Ab einer bestimmten Alkoholmenge nach den Promille-Grenzen kann die Schuldfähigkeit aufgehoben sein (§ 20 StGB) oder aber zumindest vermindert sein (§ 21 StGB). Dabei muss jedoch immer der Einzelfall betrachtet werden. Vor allem die selbstherbeigeführte verminderte Schuldfähigkeit ist teilweise problematisch.
Vor dem Amtsgericht wurde der Frage nachgegangen, wer der Führer des Unfallwagens bei einem tödlichen Unfall im Jahre 2011 war. In Frage kam entweder der angeklagte Halter des Fahrzeuges oder aber der tödlich verunglückte Mitinsasse.
Zum besseren Verständnis einer Strafe als Bewährungsstrafe (Vergabe, Auflagenerfüllung und ggf. Strafverteidigung gegen den Widerruf der Bewährung) muss man zunächst ein bisschen tiefer in die Sanktionsmöglichkeiten des Strafrechts eintauchen:
Das deutsche Strafrecht kennt bei Erwachsenen als Hauptstrafen lediglich die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe. Als Nebenstrafe steht beispielsweise noch das Fahrverbot aus § 44 StGB zur Verfügung. Dies wird zum Beispiel bei Alkoholfahrten verhängt, wenn die Promille-Grenzen im Straßenverkehr nicht eingehalten wurden.
Die Strafen haben ganz unterschiedliches Gewicht. Gibt es für leichte und mittlere Kriminalität meist lediglich eine Geldstrafe, ist man bei schwerer Kriminalität oder wiederholten Taten schnell bei einer Freiheitsstrafe.
Die Gefährdung des Straßenverkehrs im Sinne des § 315c StGB deckt nicht nur die sogenannten „sieben Todsünden“ im Straßenverkehr, wie zum Beispiel das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Überholen, sondern auch die Fahrt unter Alkoholeinfluss ab. Anders als die Trunkenheitsfahrt in § 316 StGB verlangt der § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB jedoch die Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert.
Für Verkehrsteilnehmer gelten ganz unterschiedliche Promille-Grenzwerte. Während ein Autofahrer spätestens mit 1,1 Promille Blutalkoholkonzentration als absolut fahruntüchtig gilt, dürfen Radfahrer noch bei bis 1,6 Promille in die Pedalen treten. Dies möchten die Innenminister nun für Radfahrer aber ändern.
Eine 21-jährige Frau musste sich vor dem Amtsgericht Rheine wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Zuvor hatte sie einen Strafbefehl in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 25 Euro abgelehnt.
Die Fahranfängerin war in Eile und fuhr mit einer 22-jährigen Freundin zur Arbeit. Bei einer Abfahrt kam sie mit einem Reifen auf den Grünsteifen und der Wagen brach aus. Nach einem Überschlag landete der Wagen auf dem Dach, aus dem sich die Beifahrerin leicht verletzte befreien konnte. Die eintreffenden Beamten stellten einen Alkoholgeruch am Unfallort fest. Eine spätere Blutentnahme stellte 0,84 Promille Alkohol im Blut der Fahrerin fest.
Das Oberlandesgericht Nürnberg erklärte in einem Urteil, dass die absolute Fahruntüchtigkeit für Rollstuhlfahrer mit motorisierten Kranken-Rollstühlen bei 1,1 Promille liegt.
Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass der Betroffene mit seinem elektrisch angetriebenen Krankenrollstuhl unterwegs war. Er wurde mit 1,25 Promille von der Polizei gestellt. Es habe zwar keine alkoholbedingten Fahrfehler gemacht, jedoch sei die Öffentlichkeit durch sein verhalten gefährdet worden. Dem widersprach der Mann. Er erklärte, dass er zum Zigarettenkauf unterwegs gewesen sei und lediglich 300 Meter auf einem Radweg unterwegs gewesen sei. Zudem läge die Grenze für absolute Fahruntüchtigkeit für Radfahrer bei 1,6 Promille, diese gelte auch für ihn und diese habe er nicht überschritten.
Das Oberlandesgericht Nürnberg war hinsichtlich der Gleichstellung zu Radfahrer jedoch anderer Ansicht. Bei Radfahrern sei keine derart starke Fremdgefährdung gegeben, da diese bei entsprechender Alkoholisierung meistens nicht mehr das Gleichgewicht halten könnten und so das Weiterfahren einstellen müssten.
Das Gericht setzte für den Rollstuhlfahrer eine Geldstrafe von 1500 Euro fest.
( Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg Az.: 2 St OLG Ss 230/10 )
2. Strafsenat des OLG Naumburg, Az.: 2 Ss 85/10
Der Angeklagten wurde vom AG Halle vom Vorwurf der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. Daraufhin hob das LG Halle das Urteil auf und verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen á 8 €. Zudem wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen. Der Angeklagte rügte dies mit dem Rechtsmittel der Revision.
Der 2. Strafsenat ist der Ansicht, dass die bisherigen Feststellungen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nicht tragen würden, da nicht auszuschließen sei, dass der Angeklagte schuldunfähig gewesen sei.
Aus dem Wortlaut des Beschlusses:
„Nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung war der Angeklagte zur Tatzeit erheblich alkoholisiert. Die ihm um 09.10 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 2,83 ‰ auf. Es errechnet sich zur Tatzeit eine mögliche Blutalkoholkonzentration von 3,23 ‰. Bei Blutalkoholkonzentrationen von 3 g ‰ und mehr sind die Voraussetzungen des § 20 StGB stets zu prüfen und in der Regel auch gegeben (BGH StV 1991, 297).
Ob die Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen ist, muss der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilen. Dabei muss er neben der errechneten Blutalkoholkonzentration alle wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände berücksichtigen. Dies Umstände beziehen sich auf das Erscheinungsbild und das Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat (BGH NStZ 1995, 539).
Das heißt für die Schuldfähigkeit konkret:
„Wird eine Schuldfähigkeit bei hohen BAK-Werten bejaht, bedarf dies näherer Begründung und setzt meist die Anhörung eines Sachverständigen voraus. Der Verzicht auf einen Sachverständigen ist nur dann möglich, wenn es an den tatsächlichen Grundlagen für das zu erstattende Gutachten fehlt oder das Gericht ausnahmsweise, etwa in einfacheren Fällen der Feststellung und Bewertung der Blutalkoholkonzentration oder sonst bei Vorliegen von besonderem richterlichen Erfahrungswissen auf bestimmten Teilbereichen über die erforderliche besondere Sachkunde verfügt, was dann in der Regel näher darzulegen ist (OLG Koblenz VRS 104, 300; OLG Rostock Beschluss vom 22.03.2001 1 Ss 244/00).“
Auf die Revision des Angeklagten wurde das Urteil des LG Halle mit den Feststellungen, soweit diese nicht das äußere Tatgeschehen betreffen, aufgehoben.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner