Strafprozess

  • Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen (U-Haft) ist eine Grundmaxime des Strafprozessrechts. Damit ist gemeint, dass ein Verfahren so schnell wie möglich durchzuführen ist, um die erheblichen Beeinträchtigungen für den Angeklagten so gering wie möglich zu halten. Festgelegt ist dies insbesondere in Art. 6 I 1 der EMRK.

    Im vorliegenden Fall sollte eine Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO erfolgen. Allerdings hat sich das Gericht dazu entschieden, eine Erörterung des Verfahrensstandes nach § 202a S. 1 StPO durchzuführen. Dabei kam die Frage auf, ob dies im Fall der Haftprüfung dem Beschleunigungsgrundsatz widerspricht und den Angeklagten durch die zusätzliche Zeit übermäßig belastet.

  • Das Landegericht Hamburg verhandelt einen Prozess gegen einen mutmaßlichen Angehörigen des Rockerclubs „Hells Angels“. Dem 20-Jährigen wird vorgeworfen innerhalb von sechs Monaten Zuhälterei, Menschenhandel, Körperverletzung, Waffenbesitz, Drogenhandel, Vergewaltigung und einen versuchter Mord begangen zu haben.
    Der versuchte Mord soll demnach so abgelaufen sein, dass er heimtückisch, aus einem fahrenden Auto mehrere gezielte Schüsse auf zwei Männer abgegeben habe, welche jedoch ihr Ziel verfehlten.

    Bei einer Verurteilung droht dem Mann, aufgrund seines Alters, eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 21.05.2011 )


  • Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main beginnt ein Prozess gegen einen mutmaßlichen Al Quaida-Terroristen. Dem in Frankfurt geborenen Deutsch-Syrer wird zur Last gelegt, dass er von Mai 2009 bis Juni 2010 Mitglied von Al Quaida gewesen sein und die Organisation unterstützt haben soll.

    Die Anklage wirft ihm vor, im März 2009 nach Pakistan gereist zu sein und sich dort in einem terroristischen Ausbildungslager der Islamistischen Bewegung Usbekistan (IBU) aufgehalten und sich darauf Al Quaida angeschlossen zu haben. Im Juni 2010 sollte er nach Deutschland zurückreisen und Al Quaida mit Geldzahlungen unterstützen.
    Der Angeklagte hat sich bereits umfassend zu den Vorwürfen geäußert. Zudem galt er als Informant für die Sicherheitsbehörden und soll Informationen über geplante Anschläge preisgegeben haben.

    ( Quelle: FAZ Nr. 104 vom 05.05.2011, S. 4 )


  • Gestern gegen 9 Uhr wurde Jörg Kachelmann im Prozess wegen der angeblichen Vergewaltigung  einer seiner früheren Freundinnen als Delikt nach dem Sexualstrafrecht freigesprochen. Kurz darauf veröffentlichte das LG Mannheim eine ausführliche Pressemitteilung zum Freispruch, die einige Ausführungen zu dem Auftreten der Medien während der gesamten Zeit des Prozesses beinhalten. Im Übrigen enthält die Pressemitteilung auch scharfe Worte gegenüber der Nebenklägerin und dem Angeklagten.

    Pressemitteilung:

    LG Mannheim: Freispruch für Jörg Kachelmann

    Das LG Mannheim hat den Angeklagten Jörg Kachelmann vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen.

    Der Vorsitzende der Kammer wies darauf hin, dass der Freispruch nicht darauf beruht, dass die Kammer von der Unschuld von Herrn Kachelmann und damit im Gegenzug von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt ist. Es bestehen aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Zweifel an der Schuld von Herrn Kachelmann. Er war deshalb nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freizusprechen. Der Kammer zu unterstellen, sie sei nicht bestrebt, die Wahrheit herauszufinden und sie stattdessen mit dem Vorwurf zu überziehen, sie verhandele, bis etwas Belastendes herauskomme, ist schlicht abwegig. Im Ergebnis wird damit meinen Kollegen und mir jegliche Professionalität und jegliches Berufsethos abgesprochen. Es bleibt der ungerechtfertigte, dem Ansehen der Justiz schadende Vorwurf im Raum stehen, Richter seien bei Prominenten bereit, zu deren Lasten Objektivität, richterliche Sorgfalt und Gesetze außeracht zu lassen.

    Gleiches gilt im übrigen für die Staatsanwälte. Gerade der vorliegende Fall steht in seiner Komplexität exemplarisch dafür, dass mit vertretbaren Erwägungen unterschiedliche Sichtweisen denkbar sind. Den Vertretern der Staatsanwaltschaft deshalb pflicht- bzw. gesetzeswidriges Verhalten zu unterstellen, ist eines Strafprozesses unwürdig. Die – wenn auch hart geführte – Auseinandersetzung in der Sache setzt immer auch den respektvollen Umgang miteinander voraus. Diesen hat der Verteidiger des Angeklagten häufig vermissen lassen. Dass angesichts der Verdachtslage ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, Anklage zu erheben und das Hauptverfahren zu eröffnen war, ist bei objektiver Betrachtung der gesamten Aktenlage – und nur auf die kommt es bei den vorgenannten Entscheidungen an – nicht zu bezweifeln. Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe hat dies nicht anders gesehen.

