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  • 2. Strafsenat des HansOLG Hamburg, Az.: 2-27/09

    Das AG Hamburg-Harburg hat den wegen Verbreitung, Besitz und Erwerb pornographischer Schriften Angeklagten freigesprochen. Dabei hat das festgestellt, dass sich der Angeklagte an 16 verschiedenen Tagen auf dem Bildschirm seines Computers online mindestens 18 Bilddateien und eine Videodatei mir kinderpornographischem Inhalt angesehen hat. Die Dateien zeigten Abbildungen von Kindern im Alter zwischen 3 und 11 Jahren, die an sexuellen Tätigkeiten beteiligt waren (Vaginal-, Oral-, Anal- und Handverkehr mit und an Erwachsenen; an eigenen Geschlechtsorganen oder denen von Erwachsenen manipulieren; vor Erwachsene sexuelle Tätigkeiten ausüben). Der Angeklagte hatte im Internet gezielt nach dem einschlägigen Material gesucht und E-Mails mit Links auf Seiten mit kinderpornographischem Inhalt oder Lockangebote empfangen. Der Angeklagte vergrößerte die kleinen „Vorschaubilder“ (Thumbnails) durch deren Anklicken. Die fraglichen Dateien wurden automatisch im Cache-Verzeichnis auf der Festplatte des Computers des Angeklagten abgelegt und waren dadurch für den Angeklagten jederzeit abrufbar. Dies war dem Angeklagten nicht bewusst. Zudem nahm der  Angeklagte keine gesonderte manuelle Speicherung der Dateien vor und hatte eine solche zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt.
    Diese Feststellungen stütze das AG auf ein als glaubhaft gewertetes Geständnis des Angeklagten. Nach Ansicht des AG sei es nicht erbringbar gewesen, dem Angeklagten einen Vorsatz für die Speicherung der Datei oder das Wissen um die Funktion des Internet-Cache nachzuweisen.
    Nach der Wertung des AG werde durch das Surfen und Internet und dem gezielten Betrachten von Seiten mit kinderpornographischem Inhalt kein Besitz im Sinne des § 184b IV StGB begründet. Es fehle das tatsächliche Herrschaftsverhältnis von nicht nur unerheblicher Dauer. Da der Angeklagte keinen über das bloße Ansehen hinausgehenden Willen gehabt habe, fehle es an dem Unternehmen einer Besitzerlangung. Zwar habe er durch das automatische Abspeichern im Internet-Cache Besitz an den Bildern erlangt, jedoch fehle es an dem entsprechenden Besitzwillen.
    Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil Revision ein.

    Der 2. Strafsenat erachtet die Revision der Staatsanwaltschaft als erfolgreich. Der Freispruch beruhe auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung hinsichtlich der Frage, ob der Angeklagte eine Videodatei gezielt gespeichert hat sowie der subjektiven Tatseite bezüglich Funktion und Existenz des Internet-Cache. Ferner sei die Subsumtion des Aufrufens und Betrachtens unter § 184b IV 1 StGB fehlerhaft.

    Aus dem Wortlaut des Urteils:

    „Die Beweiswürdigung des Tatrichters unterliegt einer nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfung. Sie ist rechtsfehlerhaft insbes. dann, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche tatrichterliche Gewissheit stellt. Eine Beweiswürdigung ist lückenhaft, wenn nicht alle aus den Urteilsgründen ersichtlichen Umstände, die Schlüsse zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten zulassen, gewürdigt sind. Das ist insbesondere gegeben, wenn eine naheliegende Erklärungsmöglichkeit für einen gegenteiligen Schluss außer Acht gelassen worden ist.

    Das AG geht, rechtlich zutreffend, davon aus, dass ein vom Täter gezielt vorgenommenes Abspeichern einer Bild- oder Videodatei dem Tatbestandsmerkmal des Unternehmens, sich den Besitz an der Datei zu verschaffen, nach § 184b IV 1 StPO unterfällt.
    Das AG geht hingen rechtlich unzutreffend davon aus, die automatische Abspeicherung und Aufrufbarkeit der Dateien im Internet-Cache begründe objektiv Besitz i.S.d. § 184b IV StGB; es sieht jedoch den Nachweis eines diesbezüglichen Besitzbegründungswillens für nicht geführt.

    Nach § 184b IV StGB wird bestraft, wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben oder wer solche Schriften besitzt.
    Zutreffend hat das AG die 18 Bilddateien und eine Videodatei als kinderpornographische Schriften i.S.v. § 184b IV i.V.m. § 11 III StGB bewertet.
    Mit dem festgestellten Aufrufen der Dateien aus dem Internet, dem damit verbundenen Herunterladen in den Arbeitsspeicher zum Betrachten der Bilder sowie dem, zumal regelmäßig unter gezielter Vergrößerung erfolgen, Betrachten der Bilder auf dem Bildschirm hat der Angeklagte es i.S.d. § 184b IV 1 StGB unternommen, sich Besitz an den Dateien zu verschaffen.
    Damit hat der Angeklagte entgegen der Auffassung des AG schon auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen den Straftatbestand nach § 184b IV StGB objektiv sind subjektiv erfüllt.“

    Der Senat verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.


