Uli Hoeneß verzichtet auf das Rechtsmittel der Revision im Strafverfahren gegen ihn wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen und legt alle seine Ämter beim FC Bayern München nieder. Dies gab er vor wenigen Minuten in einer persönlichen Stellungnahme bekannt.
Nun kommt es doch anders als gedacht: Gestern wurde der nunmehr ehemalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen vor dem Landgericht München II zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
OLG München Az. 5 St RR 101/09
Der Angeklagte war vom AG München wegen Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Die Berufung gegen das Urteil blieb erfolglos. Nun rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts mit seiner Revision am OLG München.
Im Zentrum der Sachrüge steht die Frage, ob der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor dem AG München „nicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet hatte (§302 Abs. 1 StPO)“.
Im Wege der Klärung der Zulässigkeit der Sachrüge hat das Revisionsgericht von Amts wegen die Prüfung von Prozessvoraussetzungen und Verfahrensfehlern wie beispielsweise die Zulässigkeit der Berufung zu vollziehen. Eine solche erfolgt im Freibeweis, „sofern nicht die Beweiskraft des Protokolls (§274 StPO) entgegensteht“. Der Rechtsmittelverzicht genießt die Beweiskraft nach §274 StPO, sofern er nach der Urteilsverkündung erklärt und nach §273 Abs. 3 S. 3 StPO beurkundet worden ist.
Wird das Protokoll nachträglich durch beide Urkundspersonen übereinstimmend berichtigt oder für unrichtig erklärt, verliert es an Beweiskraft. Aber auch eine andere Konstellation ist nach Ansicht des Senats denkbar.
Wortlaut des Beschlusses des OLG München:
„In der Rspr. ist anerkannt, dass – auch ohne Protokollberichtigung – die Beweiskraft des Protokolls entfällt, wenn sich eine Urkundsperson nachträglich vom Protokoll distanziert und sich dies zugunsten des Angeklagten auswirkt (BGHSt 51, 298, 308 m.w.N, BGH NStZ-RR 2006, 112, 115; BayObLGSt 1973, 200, 2001).“
Der dienstlichen Stellungnahme des Amtsrichters ist zu entnehmen gewesen: „Ich meine mich zu erinnern, dass ein Rechtsmittelverzicht nicht erfolgt ist, bin mir jedoch nach so langer Zeit nicht mehr sicher“. Dieser Äußerung ist zu entnehmen, dass der Amtsrichter nicht mehr davon überzeugt sei, dass der im Protokoll festgehaltene Rechtsmittelverzicht stattgefunden hat.
Die distanzierende dienstlichen Erklärung des zuständigen Amtsrichters der Hauptverhandlung vor dem AG München als eine der Urkundspersonen führt dazu, dass der Senat in dem Freibeweisverfahren über die hier vorliegende Frage zur Erklärung des Rechtsmittelsverzichtes zu entscheiden hat. Da es sich hierbei nicht um den Beweis gegen die Richtigkeit des Protokolls handelt, sondern vielmehr nur um die nachträgliche dienstliche Äußerung des Amtsrichters, entfallen die Voraussetzungen der Beweisregeln im Sinne des §274 StPO.
Vor dem Hintergrund der dienstlichen Äußerung des Amtsrichters „sowie der vom Revisionsgericht eingeholten Stellungnahme des Sitzungsstaatsanwaltes, der ebenfalls meint sich zu erinnern, dass weder vom Angeklagten noch vom Verteidiger ein Rechtsmittelverzicht erklärt wurde“, erscheint es nach Auffassung des Senats als wahrscheinlich, dass kein Rechtsmittelverzicht erklärt wurde. Demnach gehen alle Prozessbeteiligten grundsätzlich davon aus, dass kein Rechtsmittelverzicht erklärt wurde.
Folglich hätte das Berufungsgericht die Berufung des Angeklagten nicht ohne Sachprüfung als unzulässig zurückweisen dürfen. Die Revision hatte in insoweit Erfolg.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner