeit des Angeklagten bzw. seines Verteidigers bestanden haben, die Beweisaufnahme zu verfolgen und sich hierzu in der Hauptverhandlung äußern zu können.

    Somit war nach Auffassung des Strafsenats die Anwesendheit des Angeklagten und seines Strafverteidigers während diesem Teil der Verhandlung zwingend erforderlich. Dieses führt zum absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO und folglich zur Aufhebung des Strafausspruchs.

    4. Strafsenat des BGH, Az.: 4 StR 609/08

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