HIV

  • Bei einem geringen Tatverdacht ist die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung einer HIV-Infizierung unverhältnismäßig.

    Die Beschuldigten wurden verdächtigt, dass sie durch ungeschützten Geschlechtsverkehr den Anzeigeerstatter mit HIV infizierten. Der Anzeigeerstatter erhielt die Diagnose nach einer Blutspende. Die Beschuldigten bestritten selbst HIV-Positiv zu sein. Der Mann konnte jedoch glaubhaft machen, dass er sich nicht anders infiziert haben konnte. Deswegen ordnete das Amtsgericht Aurich gegenüber den beiden Beschuldigten gemäß § 81a StPO die Entnahme einer Blutprobe und dem Vergleich der Virussubtypen an. Die Beschwerde richtet sich gegen diese Beschlüsse.

    Das Landgericht Aurich (LG Aurich) sieht die Voraussetzungen des § 81a StPO als nicht gegeben an. So sei die Blutentnahme nicht „von Bedeutung“ im Sinne des § 81a Abs. 1 Satz 1 StPO, ebenfalls wäre die Blutentnahme darüber hinaus unverhältnismäßig angesichts der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gemäß Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.

    So kritisiert das Landgericht, dass der Anzeigeerstatter selbst noch gar keinen positiven HIV-Test vorgewiesen habe. Zusätzlich würden positive Ergebnisse bei den Beschuldigten auch nicht belegen, dass diese den Anzeigeerstatter angesteckt hätten. Ebenfalls hätten die Beschuldigten für eine vom Vorsatz umfasste Straftat von ihrer Infektion auch selber wissen müssen, was jedenfalls durch einen Test ebenfalls nicht zu belegen sei.

    Somit kommt, wenn überhaupt, nur eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinne des § 229 StGB in Betracht. Aber auch hier ergeben sich schon bedenken, ob ein HIV-Test für den Nachweis überhaupt geeignet sein kann. Immerhin kann die Infektion auch anders erlangt worden sein. Zusätzlich wäre die Anordnung auch nicht angemessen:

    „Das hierbei zu berücksichtigende Individualinteresse an der Nichtaufklärung über die eigene Infektiosität hat zwar grundsätzlich dem höherwertigen Rechtsgut „Gesundheitsschutz der Allgemeinheit“ zu weichen (Mayer JR 1990, 358, 360; Penning/Spann, MedR 1987, 171, 173). Im Anwendungsbereich der §§ 81a, 81c StPO ist der Gesundheitsschutz der Allgemeinheit im Hinblick auf die Zulässigkeit des Eingriffs indes kein zu beachtendes Rechtsgut; gegenüber den Grundrechten des von dem Eingriff Betroffenen – hier der Beschuldigten – auf Schutz der Privat- und Intimsphäre nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und der körperlichen Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darf – wenn es um die Zulässigkeit des Eingriffs geht – lediglich das Aufklärungsinteresse des Staates an Straftaten in die Abwägung einbezogen werden (zutreffend Mayer JR 1990, 358, 360 m.w.N.).“

    Darüber hinaus gibt das Landgericht zu bedenken, dass alleine die Kenntnis einer möglichen HIV-Infektiosität bei den Beschuldigten eine schwere seelische Beeinträchtigung bis hin zur Suizidalität auslösen könnte. Aufgrund aller dieser Umstände hat die Beschwerde Erfolg und die Beschlüsse des Amtsgericht Aurich zur Entnahme einer Blutprobe werden aufgehoben.

    LG Aurich, Beschluss vom 30. Juli 2012, Az.: 12 Qs 97/12

    Nachtrag/Anmerkung: 17.01.2015 (fob):

    Die amerikanische Forensik scheint bezüglich der HIV-Forschung und -Nachweise bereits ein bisschen weiter zu sein. Medienberichten zu Folge soll es in den USA (Texas) durchaus bereits gelungen sein, unbeabsichtigte und sogar eine beabsichtigte HIV-Infektion durch Übertragung des HIV-Virus mit Hilfe einer Spritze nachzuweisen. Basierend auf DNA-Studien soll es den amerikanischen Wissenschaftlern gelungen und wiederholbar möglich sein, genspezifische Weiterentwicklungen von Spender- und Empfänger-Virus so eindeutig nachzuweisen, dass eine Fremdansteckung nahezu vollständig ausgeschlossen werden kann und konnte.

    Bei Kenntnis der offenbar (doch) recht eindeutigen Nachweismöglichkeit für die Vererbungskette des (gleichen) HIV-Virus im Blut des Spenders und Empfängers, wäre das Landgericht Aurich möglicherweise (heute) zu einem anderen Urteil gekommen, da die Blutentnahme dann vermutlich sehr wohl „von Bedeutung“ gewesen wäre.

  • Das Amtsgericht Darmstadt hat die „No Angels“-Sängerin Nadja Benaissa zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Als Auflage wurden ihr 300 Stunden gemeinnützige Arbeit auferlegt. Nach Ansicht des Gerichts ist während des Prozesses nachgewiesen worden, dass Benaissa einen ehemaligen Sexualpartner durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit HIV infiziert habe.

    Das Gericht wertete es als erheblich strafmildernd, dass Benaissa zu Beginn des Prozesses ein umfangreiches Geständnis abgelegt habe. Dadurch habe sie zu verstehen gegeben, dass sie um ihr Fehlverhalten wisse und die Verantwortung übernehmen wolle.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt vom 27.08.2010, S. 30 )

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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