sofortige Beschwerde

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. StB 38/09

    Der Beschuldigte ist Drittbetroffener des Beschlusses des Ermittlungsrichters zur Anordnung und Durchführung der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und erhob hiergegen die sofortige Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Im vorliegenden Fall führte die Generalbundesanwaltschaft gegen den Beschuldigten und weitere Personen ein Ermittlungsverfahren „wegen des Verdachts der Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigungen A. Q. im Zweistromland und A. a. I. sowie weiterer Straftaten“.
    Konkret wird dem Beschuldigten vorgeworfen, in fünf Fällen im Zeitraum zwischen dem 25. November 2007 und dem 5. Januar 2008 auf der Internetseite der „G. I. M.“ so genanntes Propagandamaterial der Gruppe der A. Q. weiterverbreitet zu haben. Insbesondere habe dieses Material auf die Werbung neuer Mitglieder und Unterstützer abgezielt, was eine Straftat im Sinne der §§ 129 a Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2, 129 b Abs. 1 StGB darstellt. Auch stellte er weiteres, vergleichbares Propagandamaterial auf die genannte Seite.

    Im unter anderem hierauf gerichteten Ermittlungsverfahren ordnete der zuständige Ermittlungsrichter des BGH durch mehrere Beschlüsse die Telekommunikationsüberwachung des Beschuldigten an, was durch das Bundeskriminalamt vollzogen wurde.

    Nachdem der Beschuldigte mit Schreiben des Generalbundesanwalts vom 29. Januar 2009 über die Überwachung der Telekommunikation in 2 Fällen in Kenntnis gesetzt wurde, erhob er Beschwerde und beantragte durch seine Verfahrensbevollmächtigte die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit dieser Überwachungsmaßnahmen sowie die Art und Weise ihres Vollzugs. Zudem wurde ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Der Ermittlungsrichter hatte diesen Antrag als unbegründet verworfen.

    Nach Ansicht des Strafsenats ist die sofortige Beschwerde begründet.

    So hat der Ermittlungsrichter des BGH über den Antrag auf Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Anordnung und des Vollzugs der Überwachungsmaßnahme entschieden, ohne dass dem Beschuldigten vorher durch den Generalbundesanwalt, der zur Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch berufen war, Akteneinsicht im erforderlichen Umfang gewährt worden ist. Dadurch ist der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs auf Seiten des Beschuldigten verletzt, was letztlich zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückweisung der Sache an den zuständigen Ermittlungsrichter führt.

    Weiter führt der 3. Strafsenat aus:

    „Die an einer überwachten Telekommunikation beteiligten Personen können auch nach Beendigung der Maßnahme bis zu zwei Wochen nach der Benachrichtigung die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen (§ 101 Abs. 7 Satz 2 StPO). Da ihnen das Gesetz in diesem Verfahren die Stellung eines Verfahrensbeteiligten einräumt, haben sie einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser Anspruch, der in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes steht und grundsätzlich unabdingbar ist, sichert jedem Verfahrensbeteiligtem das Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung seines Vorbringens bei einer gerichtlichen Entscheidung. Zum rechtlichen Gehör vor Gericht gehört insbesondere die Möglichkeit, sich auf Antrag über alle entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweismittel durch Einsicht in die Akten zu informieren (vgl. BVerfG NStZ 2007, 274; BVerfG NStZ-RR 2008, 16, 17; BGH, Beschl. vom 22. September 2009 – StB 28/09).“

    Auch bezüglich des Geheimhaltungsinteresses, das die Gefährdung der Aufklärung der Straftat verhindern soll, bemerkt der Senat im Weiteren:

    „Soweit im Einzelfall das öffentliche Interesse, die bisherigen Ermittlungsergebnisse ganz oder zum Teil geheim zu halten, um die Aufklärung von Straftaten nicht zu gefährden, einer Akteneinsicht im dargestellten Umfang entgegensteht, ist die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der heimlichen Ermittlungsmaßnahme solange zurückzustellen, bis das Geheimhaltungsinteresse entfallen ist und deshalb Akteneinsicht gewährt werden kann (BGH, Beschl. vom 22. September 2009 – StB 28/09; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 101 Rdn. 25 a). Ein „in camera“-Verfahren, in dem das zur Entscheidung berufene Gericht von entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweismitteln Kenntnis erlangen würde, zu denen sich der Antragsteller nicht äußern konnte, ist im Strafprozess mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar (vgl. BVerfGE 109, 279, 371; BVerfG NStZ-RR 2008, 16, 17).“

    Angesichts dieser Ausführungen verletzt der Beschluss des Ermittlungsrichters das grundrechtsgleiche Recht des Beschuldigten/Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, indem der Generalbundesanwalt dem Betroffenen nicht im erforderlichen und beantragten Umfang die Akteneinsicht gewährt hatte. So war es dem Beschwerdeführers nicht möglich, anhand der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen zu prüfen, „ob die Voraussetzungen des § 100 a StPO vorlagen, insbesondere die Beweismittel den Verdacht einer Anlasstat gemäß §§ 129 a, 129 b StGB begründeten“. Somit war er nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit der Telekommunikationsmaßen zu  beurteilen und sich diesbezüglich zu äußern.

    Insgesamt führt die Verletzung des Anspruchs auf sein rechtliches Gehör zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Ferner wird dieser an den Ermittlungsrichter zurückverwiesen zur erneuten Entscheidung.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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