Messer

  • BGH, Beschluss vom 04.05.2011, Az.: 5 StR 65/11

    Das Landgericht Kiel hat den nach einem Verkehrsunfall dauerhaft arbeitsunfähigen Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und das asservierte Tatmesser eingezogen. Gegen die Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
    Die 15 Jahre jüngere Ehefrau des Angeklagten wollte sich seit spätestens Herbst 2008 scheiden lassen. Im August 2009 lerne die Frau das spätere Tatopfer kennen und begann eine Beziehung mit ihm zu führen. Nach einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Frau, nahmen  Polizeibeamte den Mann mit und brachten ihn in die Psychiatrie, wo er stationär behandelt wurde.
    Um das Sorgerecht zu klären, vereinbarte er einige Zeit später einen „Gesprächstermin“ mit seiner Frau. Dazu nahm er ein Küchenmesser mit, welches eine Klingenlänge von ca. 20 cm hatte.
    Als die Frau während des Gesprächs kurz das Zimmer verließ, ging der Angeklagte auf den neuen Mann seiner Frau los. Der Angeklagte hatte mit dem mitgebrachten Messer eine mindestens 25 cm tief in den Oberkörper eindringende Verletzung zugefügt, in deren Folge es zu Verletzungen der Leber, des Dünndarms, der Milzvene und einer Nierenvene sowie der rechten Beckenschlagader kam. Darüber hinaus stach der Angeklagte in die linke Brustseite, was zu einer Verletzung der Lunge führte, und fügte ihm zwei weitere Stichverletzungen im Bereich der Extremitäten zu. Aufgrund der Verletzungen verstarb der Mann am folgenden Morgen im Krankenhaus.

    Das Landgericht bejahte das Merkmal Heimtücke und nach Anhörung eines Sachverständigen die volle Schuldfähigkeit.
    Der BGH sah die Festellungen und Schlussfolgerungen des Landgerichts im Hinblick auf das Mordmerkmal Heimtücke und eine mögliche Schuldunfähgikeit als nicht ausreichend an und gab der Revision insoweit statt:

    „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Arglos ist ein Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs weder mit einem lebensbedrohlichen, noch mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet (BGH, Urteil vom 26. November 1986 – 3 StR 372/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 mwN). Arg- und Wehrlosigkeit können auch gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Tatopfer aber nicht mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet (BGH, Urteil vom 30. Mai 1996 – 4 StR 150/96, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21 mwN).“

    „Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt. Dafür ist erforderlich, dass er die Umstände, welche die Tötung zu einer heimtückischen machen, nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH, Urteile vom 26. November 1986 und vom 30. Mai 1996 aaO; BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 – 4 StR 491/04, NStZ 2005, 691 jeweils mwN). Dabei kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (BGH, Urteil vom 13. August 1997 – 3 StR 189/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26 mwN); psychische Ausnahmezustände können auch unterhalb der Schwelle des § 21 StGB der Annahme des Bewusstseins des Ausnutzens entgegenstehen (BGH, Urteil vom 13. Februar 2007  – 5 StR 508/06, NStZ 2007, 330).“

    Daher hängt nach Ansicht des BGH auch hier das Ausnutzen von der Annahme der Schuldfähigkeit ab.
    Das Landgericht ist unter Heranziehung eines Sachverständigen von einem Zustand affektiver Erregung ausgegangen. Allerdings wurde die Schuldunfähigkeit ausgeschlossen, da der Umfang des Affekts nicht ausreichend sei. Insbesondere bezieht sich das Gericht dabei auf das Nachtatverhalten des Angeklagten. Dieser habe das Tatmesser vollständig gereinigt und sich deshalb in einem „klaren Zustand“ befunden.

    Dies sei laut BGH nicht nachvollziehbar. Die Reinigung der Tatwaffe spricht nicht gegen die Schuldunfähigkeit. Vielmehr bedarf das Geschehen erneuter tatrichterlicher Prüfung. Aufgrund der erfolgreichen Revision hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf und verwies dieses zur neuen Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Kiel zurück.


  • 2. Strafsenat des OLG Koblenz, Az.: 2 Ss 234/10

    Das AG Montabaur verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hiergegen legte der Angeklagte Berufung ein, welche vom LG Koblenz mit der Maßgabe verworfen wurde, dass die Freiheitsstrafe auf sechs Monate herabgesetzt wurde.

    Dazu hatte das LG festegestellt, dass es zwischen dem Nebenkläger und der Angeklagten seit einer längeren Zeit immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen sei. Als beide in einem Supermarkt aufeinander trafen, sei es erneut zu verbalen Auseinandersetzungen gekommen. Der Angeklagte habe sich entfernt, um der weiteren Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. Der Nebenkläger sei ihm jedoch gefolgt, um den Angeklagten zur Rede zu stellen und gegebenenfalls tätlich anzugreifen. Der Angeklagte habe einen erneuten Übergriff des Nebenklägers gefürchtet und ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 6,5 cm gezogen. Der Nebenkläger habe den Angeklagten direkt ins Gesicht geschlagen, wodurch dieser eine klaffende und blutende Wunde erlitt. Daraufhin habe der Angeklagte mit dem Messer in den linken Unterbauch gestochen. Der Nebenkläger habe hierdurch eine ca. 1 cm große, blutende Stichwunde erlitten.
    Nach Ansicht des LG habe keine Notwehrsituation vorgelegen, da es bereits an dem Notwehrwillen des Angeklagten gefehlt habe. Zudem seien die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit nicht gegeben gewesen.
    Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision.

    Die Revision hatte vor dem 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz Erfolg: Die Verurteilung des Angeklagten kann laut Entscheidung des BGH keinen Bestand haben, da die Feststellungen des LG rechtsfehlerfrei gewesen sind. Das Handeln des Angeklagten ist entgegen den Feststellungen des Landgerichts Koblenz durch Notwehr gerechtfertigt gewesen. Eine Einschränkung des Notwehrrechts liegt bei dem festgestellten Sachverhalt nicht vor:

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses des OLG Koblenz zur Reichweite der Notwehr:

    „Der Angeklagte musste aufgrund des Verhaltens des Nebenklägers, der ihn auch früher schon grundlos tätlich angegriffen hatte, nach dessen erstem Faustschlag damit rechnen, dass dieser weiter zuschlagen werde. Davon, dass sich der Nebenkläger nur auf einen einzigen Schlag beschränken werde, konnte der Angeklagte nach den konkreten Tatumständen – entgegen der Auffassung der Strafkammer – nicht ausgehen.
    Auch das subjektive Rechtfertigungselement liegt vor. Dieses setzt voraus, dass der Täter den Angriff als solchen und seine Rechtswidrigkeit erkennt und durch seine Tat der Rechtsverletzung entgegentreten will.
    Soweit die Strafkammer in ihrer rechtlichen Würdigung ausgeführt hat, der Verteidigungswille fehle, weil der Angeklagte, aufgestachelt von seiner Lebensgefährtin, den Angriff des Nebenklägers genutzt habe, um diesen zu verletzen, setzt sie sich mit ihren eigenen Feststellungen zur inneren Tatseite in Widerspruch. Denn auf Seite 5 des Urteils stellt sie fest, dass der Angeklagte, nachdem er von dem Nebenkläger von hinten angerufen worden war, einen ähnlichen Hergang wie bei ihrer ersten Begegnung, also einen grundlosen tätlichen Angriff des Nebenklägers, für möglich hielt und sich deswegen dadurch wappnete, dass er seine Einkaufstaschen abstellte, sein Messer hervorzog und dieses öffnete. Diese Feststellung belegt aber gerade, dass sich der Angeklagte verteidigen wollte.
    Die vom Angeklagten gewählte Verteidigungshandlung war im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB auch erforderlich.“

    Folglich hob der Senat das Urteil auf. Da auszuschließen war, dass weitergehende Feststellungen zur Sache getroffen werden könnten, entschied der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst und sprach den Angeklagten aus Rechtsgründen frei.
    Die Revision der Verteidigung hatte damit bereits in der Revisionsinstanz vollen Erfolg, eine neue Tatsacheninstanz mit Zurückverweisung war nicht notwendig.


  • 3. Strafsenat des BGH, Az.: 3 StR 111/11

    Die Beschuldigte wandte sich mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gegen die vom Landgericht angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

    Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
    Die Beschuldigte befand sich zum Tatzeitpunkt in einem Behandlungstermin. Als sie Angst und Panik empfand, wurde sie „zunehmend angespannt und aufgeregt“. Kurz darauf hörte sie Stimmen, infolge dessen sie ein in ihrer Handtasche mitgeführte Messer mit einer Klingenlänge von 20 cm ergriff. Die Zeugin T. wich sofort zurück und betätigte den Alarmknopf. Einen Angriff mit dem Messer konnte die Zeugin T. abwehren. Ein wenig später konnte die Beschuldigte festgehalten und ihr das Messer abgenommen werden.  Weiter heißt es: „Während des Tatgeschehens war die Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten wegen einer schizoaffektiven Psychose aufgehoben“.

    Im Prozess hat sich die Beschuldige dahingehend eingelassen, sie habe lediglich mit dem Messer zu drohen versucht, wollte aber nicht auf diese einstechen. Die Strafkammer folgte dem nicht und nahm einen schuldfähigen und mit natürlichem Vorsatz begangenen versuchten Totschlag an.

    Wie der Strafsenat des Bundesgerichtshofs in dem Beschluss ausführt, beruht die Annahme des Landgerichts, die Anlasstat sei ein mit natürlichem Vorsatz begangener versuchter Totschlag, auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Die Feststellung der Strafkammer, die Beschuldigte habe einen Stich in Richtung des Oberkörpers im Bereich des Herzens geführt, um Frau T. zu töten, beruht nicht auf einer tragfähigen Beweisgrundlage (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 261 Rn. 2 und § 337 Rn. 26, jeweils mwN). Sie steht im Widerspruch zu den Aussagen aller vernommenen Zeugen, von denen keiner eine Stichbewegung bekundet hat. Dies gilt auch für die Zeugin T. , die in ihrer Aussage lediglich einen Widerstand beschrieben hat, den sie beim Ergreifen des Handgelenks der Beschuldigten gespürt habe, nicht aber eine tatsächlich geführte Stichbewegung. Sie hat ihren subjektiven Eindruck wiedergegeben, dass ein Stich, wenn er tatsächlich geführt worden wäre, sie im Bereich des linken Arms getroffen hätte, mit dem sie ihren Oberkörper in der Herzgegend geschützt habe. Zu einem Stich ist es nach dieser Zeugenaussage wegen des Festhaltens der Hand nicht gekommen. Die Zeugin B. hat eine Stichbewegung in ihrer Vernehmung explizit ausgeschlossen, der Zeuge W. konnte sich an eine solche nicht erinnern.

    Weiterhin ist die Beweiswürdigung lückenhaft (vgl. dazu Meyer-Goßner, aaO, § 337 Rn. 27 mwN), weil sich das Landgericht nicht im Einzelnen mit der Möglichkeit befasst hat, dass die Beschuldigte die Zeugin T. lediglich bedrohen und nötigen, nicht aber töten wollte. Hierzu bestand indes nach der Einlassung der Beschuldigten und den Zeugenaussagen Anlass. Die Strafkammer hat den natürlichen Tötungsvorsatz allein aus der Angabe der Zeugin T. gefolgert, sie habe deutlich Widerstand gespürt, als sie das Handgelenk der Beschuldigten ergriffen habe. Bei dieser Beweissituation hätte sich das Landgericht näher mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass die Beschuldigte die Geschädigte mit dem Messer nur bedrohen wollte und lediglich dem Festhalten ihres Handgelenks Widerstand entgegensetzte.“

    Aus diesem Grund hebt der Strafsenat die Anordnung auf. Ferner bedarf es einer neuen Verhandlung und Entscheidung.

