Strafmilderungsgründe

  • Die Sicherstellung von Drogen ist ein bestimmender Strafmilderungsgrund.

    Der Angeklagte wurde unter anderem wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vom Landgericht Bautzen verurteilt. Dabei lehnte das Landgericht einen minder schweren Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG nach alleiniger Würdigung der allgemeinen Strafzumessungskriterien ab. Anschließend bejahte das Landgericht die Strafmilderung nach § 31 Nr. 1 BtMG, da der Angeklagte dabei half weitere Straftaten aufzudecken.

    Dagegen richtete die Strafverteidigung erfolgreich die Revision.

  • Der Angeklagte wurde vom Landgericht Mönchengladbach wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit „unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

    Die Strafverteidigung rügte das Urteil in Rahmen der Revision, da die Strafkammer das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 224 Abs. 1 letzter Hs. StGB nicht erörtert hatte, obwohl der Angeklagte vom Geschädigten zur Tat provoziert wurde.

    Der Generalbundesanwalt führt dazu aus:

    „Nach zutreffender Ansicht ist daher die Tatprovokation bei Körperverletzungsdelikten als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen; sie kann zur Annahme eines minder schweren Falles führen, muss dies aber nicht (vgl. Fischer StGB 59. Aufl. § 224 Rdnr. 15 m. w. N.). Liegt allerdings eine Tatprovokation vor, wird die Annahme eines minder schweren Falles regelmäßig nicht derart fernliegen, dass eine Erörterung rechtlich entbehrlich würde (vgl. BGH Beschluss vom 10. August 2004 – 3 StR 263/04, StV 2004, 654).

    Dem schließt sich der BGH an. Die Revision der Strafverteidigung hatte somit Erfolg. Zwecks eines neuen Strafausspruches geht das Verfahren zurück an eine andere Strafkammer des Landgerichts.

    BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012, Az.: 3 StR 206/12

  • Quelle: Pressemitteilung des 1. Strafsenats (BGH) Nr. 020/2012 vom 07.02.2012

    Mit der gestrigen Entscheidung hob der Strafsenat die Verurteilung eines wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen Angeklagten auf verwies die Sache zurück an das Landgericht Augsburg, da die Strafzumessung fehlerhaft sei. Bei der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe seien nur besonders gewichtigte Strafmilderungsgründe für eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe denkbar.

    Pressemitteilung:

    Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe

    Das Landgericht Augsburg hat den Angeklagten mit Urteil vom 8. April 2010 wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen – insgesamt wurden mehr als 1,1 Mio. Euro hinterzogen – zu zwei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof auf die mit dem Ziel höherer Bestrafung eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    1. Der Angeklagte war im Jahr 2001 Mitgesellschafter und Geschäftsführer der P. GmbH. Diese und eine weitere Gesellschaft verkaufte er an die T. AG für 80 Mio. (damals noch) DM. Zusätzlich zum gezahlten Kaufpreis erhielt er Aktien der T. AG im Wert von 7,2 Mio. DM als Gegenleistung dafür, dass er der T. AG den Kauf auch der anderen Gesellschaftsanteile ermöglicht hatte. Dieses Aktienpaket deklarierte er in seiner Einkommensteuererklärung wahrheitswidrig als weiteres Kaufpreiselement. Dadurch erlangte er die günstigere Versteuerung nach dem damals geltenden Halbeinkünfteverfahren für Veräußerungserlöse, so dass für das Jahr 2002 Einkommensteuer in Höhe von mehr als 890.000 Euro verkürzt wurde.

    2. Der Angeklagte war auch nach der Veräußerung weiter Geschäftsführer der P. GmbH, wofür ihm im Jahr 2006 auch Tantiemen in Höhe von mehr als 570.000 Euro zustanden. Um die dafür zu entrichtende Lohnsteuer zu hinterziehen, veranlasste er – als „Gegenleistung“ für einen „Verzicht“ auf die Tantiemen – deren „Schenkung“ an seine Ehefrau und seine Kinder unter Fertigung falscher Unterlagen. Die an sich fällige Lohnsteuer wurde dadurch in Höhe von 240.000 Euro verkürzt.

