in dubio pro reo

  • Im Berufungsprozess vor dem Landgericht Aurich ging es um einen schweren sexuellen Missbrauch an einer widerstandsunfähigen Person in der Kaserne in Leer. Ein 26-jähriger, ehemaliger Soldat soll eine Soldatin sexuell missbraucht haben. Die Zeugin sagte aus, dass sie nach einer Feier betrunken eingeschlafen sei. Als sie wieder aufwachte, spürte sie Schmerzen im Unterleib und sah den Angeklagten, wie er sie im Intimbereich berührte. Die Soldatin soll einem weiteren Kameraden später per SMS mitgeteilt haben, dass der jetzige Angeklagte sie vergewaltigt hätte.

    Die gynäkologische Untersuchung stellte Blutspuren und eine Verletzung im Genitalbereich fest. Spermaspuren wurden nicht gefunden. Unter den Fingernägeln des Angeklagten fand sich DNA der Soldatin. Die Gerichtsmedizin geht von einem maximalen Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille beim Angeklagten und 0,5 Promille bei dem mutmaßlichen Opfer aus.

    Die Strafverteidigung ging dagegen von einvernehmlichen sexuellen Handlungen aus. Da der Angeklagte jedoch in einer Beziehung sei, erkannte dieser später, er würde diese aufs Spiel setzten, wenn er weiter machen würde. Daraufhin brach er sein Handeln und den sexuellen Kontakt ab und kleidete die Soldatin wieder an. Vor allem dieses Verhalten spreche, so die Verteidigung, gegen eine Vergewaltig, da er mit dem Ankleiden das Aufwecken der Frau riskierte. Daher forderte die Strafverteidigung auch einen Freispruch.

    Die Staatsanwaltschaft sah dagegen den schweren sexuellen Missbrauch an einer widerstandsunfähigen Person als gegeben an und forderte zwei Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe. Die Anwältin der Nebenklägerin forderte eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Das Gericht stellte dagegen fest, dass die Schilderungen aller Beteiligten sehr weit auseinander gehen würden. Eine Gewissheit was genau in der Tatnacht geschah, konnte das Gericht nicht aufklären. Aus diesem Grund war der Angeklagte nach dem „In dubio pro reo“-Grundsatz freizusprechen.


    Autor des Beitrags ist Rechtsanwalt für Strafrecht & Strafverteidiger Dr. Böttner, Anwaltskanzlei aus Hamburg und Neumünster. Weitere Gerichtsentscheidungen und allgemeine Informationen zum Strafrecht und der Strafverteidigung finden Sie auf der Kanzlei-Homepage.

  • Das Landgericht Verden hat rechtsfehlerfrei die Tat gewürdigt.

    Einem Angeklagten wurde vorgeworfen, am 23. August 1987 eine 16-Jährige ermordet zu haben. Nach einem ersten Freispruch vor dem Landgericht Stade hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil nach Revision der Staatsanwaltschaft auf und verwies die Sache an das Landgericht Verden. Aber auch das Landgericht Verden kam zur Überzeugung, dass der Angeklagte nicht der Täter sei, und sprach ihn ebenfalls frei. Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil erneut Revision ein.

    Der Angeklagte räumte ein, dass er in seinem Fahrzeug mit dem Opfer Sex gehabt hätte. Anschließend fuhr er jedoch zurück zu einer Diskothek und verbrachte ab 1:45 Uhr die restliche Nacht mit einer anderen Frau. Das spätere Opfer wurde von Zeugen noch um 2:00 Uhr und 2:30 Uhr lebend gesehen. Am nächsten Morgen wurde sie erstochen aufgefunden.

    Der Freispruch des Landgerichts stützt sich vor allem auf das Alibi des Angeklagten. Die gefundenen DNA-Spuren am Fesselmaterial könnten durch eine Sekundärübertragung verursacht worden sein. Auch sonstige Spuren können den Angeklagten der Tat nicht überführen. Das Landgericht ging daher davon aus, dass ein bislang unbekannter Täter die Frau getötet habe.
    Der BGH stellt zum Beginn seines Urteils klar, dass das Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler prüft. Die Beweiswürdigung unterliegt dagegen alleine dem Tatrichter. Das Landgericht hat sich nach Auffassung des BGH ausführlich und rechtsfehlerfrei mit den Aussagen der Zeugen beschäftigt. Deswegen sei solch ein Rechtsfehler nicht zu erkennen.

    Die Staatsanwaltschaft hat Recht, wenn sie kritisiert, dass das Landgericht den „in dubio pro reo“-Grundsatz auf jedes Beweismittel einzeln angewendet habe. Der Grundsatz sei nämlich erst am Ende bei der Gesamtwürdigung der Tat zu berücksichtigen. Jedoch hätte das Landgericht vorbildlich am Ende alle be- und entlastende Umstände dargestellt, so dass es darauf nicht ankäme. Auch bezüglicher der DNA-Spuren hat das Landgericht mehrere Sachverständige gehört. Ebenfalls berücksichtigte das Landgericht zutreffend, dass zur damaligen Zeit noch keine Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von Sekundärübertragungen getroffen wurden.

    „Die vom Landgericht mit Blick auf diese Umstände gezogenen Schlüsse sind möglich; darauf, ob sie naheliegend oder gar sicher sind, kommt es für die revisionsrechtliche Beurteilung nicht an.“

    Auch bei weiteren Umständen, wie teilweise fehlerhafte Ortsangaben des Angeklagten und weitere mögliche Tatalternativen hat das Landgericht, nach Meinung des BGH, nachvollziehbar argumentiert. Insgesamt hält der BGH die Beweiswürdigung des Landgerichts für rechtsfehlerfrei. Auch hätte die Strafkammer nicht ein überzogenes Maß für die richterliche Überzeugung angelegt:

    „Die Urteilsgründe geben keinen begründeten Anlass zu der Besorgnis, das Landgericht habe zu hohe Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt. Die Beweiswürdigung lässt vielmehr insgesamt deutlich erkennen, dass die Strafkammer sich des Maßes der für eine Verurteilung notwendigen richterlichen Überzeugung bewusst war.“

    Somit gibt es keine Bedenken an dem Freispruch des Landgerichts. Deswegen hatte die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg.

    BGH, Urteil vom 16. August 2012, Az.: 3 StR 180/12


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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