    Im Übrigen weißt der Strafsenat für die neue Hauptverhandlung noch unter anderem auf folgendes hin:

    “Die akute schizoaffektive Psychose, die das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen zum Tatzeitpunkt bejaht hat, könnte als krankhafte seelische Störung einzuordnen sein, welche die Fähigkeit der Beschuldigten ausgeschlossen hat, das Unrecht ihres Handelns einzusehen. Ohne weitere Erörterung ist bei dem festgestellten Krankheitsbild nicht nachvollziehbar, dass bei bestehender Unrechtseinsicht lediglich die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sein soll (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 1996, 12.5.1.5 und 12.5.3.1).“

    Eine Entscheidung, mit der der BGH erneut eine lückenhafte (und einseitige) Beweiswürdigung beanstanden muss. Die Revision der Angeklagten war erfolgreich und das Urteil aufzuheben.


  • Das Landgericht Verden verhandelt den 24 Jahre zurückliegenden Mord an einem Mädchen. Der damals 19-Jährige Angeklagte habe seine Bekannte nach einem Disco-Besuch in Bremervörde im Kreis Rotenburg gefesselt, geknebelt und mit mehr als 60 Messerstichen heimtückisch umgebracht, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Zudem hätten besonders niedriger Beweggründe vorgelegen. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Jugendstrafe von sieben Jahren.
    Der Angeklagte musste sich bereits zum zweiten Mal wegen dieses Falls verantworten. Zunächst hatte ihn das Landgericht Stade aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Dieses Urteil wurde vom Bundesgerichtshof jedoch aufgehoben.
    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 20.05.2011 )


  • Das Landgericht Kiel verurteilte eine 22-jährige Frau zu wegen Totschlags in einem minder schweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten. Die Frau hatte ihrem Freund nach einem Streit einen tödlichen Stich ins Herz versetzt. Ferner wurde vom Gericht die Unterbringung der drogen- und alkoholabhängigen Frau in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Zu der Verurteilung wegen Totschlags wurde eine frühere Verurteilung wegen Körperverletzung hinzugezählt.

    Nach Ansicht des Gerichts habe die Frau ihrem Freund das Messer mit der 17cm langen Klinge ins Herz gestoßen, so dass dieser verblutete, obwohl keine Notwehrsituation vorgelegen habe. Allerdings sei strafmildernd berücksichtigt worden, dass die Frau während der Beziehung vom späteren Opfer vergewaltigt, geschlagen und gewürgt wurde.
    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 20.05.2011 )


  • Im Kachelmann-Prozess und derzeit bekanntesten Fall aus dem Sexualstrafrecht trugen nun die Rechtsmediziner Markus Rothschild aus Köln und Klaus Püschel aus Hamburg ihre Gutachten zu den Verletzungen des mutmaßlichen Opfers vor.

    Die beiden Rechtmediziner verglichen, was das mutmaßliche Opfer über die angebliche Vergewaltigung ausgesagt hatte mit dem, was an Befunden tatsächlich vorliegt. Als Fazit kamen sie dazu, dass sich das Geschehen, so wie sie es geschildert hat, nicht zugetragen haben könne.

    Rothschild zitierte aus dem „Handbuch für gerichtliche Medizin“ einen Zehn-Punkte-Katalog von Merkmalen, die für Selbstverletzungen typisch seien. Dabei trafen viele Merkmale trafen auf das mutmaßliche Opfer zu. Hier sind beispielsweise das das Fehlen von Abwehrverletzungen, die leicht erreichbare Stelle, die oberflächlichen Ritzer an Bauch, linkem Schenkel und linkem Arm, die parallele Anordnung zu nennen.
    Rothschild habe eine solche Befundkonstellation noch nie gesehen. Püschel hingegen sprach von „eindeutigen Hinweisen auf Selbstverletzung“ und schloss ein überfallartiges Geschehen aus. Es seien viele Anhaltspunkte für eine Manipulation zu sehen. Die bei dem mutmaßlichen Opfer vorhandenen Hämatome könnten nicht durch Kachelmanns Knie verursacht worden sein.