    Das Landgericht hat zwar in beiden Fällen einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr.1 AO) angenommen. Die Strafzumessung des Landgerichts weist aber durchgreifende Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf. Das Ausbleiben strafschärfender Umstände wurde mildernd berücksichtigt. Gewichtige Strafzumessungsgesichtspunkte, die die Strafkammer festgestellt hat (z.B. das Zusammenwirken mit dem Steuerberater beim Erstellen manipulierter Unterlagen) blieben bei der Strafzumessung außer Betracht. Die Urteilsgründe lassen besorgen, die Strafkammer habe sich rechtsfehlerhaft bei der Einzelstrafbildung maßgeblich von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung leiten lassen. Nach der gesetzgeberischen Wertung zur Steuerhinterziehung im großen Ausmaß und den hieraus abgeleiteten Grundsätzen zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe (von im Höchstmaß zwei Jahren) nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 – 1 StR 416/08; vgl. Pressemitteilung Nr. 221/08); solche hat das Landgericht hier nicht ausreichend dargetan.

    Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11


  • BGH, Beschluss vom 11.08.2011, Az.: 4 StR 279/11

    Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten verurteilt. Es wurde die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sowie ein Wertersatzverfall in Höhe von 83.600 Euro angeordnet.

    Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein. Er rügte, dass § 31 BtMG nicht angewendet wurde. Danach kann das Gericht die Strafe mildern oder sogar ganz von Strafe absehen, wenn der Angeklagte Aufklärungshilfe leistet.

    Dazu der 4. Strafsenat des BGH in seiner Beschlussbegründung:

    „Die Überprüfung des Urteils deckt zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Strafkammer hat die Anwendung des § 31 BtMG bereits deshalb zu Recht abgelehnt, weil nach den Feststellungen ein Aufklärungserfolg nicht eingetreten ist. Der Angeklagte hat lediglich den Vornamen seines Abnehmers aus Essen angeben können, wodurch „vielversprechende“ polizeiliche Ermittlungen in Gang gesetzt wurden. Damit ist ein Aufklärungserfolg nicht erzielt worden. Es genügt nicht, wenn der Täter nur Ermittlungsansätze aufgezeigt hat, erforderlich ist vielmehr, dass eine Aufdeckung erfolgt ist. Dafür müsste der Abnehmer zumindest so genau ermittelt worden sein, dass er zur Festnahme hätte ausgeschrieben werden können (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 – 2 StR 532/99, StV 2000, 318; Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 31 Rn. 15 jeweils m.w.N.).“

     

    Allerdings hob der BGH das Urteil bezüglich der Sicherungsverwahrung und des Wertersatzverfalls auf:

    „Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kann aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20. Juni 2011 keinen Bestand haben, da – anders als zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung – das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 4. Mai 2011 § 66 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) für unvereinbar mit Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Abs. 1 Grundgesetz erklärt hat und die Vorschrift bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013 nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden darf.
    Auch die Anordnung des Wertersatzverfalls begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.“

     

    Das Urteil ist aus zwei Gründen besonders interessant.
    Zum einen stellt der BGH klar, dass der § 31 BtMG nur den wirklichen Aufklärungserfolg belohnt. Bemühungen des Täters reichen nicht aus. Zum Anderen zeigt der Beschluss, dass der BGH die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzt. Dieses hatte den § 66 StGB – die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – im letzten Jahr für bestimmte Anwendungsfälle für verfassungswidrig erklärt.


  • BGH, Beschluss vom 12.07.2011, Az.: 3 StR 186/11

    Das Landgericht Lüneburg hat die Angeklagte wegen versuchter Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
    Gegen diese Entscheidung legte die Angeklagte Revision ein. Damit wollte sie erreichen, dass ein minder schwerer Fall des Totschlags gemäß § 213 StGB bejaht wird. Für diese Tat liegt die Strafandrohung unter der des Totschlags.