  • Vor dem Kammergericht Berlin findet derzeit ein Verfahren gegen zwei türkischstämmige Deutsche statt, denen vorgeworfen wird, dass sie Werbung gemacht und finanzielle Unterstützung für die Vereinigungen „Islamistische Dschidhad-Union“ und „Deutsche Taliban Mujahideen“ geleistet haben sollen. Die 21jährigen und 29jährigen Angeklagten haben von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und sich vor Gericht nicht zu ihrer Tat geäußert.
    Nach Auffassung der Generalbundesanwaltschaft haben die beiden Angeklagten die Vereinigungen „Islamistische Dschidhad-Union“ und „Deutsche Taliban Mujahideen“ unterstützt, indem sie werbende Videos und Botschaften im Internet veröffentlicht haben. Zudem sollen sie Gelder in Höhe von 2450 Euro überwiesen haben.
    (Kammergericht Berlin, Pressemitteilung Nr. 52/2010 vom 04.11.2010)

  • Die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger plant ein Gesetz gegen Internet-Kostenfallen. Der Entwurf sieht vor, dass nur derjenige zahlen müsse, der die Kosten auch kenne. So sollen die Anbieter verpflichtet werden, mit einem deutlichen Hinweis über den genauen Preis zu informieren. Die Zahlungsverpflichtung soll dann erst durch anklicken den entsprechenden Feldes und der Bestätigung der Zahlungsmodalitäten bestätigt werden.

    Derartige Verschärfungen gab es bereits im Bundesdatenschutz Gesetz und bei der Bestätigung von AGBs im Internet.
    (Quelle: FAZ vom 30.10.2010 Nr. 253, S. 4)

  • Ein Softwareunternehmen, das eine Vielzahl an Computerspielen herstellt, produziert und vertreibt, erstatte einen Tag vor Veröffentlichung eines neuen Computerspiels Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verletzung ihrer ausschließlichen Urheberrechte. Als Beweis führte das Unternehmen einige Screenshots an, die Raubkopien des Spiels in einem so genannten Perr-to-Peer-Netzwerk zeigten und von Nutzern bereitgestellt wurden.

    Der Generalstaatsanwalt wies die Beschwerde in zwei ähnlich gelagerten Fällen ab und begründete dies damit, dass der genaue Zusammenhang zwischen dem Werk, an dem das Softwareunternehmen das Urheberrecht genießt, und den Dateien im Netzwerk fehle. Zudem sei der Tatverdacht mittels IP-Adresse, der Internetverbindung und Screenshots aus dem Filesharing-Netzwerk als „nur gering“ einzustufen.

    Entscheidend sei aber, dass es sich beim einmaligen „Download“ einer Datei, insbesondere vor dem Hintergrund der kindlichen Internetnutzung, um ein Massenphänomen handele, das zudem keinen verhältnismäßig großen Schaden darstellt:

    Abgesehen davon, dass die unerlaubte Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken gemäß § 106 UrhG kein Vermögensdelikt und der Eintritt eines Schadens für den Tatbestand irrelevant ist, erleidet der Rechteinhaber keine Einbuße seines vorhandenen Vermögens, sondern allenfalls den Verlust eines zusätzlichen Vermögenszuwachses, der nur dann schadensrelevant sein könnte, wenn ohne die Tat tatsächlich eine Vermögensmehrung zu erwarten gewesen wäre. Dies wäre indes in Anbetracht der überwiegenden Tätergruppe kindlicher und jugendlicher Nutzer – das Spiel ist mit der Altersfreigabe 12 Jahre versehen – und deren niedrigen Wirtschaftskraft nicht einmal in der Höhe des empfohlenen Verkaufspreises anzunehmen. [..]. Der Umstand, dass es sich bei den in Rede stehenden Urheberrechtsverletzungen um ein Massenphänomen handelt, veranlasst im Hinblick auf den geringen persönlichen Schuldvorwurf des einmaligen Downloads ebenso wenig wie etwa bei dem Massendelikt Ladendiebstahl zwingend die Aufnahme von Ermittlungen, erst Recht nicht, wenn – wie in den Fällen der Tauschbörsenteilnahme allgemein und bei dem hier relevanten Werk – in erster Linie eine jugendliche Klientel betroffen ist, deren Strafverfolgung die Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte nicht zulässt.

    Das Urteil verdeutlicht die Problematik der Strafverfolgung der „Internet-Piraterie“. Auf der einen Seite handelt es sich hierbei in der Tat um ein Massenphänomen mit zumeist Jugendlichen, die die Werke für sich selbst und dem privaten Gebrauch herunterladen, auf der anderen bereitet die genaue Nachverfolgung der Daten und Verbindung bis hin zum Internetanschluss-Besitzer erhebliche Schwierigkeiten. Höchstrichterliche Entscheidungen stehen noch aus, ein erster Fingerzeig könnte jedoch dieser Bescheid vom 11.3.2009 sein.

    Aktenzeichen der Beschlüsse:
    2 Zs 734/09
    2 Zs 735/09
    Az: 2 Zs 734/09 und 2 Zs 735/09 (Generalstaatsanwaltschaft Hamm, Bescheid vom 11.3.2009)

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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