    Zuvor war jedoch nochmals Mattern zu seinem Gutachten befragt worden. Insbesondere ging es dabei um die Frage, ob das Messer bei der angeblichen Tat den gesamten Tatzeitraum über an den Hals des mutmaßlichen Opfers gedrückt wurde. Mattern erklärte dazu, dass er sich nicht vorstellen könne, wie ein Messer immer gleich fest an den Hals gehalten werde, beim Gang von der Küche ins Schlafzimmer und dann beim Geschlechtsakt. „Nach 40 Jahren Rechtsmedizin denke ich, um solche Spuren zu erzeugen – das tut schon weh, das klingt nach. Der Schmerz hört nicht sofort auf.“ Die Staatsanwaltschaft fragte daraufhin nach wie viel Hautabrieb er am Messer erwarten würde, wenn es über längere Zeit an den Hals der Frau gedrückt worden sein sollte. Mattern erklärte auf die Frage, dass eine gewisse Menge von Hautepithelien erwarten müsse. Die Staatsanwaltschaft wandte ein, dass aber laut Spurenbericht nichts gefunden worden sei. „Gibt Ihnen das nicht Anlass zu einer anderen Einschätzung?“ Mattern, etwas irritiert: „Wenn die Epithelien nicht abgewischt wurden, dann wäre das ein Widerspruch.“

    Mattern hatte im vorangegangenen Prozesstag erklärt, dass er Experimente hinsichtlich der Verletzungen mit seiner Frau durchgeführt habe. Dies griff Rothschild nochmals auf und fragte, ob es richtig sei, dass bei keinem der Experimente solche Verletzungen entstanden seien, wie die, die das mutmaßliche Opfer behauptet. Mattern gab an, dass keines seiner Experimente zu vergleichbaren Verletzungen geführt habe. Die Ausführungen von Mattern am vorangegangenen Prozesstag seien somit spekulativ.

    Der Verteidiger von Kachelmann, Rechtsanwalt Johann Schwenn, erinnerte Mattern an seinen Gutachtenauftrag, nach dem er die Vereinbarkeit der Befunde mit der Schilderung der angeblich Geschädigten zu analysieren hatte. Schwenn: „Gibt es eine mögliche andere Erklärung für die Hämatome an den Schenkeln als immensen Druck durch männliche Knie?“ Mattern erwiderte darauf: „Man müsste an Kneifen denken. An festes Zusammenquetschen, mehrfach.“ Ferner erklärte er, dass bei demjenigen, der sich selbst öfter solche Verletzungen beibringe, auch die Neigung zur Ausbildung besonders auffälliger Blutergüsse steige.

    Sodann wurde Alice Schwarzer als Zeugin gehört. Sie berief sich jedoch auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Journalistin. Kachelmanns Verteidiger Schwenn hatte beantragt, Schwarzer vernehmen zu lassen, da sie über ihre Kontakte zu Günter Seidler, dem Therapeuten des mutmaßlichen Opfers, aussagen sollte. Schwenn ging es dabei um die Glaubwürdigkeit von Seidler.
    ( Quelle: spiegel-online vom 09.02.2011 )


  • Im Kachelmann-Prozess hat nun der Rechtsmediziner Mattern ausgesagt. Er hatte das mutmaßliche Opfer des Sexualstrafrecht nach der angeblichen Vergewaltigung untersucht. Er begann sein Gutachten mit den Worten: „Ich kann weder nachweisen, dass der Angeklagte dem mutmaßlichen Opfer die Verletzungen beigebracht hat, noch kann ich mit wissenschaftlichen Methoden nachweisen, dass sie sich die Verletzungen selbst beigebracht hat.“

    Elf Stunden nach der angeblichen Tat wurde das mutmaßliche Opfer von dem Rechtsmediziner untersucht. Danach folgten weitere Untersuchungen. Bei diesen Untersuchungen habe der Rechtsmediziner das mutmaßliche Opfer sich selbst gegen ihre Schenkel schlagen lassen und ihr das angebliche Tatmesser an den Hals gehalten. Daraufhin haben sie zu weinen und zittern begonnen. Er habe das Experiment dann beendet.

    Mattern legt dem Gericht zahlreiche Fotografien vor, die er in zeitlichen Abständen gemacht hatte.  Mattern erklärte ferner, dass das mutmaßliche Opfer, als es am 9. Februar 2010 zu ihm gebracht wurde, „sehr betroffen“ und dem Weinen nahe gewesen sei. Darauf fiel ihm der Verteidiger Kachelmanns Schwenn ins Wort, dass er als Sachverständiger für Rechtsmedizin dies nicht beurteilen könne, da er schließlich nicht Psychiater sei.