    Der BGH bestätigte die Revision, welche erfolgreich war. Es könne der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Der BGH sah hier einen Fall des § 213 StGB:

    „Die Begründung, die Schläge des Nebenklägers stellten keine „der Tat unmittelbar vorausgehende Provokation“ dar, lässt besorgen, dass das Landgericht einen unzutreffenden Maßstab für die Prüfung des Merkmals „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ angelegt hat. Es ist nicht maßgebend, ob sich die Tat als Spontantat darstellt. Es kommt vielmehr darauf an, ob die in den Schlägen des Nebenklägers liegende Kränkung einen noch anhaltenden Zorn der Angeklagten hervorgerufen und diese zu ihrer Tat hingerissen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 – 5 StR 165/11 mwN).
    Auf diesem Rechtsfehler beruht der Strafausspruch. Zwar hat das Landgericht die Strafe – nach insoweit rechtsfehlerfreier Ablehnung der zweiten Alternative des § 213 StGB – dem wegen Versuchs und wegen erheblich verminderter Schuldfähigkeit zweifach gemilderten Rahmen des § 212 StGB entnommen, der unter dem des § 213 StGB liegt. Indes erscheint es möglich, dass das Landgericht, wäre es bei Zugrundelegung eines zutreffenden Maßstabs zur Annahme eines minder schweren Falls wegen vorangegangener Provokation gelangt, diesen Strafrahmen im Hinblick auf die letztlich nur geringen Verletzungen nochmals nach §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB und/oder §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert und daraus eine mildere Strafe gefunden hätte.“

    Damit sei die Ablehnung eines minder schweren Falls nicht berechtigt und die Strafe aus diesem Grund nicht angemessen im Sinne von § 354 Ia Satz 1 StPO. Daher hat der BGH das Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und war die Strafverteidigung erfolgreich.


  • BGH, Beschluss vom 14.04.2011, Az.: 2 StR 34/11

    Das Landgericht Aachen hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer früheren Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Außerdem hat es den vom Angeklagten zur Tatausführung genutzten Pkw eingezogen. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte erhebliche Aufklärungshilfe geleistet, indem er der Polizei Daten seiner Mittäter im Rahmen der Raubtaten genannt hatte.
    Das Landgericht hat dies als  allgemeinen Strafmilderungsgrund gewertet und im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt.

    Im Rahmen der erfolgreichen Revision hat der 2. Strafsenat des BGH nunmehr ausgeführt, dass dies sei nicht ausreichend ist, sondern vielmehr eine Milderung gem. § 46b Abs. 1 Satz 1 StGB zu prüfen ist, auch wenn der Angeklagte seine eigene Tatbeteiligung leugnet:

    „Damit hat es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen zu prüfen, ob die zu erkennenden Strafen gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 StGB zu mildern sind. Nach den getroffenen Feststellungen lagen die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. k StPO vor. Der Umstand, dass der Angeklagte seine eigenen Tatbeiträge geleugnet hat, steht der Anwendung der Vorschrift des § 46b Abs. 1 StGB nicht entgegen (vgl.  Fischer StGB 58. Aufl. § 46b Rn. 13 mwN), sondern ist im Rahmen der für die Ausübung des Ermessens nach § 46b Abs. 2 StGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu niedrigeren Einzelfreiheitsstrafen und zu einer insgesamt niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre, wenn es § 46b StGB in seine Erwägungen einbezogen hätte.“

    Ebenfalls hat das Landgericht in den schriftlichen Urteilsgründen nicht mitgeteilt, welchen Wert der im Eigentum des Angeklagten stehende und eingezogene PKW hat, so dass das Revisionsgericht nicht prüfen kann, ob die Einziehung zu Unrecht im Rahmen der Strafzumessung unberücksichtigt geblieben ist:

