Jugendstrafrecht

  • Die schwerste Sanktionsform im Jugendstrafrecht ist die Jugendstrafe. Die Jugendstrafe greift dann, wenn Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel aufgrund von schädlichen Neigungen oder der schwere der Schuld nicht (mehr) ausreichen. Sie entspricht im Großen und Ganzen der Freiheitsstrafe bei Erwachsenen. Die Voraussetzungen zur Anordnung der Jugendstrafe sind jedoch deutlich strenger.

  • Die Strafwürdigkeit der Delikte, die im Strafgesetzbuch (StGB) unter Strafe gestellt werden, gilt grundsätzlich für alle strafmündigen Menschen. Nach dem StGB ist strafmündig, wer das 14. Lebensjahr vollendet hat.

  • Eine erstmalige Anwendung von „Erwachsenenstrafrecht“ kann einen minder schweren Fall begründen.

    Der Angeklagte wurde wegen gemeinschaftlichen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht Saarbrücken hat die Annahme eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB verneint, da die gesamte Tatausführung, einschließlich aller subjektiven Momente, vom Durchschnitt der gewöhnlichen Fälle nicht erheblich abweiche.

    Dagegen richtet die Strafverteidigung die Revision.

  • Eine lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht grundsätzlich nicht aus.

    Das Landgericht Düsseldorf hat einen 18-Jährigen wegen besonders schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dagegen richtete die Strafverteidigung des Angeklagten die Revision. So hätte das Landgericht die schädlichen Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
    Dem schließt sich auch der BGH grundsätzlich an. Zur schädlichen Neigung führt der BGH aus:

    „Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch unter Umständen verborgen, angelegt waren. Sie müssen schließlich auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. März 1992 – 1 StR 105/92, BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5).“

    Die Jugendkammer führte die Vorbelastungen des Angeklagten auf. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um einen Diebstahl und eine Sachbeschädigung, von deren Verfolgung gemäß § 45 Abs. 1 bzw. Abs. 2 JGG abgesehen wurde. Zusätzlich gab es noch eine Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte im Rahmen einer Identitätsfeststellung. Dies reicht dem BGH nicht aus, um eine schädliche Neigung anzunehmen. Auch bezüglich der Strafzumessung hat der BGH Bedenken:

    „Der Erziehungsgedanke findet sodann Erwähnung lediglich in der nicht näher substantiierten Wendung, die verhängte Strafe sei „erzieherisch geboten“ und eine geringer bemessene Strafe sei nicht geeignet, „dem Nacherziehungsbedarf des Angeklagten wirksam Rechnung zu tragen“. Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht grundsätzlich nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281).“

    Die Revision hatte damit Erfolg. Aus diesem Grund wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012, Az.: 3 StR 238/12


  • Der Mordfall Lena ging wochenlang durch alle Medien und sorgte für viel Wirbel. Das elfjährige Mädchen wurde in einem Parkhaus in Emden am 24. März vergewaltigt und anschließend ermordet. Eine ganze Stadt trauerte und zeigte sich bestützt über diese Tat.

    Gegen den 18-jährigen Beschuldigten ist nun die Anklage erhoben worden von der Staatsanwaltschaft Aurich. Der Beschuldigte befindet sich seit dem 1. April in der Untersuchungshaft und soll zudem bereits Ende des vergangenen Jahres versucht haben, eine Joggerin zu vergewaltigen. Diese konnte sich jedoch gewaltvoll wehren und dem Täter entkommen.

  • Das Landgericht Rostock hat den zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alten Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen verteidigt sich der Angeklagte mit seiner Revision.

  • Das Landgericht Mönchengladbach hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen“ versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und „gemeinschaftlichen“ Mordes in Tateinheit mit „gemeinschaftlichem“ Raub mit Todesfolge zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.

  • Das Landgericht Hildesheim hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Er war zur Tatzeit 17 Jahre alt.

    Seine Revision hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

  • Vor der Jugendkammer des Landgerichts Saarbrücken muss sich ein 15-jähriger Jugendlicher verantworten. Ihm wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen.
    Laut Anklage habe er einen 17-jährigen Jugendlichen mit der Faust gegen den Kopf geschlagen. Dieser war bewusstlos und verstarb später im Krankenhaus an einer Hirnblutung. Dem ging voraus, dass das Opfer Mädchen Alkohol und Drogen angeboten hatte.
    Der Angeschuldigte gestand die Tat. Er hat bereits zuvor in zwei Fällen andere mit Tritten und Schlägen verletzt.
    Das Gericht muss über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Im Falle einer Verurteilung droht dem Jugendlichen sogar eine Jugendstrafe.

    ( Quelle: Tageblatt online vom 11.10.2011 )


  • BGH, Beschluss vom 20.07.2011, Az.: 2 StR 293/11

    Das Landgericht Meiningen hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in sechs Fällen unter Einbeziehung zweier weiterer Strafen aus einer aufgelösten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Mann hatte nach den Feststellungen des Gerichts mit dem 13-jährigen Tatopfer ungeschützten Geschlechtsverkehr. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Der BGH bestätigte den Schuldspruch, äußerte aber Bedenken gegen die Strafzumessung.

    „Dagegen begegnet die Strafzumessung rechtlichen Bedenken, soweit die Strafkammer für die einzelnen Taten Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und acht Monaten verhängt hat. Diese Differenzierung im konkreten Strafmaß hat die Strafkammer, die lediglich allgemeine, für alle Taten gleichermaßen geltende Strafzumessungserwägungen angestellt hat, nicht begründet; sie ergibt sich – sieht man von der Tat ab, die zur Schwangerschaft geführt hat und bei der ein erhöhter Unrechts- und Schuldgehalt anzunehmen ist – auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Der Senat kann daher nicht überprüfen, wie das Landgericht zu den verhängten Strafen gekommen ist, und hebt alle Einzelstrafen auf.“

    Der BGH sah es folglich als problematisch an, dass das Landgericht die Strafhöhe der sechs Taten des Angeklagten so differenziert bewertet hat. Die Berechnung der jeweiligen Strafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und acht Monaten sind für den BGH nicht nachvollziehbar, da (abgesehen von einer Tat) alle Taten einen ähnlichen Unrechts- und Schuldgehalt aufweisen. Daher hat der BGH die Einzelstrafen aufgehoben, was zum Wegfall der Gesamtstrafe führt. Die Sache wurde aufgrund der insweit erfolgreichen Revision im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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