    Hinsichtlich des acht mal zehn Zentimeter großen Hämatoms an den Schenkel-Innenseiten des mutmaßlichen Opfers könne dies durch eine Faust verursacht worden sein. „Aber man muss dann schon gewaltig zuschlagen!“ Die Sache sei hochkomplex und „nicht einer Ursache zwingend zuzuordnen“. Mattern gab an, dass er für sein Gerichtsgutachten Selbstversuche mit seiner Ehefrau gemacht habe. Er hätte seine Knie mit Farbe bemalt und diese wiederholt gegen die geschlossenen Oberschenkel seiner Frau gestoßen, um sie auseinanderzudrücken. Die dabei entstandenen Farbabdrücke seien ähnlich ausgedehnt wie die des mutmaßlichen Opfers. Jedoch könne darin kein Beweis gesehen werden. Auch die Rötung am Hals des mutmaßlichen Opfers, sei keine typische Kratzverletzung. Sie könne jedoch eine atypische Kratzverletzung sein. „Von der Traumatomechanik her kann man mit diesem Messer die Befunde am Hals erzeugen. Ich habe kein wirkliches Argument gegen das Messer. Aber ich habe auch keines gegen Selbstbeibringung.“, so Mattern.

    Mattern kommt schließlich zum Schluss, dass alle Varianten möglich seien, aber nichts zwingend beweisbar. Viele Umstände seien maßgebend. Vieles sei eine Sache der Interpretation und er könne sich nicht festlegen.
    Die Anhörung wird weiter fortgesetzt, da weder die von der Verteidigung geladenen Rechtsmediziner Mattern befragen konnten, noch die Verteidigung selbst.

    ( Quelle: spiegel-online vom 01.02.2011 )


  • Im Kachelmann-Prozess wurde ein weiterer Gutachter gehört. Dieser sagte aus, dass sich am Messergriff der mutmaßlichen Tatwaffe sowohl Spuren, die auf das mögliche Opfer hinweisen würden befänden als auch eine, allerdings geringere Spur, die auf Kachelmann hinweisen würde.
    Diese geringe Spur könne nach Einschätzung des Gutachters auf die glatte Oberfläche zurückzuführen sein. Es sei jedoch auch möglich, dass die Spur in der Tüte der Spurensicherung verloren gegangen sei. Letztlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine sog. „Spurenübertragung“ stattgefunden haben. Das bedeutet, dass das mutmaßliche Opfer winzige Hautpartikel von Kachelmann auf die mutmaßliche Tatwaffe übertragen haben könnte. Es gebe deshalb gewisse Zweifel an der Verwendung des Küchenmessers bei der mutmaßlichen Tat.
    Der Gutachter sagte weiterhin, dass er ein eindeutigeres Ergebnis erwarte, wenn ein Mensch einen Gegenstand mehrere Minuten in der Hand gehalten haben soll.
    Die Auswertung der DNS-Spuren ist demnach kein Beweis eine etwaige Tat Kachelmanns. Kachelmanns Verteidiger Schwenn wertete die Aussage des Gutachters daher als Entlastung für seinen Mandanten
    (Quellen: spiegel-online vom 20.12.2010; zeit-online vom 20.12.2010)


  • In dem Prozess um den sog. Messerstecher vom Jungfernstieg, dem 16-jährigen Elias A, der an der U-Bahnstation Jungfernstieg in Hamburg einen 19-jährigen erstochen haben soll, haben nun sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Nebenklage ihre Schlussanträge gestellt.
    Die Staatsanwaltschaft forderte sechs Jahre und sechs Monate Jugendstrafe. Die Nebenklage gab keine solch präzisen Werte an, sondern forderte eine Strafe im „oberen Drittel“. Dies dürfte in den Bereich einzuordnen sein, den auch die Staatsanwaltschaft angesetzt hatte, da das Höchstmaß für Jugendstrafe bei zehn Jahren liegt.
    (Quelle: Hamburger Abendblatt vom 02.12.2010, S. 12)


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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