    „Das Landgericht hat zudem bei der Strafzumessung nicht erörtert, ob die Einziehung des dem Angeklagten gehörenden Pkws strafmildernd zu berücksichtigen ist. Ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust durch Einziehung kann strafmildernd zu berücksichtigen sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 – Strafzumessung 1, 16 und 39). Einer ausdrücklichen Erörterung bedarf es zwar dann nicht, wenn angesichts des Wertes die Einziehung die Bemessung der Strafe nicht wesentlich zu beeinflussen vermag (Senat, NStZ 1985, 362; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 39). Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, kann der Senat aber nicht beurteilen, da das Landgericht den Wert des eingezogenen Pkws nicht mitgeteilt hat.“

    Damit hat der BGH klar gestellt, dass – sofern die Voraussetzungen vorliegen – das Gericht eine Strafmilderung nach § 46b I 1 StGB zumindest erörtern und bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ggf. anwenden muss. Zudem könne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46b I StGB nicht allein deshalb verneint werden, weil die eigenen Tatbeiträge geleugnet werden. Somit ist ein Geständnis nicht zwingend für die Strafmilderung erforderlich.

    Daher wurde Urteil im Ausspruch über die Einzelstrafen sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben.


  • 5. Strafsenat des BGH, Az.: 5 StR 507/09

    Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen „besonders schwerer räuberischer Erpressung (Einsatzstrafe von einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe), unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahre in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in drei Fällen (Einzelfreiheitsstrafen von acht und zweimal sechs Monaten) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt“ worden. Von der Gesamtfreiheitsstrafe galten drei Monate wegen überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt. Zusätzlich wurde der Verfall von Wertersatz in Höhe von 10 Euro angeordnet. Hiergegen wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

    Im Hinblick auf die Gesamtstrafe bestehen beim Strafsenat durchgreifende Bedenken. So hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung für die besonders schwere räuberische Erpressung den Sonderstrafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB angenommen und dabei die Strafmilderungsgründe des § 21 StGB herangezogen, „ohne den nach Auffassung des Landgerichts ein minder schwerer Fall nicht hätte bejaht werden können, so dass eine weitere Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB nicht mehr in Frage kam (§ 50 StGB)“.

    In der Gesamtwürdigung seien sowohl Aspekte der Tatdurchführung dem Angeklagten zu Lasten gelegt, aber auch ihm zugute gehalten, dass er nicht vorbestraft gewesen wäre sowie die Tat über vier Jahre zurückliege. Insgesamt erweckt dies nach Ansicht des Senats jedoch den Eindruck, das Landgericht habe weitere strafmildernde Umstände außer Acht gelassen, die ohne Heranziehung des § 21 StGB zu einem minder schweren Fall führen könnten:

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „So handelte es sich um eine spontane, aus der Situation heraus entstandene Tat, der ein gruppendynamisches Geschehen zugrunde lag. In die Würdigung maßgebend einzubeziehen war ferner der Umstand, dass es sich um eine Tat innerhalb des Drogenmilieus mit bereits geringer Beuteerwartung handelte. Das Messer, mit dem das Opfer aus einem Meter Entfernung bedroht wurde, war nicht vom Angeklagten, sondern von einem Mittäter geführt worden. Keine negativen Feststellungen hat das Landgericht schließlich zur strafrechtlichen Entwicklung des Angeklagten seit den im Zeitpunkt des Urteils vier (Raubtat) bzw. knapp drei (Betäubungsmittelstraftaten) Jahre zurückliegenden Taten getroffen. Der Ausspruch über die Einsatzstrafe kann danach keinen Bestand haben; dabei verkennt der Senat deren verhältnismäßig milde Bemessung im Ergebnis nicht.“

    Folglich führt dies zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Sache ist zur neuen Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Außerdem weißt der Senat hinsichtlich der Verfallsentscheidung auf die Normen des §§ 430, 442 StPO hin.


  • 2. Strafsenat des BGH, Az. 2 StR 483/09

    Der Angeklagte ist vom Landgericht Köln wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat aus folgenden Erwägungen Erfolg.

    Mit der Sachrüge rügt der Anklagte unter anderem die Ausführungen zur Strafzumessung seitens des Gerichts. So hat das Landgericht zur Strafzumessung (fünf Jahre) folgendes ausgeführt:

    „Die im Rahmen der Gesamtabwägung nach § 213 StGB bedeutsamen Umstände sind nochmals im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne abzuwägen. In Anbetracht der Vielzahl der für den Angeklagten sprechenden Umstände hält die Kammer eine Strafe unterhalb der Mitte des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von fünf Jahren für tat- und schuldangemessen, aber auch im Hinblick auf die Folgen der Tat für erforderlich.“

    Eine solche Bemessung hält nach Ansicht des Strafsenats einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insbesondere seien die Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen und die Strafe nicht anhand einer etwaigen „Mitte“ festzulegen.

    So heißt es im Wortlaut des Beschlusses des Strafsenats:

    „Die Orientierung an dem rechnerischen Mittel des Strafrahmens ist dem Wesen der Strafzumessung grundsätzlich fremd (vgl. BGH StV 2008, 175; BGH Beschluss vom 3. Dezember 2002 – 3 StR 406/02 – jeweils m.w.N.). Der Tatrichter muss die im Einzelfall zu beurteilende Tat in Ansehung aller strafzumessungsrelevanten Umstände ohne Bindung an weitere Fixpunkte als die Ober- und Untergrenze des Strafrahmens in den gefundenen Strafrahmen einordnen. Den Urteilsgründen ist hier schon nicht hinreichend sicher zu entnehmen, wie die Strafkammer die „Mitte“ des Strafrahmens bestimmt hat, so dass sie zu der Einordnung der verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren als unterhalb der „Mitte“ gelangt. Anders als in dem Senatsbeschluss vom 25. Juni 2009 – 2 StR 113/09 – zugrunde liegenden Fall lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auch nicht entnehmen, dass sich die Strafkammer bei der Zumessung nicht tatsächlich an der „Mitte“ des Strafrahmens orientiert hat. Angesichts der im Urteil dargelegten zahlreichen Milderungsgründe versteht sich die Schuldangemessenheit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren nicht von selbst.“

    Es ist daher nicht auszuschließen gewesen, dass der Strafausspruch auf diesen Fehler beruht. Die bereits getroffenen Feststellungen des Landgerichts Köln bleiben davon unbetroffen bestehen, ergänzende Feststellungen bleiben möglich, sofern sie nicht im Widerspruch zu den bisher getroffenen stehen.

    Ergänzend bemerkt der Strafsenat, dass der minder schwere Fall nach § 213 1. Alt StGB im vorliegenden Sachverhalt in Betracht käme und daher vom neuen Tatrichter zu prüfen sei.

    „In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine für sich gesehen nicht als schwer einzustufende Beleidigung dann als schwer bewertet werden kann, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der „Tropfen“ war, der „das Fass zum Überlaufen“ gebracht hat (st. Rspr., vgl. BGH StV 1998, 131; NStZ-RR 1996, 259; NStZ 1983, 365; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5, 8).“

    Die Revision hat somit Erfolg. Der Strafausspruch ist aufzuheben und über diesen neu zu entscheiden.

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 65/10

    Die beiden Angeklagten sind vom Landgericht Krefeld wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit solchen in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.

    Gegen die Entscheidung wendeten sich die Angeklagten mit ihrer auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

    Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Angeklagten am 13.07.2009 nach vollendeter Einfuhr von Betäubungsmitteln (ca. 3 kg Marihuana und 3kg Amphetamin) aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland von der Polizei festgenommen. Bei der polizeilichen Vernehmung und weiteren Ermittlungs- bzw. Zwischenverfahren leisteten beide Angeklagten keine „Aufklärungshilfe“. Erst in der Hauptverhandlung am 6.11.2009 gaben die Angeklagten Hinweise zu ihrem Auftraggeber.

    Auf Grund dieser späten Angaben zum Auftraggeber ist nach Ansicht des Landgerichts eine Strafmilderung nach § 31 BtMG ausgeschlossen, denn “der späte Zeitpunkt der Aussagen erst in der Hauptverhandlung führe gemäß § 31 Satz 2 BtMG, § 46 b Abs. 3 StGB i. V. m. Art. 316 d EGStGB (jeweils in der Fassung des 43. StrÄndG vom 29. Juli 2009, BGBl I 2288, in Kraft seit 1. September 2009) dazu, dass wegen der nunmehr geltenden zeitlichen Grenze der Berücksichtungsfähigkeit die „Vergünstigung des § 31 BtMG“ den Angeklagten nicht mehr zugute kommen könne.

    Hierin liegt nach Ansicht des Strafsenats ein Rechtsfehler in der Anwendung der Neuregelung auf Verfahren vor Inkrafttreten dieser. So führt der Strafsenat in seinem Beschluss im Weiteren aus:

    „Art. 316 d EGStGB bestimmt, dass § 46 b StGB und § 31 BtMG in der Fassung des 43. StrÄndG nicht auf Verfahren anzuwenden sind, in denen vor dem 1. September 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist. Diese negativ formulierte Überleitungsvorschrift stellt eine – verfassungsrechtlich unbedenkliche (BVerfGE 81, 132, 136 f.; BGHSt 42, 113, 120; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 2 Rdn. 16) – Derogation des Meistbegünstigungsprinzips (§ 2 Abs. 3 StGB) dar, die die Gerichte in bereits rechtshängigen Verfahren von der gegebenenfalls schwierigen Bewertung entbinden soll, ob die alte oder neue Fassung des § 31 BtMG nach den Umständen des konkreten Einzelfalls das mildere Gesetz sei (BTDrucks. 16/6268 S. 17: etwa im Hinblick auf die Frage einer Milderung nach § 49 Abs. 1 oder 2 StGB oder eines Absehens von Strafe). [..] Sie bedeutet jedoch nicht, dass im Umkehrschluss die neuen Vorschriften – und damit auch die Präklusionsvorschrift des § 46 b Abs. 3 StGB – ohne weiteres auf Verfahren anzuwenden sind, in denen die Eröffnung des Hauptverfahrens nach dem 1. September 2009 beschlossen worden ist. Für die Frage des auf diese Verfahren anwendbaren Rechts gelten vielmehr die allgemeinen Regeln, nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit geltende materielle Recht Anwendung findet (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB), sofern das neuere Recht in seiner Gesamtheit keine für den Angeklagten günstigere Regelung darstellt (§ 2 Abs. 3 StGB).“

    Die Anwendung des § 31 Satz 2 BtMG nF führt zur Versagung der nach alter Rechtslage denkbaren Milderungsmöglichkeiten im Sinne des § 31 BtMG und somit zu einer nachteiligen Änderung des zur Tatzeit geltenden materiellen Rechts zu Lasten des Angeklagten. Sowohl die fehlende Gesetzesbegründung als auch das Rückwirkungsverbot sprechen gegen diese Anwendung der Neuregelung.

    Auszug aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Einer Auslegung des Art. 316 d EGStGB dahin, dass in den ab dem 1. September 2009 eröffneten Verfahren stets § 31 BtMG nF anzuwenden ist, kann auch deshalb nicht gefolgt werden, weil dies eine Änderung der mit Verfassungsrang (Fischer, StGB 57. Aufl. § 2 Rdn. 2; Eser aaO Rdn. 1) versehenen Vorschrift des § 2 Abs. 1 StGB und damit einen Verstoß gegen das im Strafrecht absolut geltende Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) darstellen würde. Zu den vom Rückwirkungsverbot erfassten Normen gehören auch jene Regeln, die über die Art und Weise der Rechtsfolgen der Erfüllung eines Straftatbestandes entscheiden und damit auch die Vorschriften über die Strafzumessung (vgl. BVerfGE 105, 135, 156 f.; Schulze-Fielitz in H. Dreier, Grundgesetz-Kommentar 2. Aufl. Art. 103 Abs. 2 Rdn. 24). Dass § 31 BtMG tatbestandlich an das Nachtatverhalten und einen etwaigen Aufklärungserfolg anknüpft, mithin an Sachverhalte, die (teilweise) in die Zeit nach Inkrafttreten des 43. StrÄndG fallen, ändert daran nichts. Mit der gesetzlichen Bestimmung der Strafbarkeit ist der gesamte sachliche Rechtszustand gemeint, von dem die Zulässigkeit und die Modalitäten der Ahndung einer Straftat abhängen (Fischer aaO § 1 Rdn. 15; Eser aaO § 2 Rdn. 20; Rudolphi in SK-StGB § 2 Rdn. 8; Schmitz in MünchKomm-StGB § 2 Rdn. 10; Schulze-Fielitz aaO Rdn. 23 ff., 50).“

    Vor dem Hintergrund dieser fehlerhaften Anwendung der Neuregelung des § 31 BtMG ist der Strafausspruch aufzuheben und die Strafzumessung durch den neuen Tatrichter neu vorzunehmen. Die bisherigen, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können davon unberührt bestehen bleiben. Es sind jedoch ergänzende Feststellungen möglich, sofern diese nicht im Widerspruch zu den bisher getroffenen stehen.

  • 5. Strafsenat des BGH, Az. 5 StR 130/10

    Der Angeklagte ist vom Landgericht Kiel „unter Freisprechung im Übrigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, wegen räuberischer Erpressung, wegen versuchter Nötigung, wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.“ worden. Mit der hiergegen gerichteten Revision kann der Angeklagte vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen Teilerfolg erzielen.

    Wie der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des BGH ausführt, hat der Strafausspruch des Landgerichts Kiel keinen Bestand, da das Landgericht diverse Milderungsgründe in der Bestimmung des Strafrahmens außer Acht gelassen und den Angeklagten, der bereits vor 10 Jahren wegen Straftaten im „Drogenmilieu“ verurteilt wurde, für einen „hartnäckigen Wiederholungstäter“ und „massiven Bewährungsversager“ gehalten hat.

    Auszug aus dem Wortlaut der Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

    “Insbesondere genügen die Erwägungen, mit denen das Landgericht in den Fällen 2 und 4 des Urteils das Vorliegen minder schwerer Fälle nach § 249 Abs. 2 StGB bzw. § 239a Abs. 2 StGB trotz eher atypisch gelagerter Straftaten im Drogenmilieu und einer Reihe gewichtiger Milderungsgründe ausgeschlossen hat, auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes (vgl. BGHSt 29, 319, 320) nicht den Anforderungen der insoweit vorzunehmenden Gesamtwürdigung (vgl. dazu BGHSt 26, 97, 98 f.; BGH NStZ 1982, 246; 1983, 119). Das Landgericht lastet dem Angeklagten tragend an, ein „hartnäckiger Wiederholungstäter“ und „massiver Bewährungsversager“ zu sein (UA S. 85), den auch früher erlittene Untersuchungshaft nicht von der Begehung der gegenständlichen Straftaten abgehalten habe. Es berücksichtigt dabei aber nur vordergründig, dass die letzten unmittelbar einschlägigen Delikte und Verurteilungen ebenso wie die seinerzeit vollstreckte Untersuchungshaft rund zehn Jahre zurückliegen und der Angeklagte die damals gewährten Strafaussetzungen zur Bewährung durchgestanden hat, weswegen die Strafen erlassen werden konnten (UA S. 6). Ebenso lag es mit einer im Jahr 2002 verhängten Bewährungsstrafe wegen Betäubungsmitteldelikten (UA S. 7). Weitere Vorverurteilungen betrafen geringer gewichtige Delikte. Die im Rahmen der Strafzumessung zur Persönlichkeit des Angeklagten getroffenen Wertungen finden deshalb in den Feststellungen keine hinlängliche Grundlage.“

    Diese Begründungs- und Wertungsfehler führen zur Aufhebung des Urteils hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs. Der neue Tatrichter ist jedoch nicht gehindert, neue Feststellungen zu treffen, die zu keinem Widerspruch mit den bisherigen stehen. Ein Sachverständiger hat des Weiteren zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB gegeben sind, da – vom BGH wiederholt entschieden – die Entscheidung gemäß § 64 StGB nicht vom Verschlechterungsverbot umfasst ist.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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