    Der Vorsitzende hat vor allem auch die Rolle des Internets und der Medien kritisch beleuchtet: Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aber auch sie kennt Grenzen. Diese Grenzen existieren offensichtlich im Internet nicht. Vorwiegend hinter der Fassade der Anonymität wurden im Verlauf des Verfahrens in den Meinungsforen, Blogs und Kommentaren im Internet die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten, der Nebenklägerin, aber auch des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten immer wieder mit Füßen getreten, ohne dass die Möglichkeit bestanden hätte, sich dagegen in irgendeiner Weise effektiv zur Wehr zu setzen. Auch angeblich Sachkundige konnten nicht der Versuchung wiederstehen, ohne Aktenkenntnis und ohne an der Hauptverhandlung teilgenommen zu haben, häufig aber auf der Grundlage unvollständiger und fehlerhafter Medienberichte per Ferndiagnose ihre persönliche Meinung zum Besten zu geben, die in der Regel nichts mit sachlicher Kritik zu tun hatte, sondern häufig nur Klischees bediente.

    Die Pressefreiheit zählt wie die Meinungsfreiheit zu den elementaren Grundrechten. Die Gerichte haben bei ihrer Tätigkeit die Pressefreiheit zu respektieren und den Medien eine angemessene Berichterstattung über das Verfahren zu ermöglichen. Gerichte müssen und sollen damit leben, dass sie durch die Medien öffentlicher Kontrolle unterliegen. Umgekehrt aber ist es Aufgabe der Presse, vollständig und sachlich zu berichten, dem Leser damit die Möglichkeit zu geben, sich unvoreingenommen eine Meinung zu bilden und dabei die Würde des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten zu achten. Statt der gebotenen Zurückhaltung gegenüber einem laufenden Verfahren prägten vorschnelle Prognosen, das einseitige Präsentieren von Fakten und mit dem Anschein von Sachlichkeit verbreitete Wertungen die Berichterstattung. Diese mögen zwar als Garant für Schlagzeilen und Verkaufszahlen dienen; der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung sind sie jedoch in hohem Maße abträglich. Sie erzeugen Stimmungen, wo Sachlichkeit gefragt ist; letztlich vertiefen sie den mit der Durchführung eines Strafverfahrens verbundenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Nebenklägerin in nicht gerechtfertigter Weise. Vor allem aber erschweren sie die Akzeptanz eines Richterspruchs in der Öffentlichkeit und schaden damit dem Ansehen der Justiz.

    Mit Befremden hat die Kammer die Aufrufe an die Bevölkerung registriert, im Wege der Abstimmung über Schuld und Unschuld des Angeklagten zu entscheiden. Damit verkommt das Gerichtsverfahren nicht nur zu einem reinen Event; vielmehr werden Entscheidungen von Gerichten, denen nicht selten eine hochkomplizierte Entscheidungsfindung vorausgeht, in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Merkmal der Beliebigkeit behaftet. Dass auch dadurch dem Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit massiver Schaden zugefügt wird, liegt auf der Hand. Mit öffentlicher Kontrolle der Gerichte durch die Medien hat diese Form der Medienarbeit nichts zu tun. Der Kammer ist bewusst, dass die Arbeit der Medien im vorliegenden Verfahren unter erschwerten Bedingungen stattfand. Durch den wiederholten Ausschluss der Öffentlichkeit war es den Medienvertretern nicht möglich, sich ein vollständiges Bild vom Ablauf und Inhalt der Hauptverhandlung zu machen. Dies hätte jedoch umso mehr Anlass zur Zurückhaltung bei der Berichterstattung sein müssen. Die Kammer hätte vor allem in diesem Zusammenhang von Seiten der Medien mehr Verständnis für die Belange des Strafprozesses erwartet.

    Das Gericht ist bei der Durchführung der Hauptverhandlung in erster Linie der Wahrheitsfindung verpflichtet. Dabei sind nicht nur die in der Strafprozessordnung vorgegebenen Regeln einzuhalten; die Gerichte, denen von Gesetzes wegen erhebliche Eingriffsbefugnisse zustehen, haben vor allem darauf zu achten, dass die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Zeugen nicht mehr als zur Wahrheitsfindung erforderlich eingeschränkt werden. Ob einer Hauptverhandlung für die breite Öffentlichkeit ein ausreichender Unterhaltungswert zukommt, ist für die Beurteilung der Schuldfrage und damit für die Gestaltung der Hauptverhandlung ohne Belang. Das Gericht ist bei der Durchführung der Hauptverhandlung nicht der Befriedigung des Sensations- und Unterhaltungsinteresses verpflichtet. Die medienwirksam vorgetragene Kritik des Verteidigers am Ausschluss der Öffentlichkeit ließ vordergründig den Eindruck entstehen, die Kammer habe bis zu seinem Auftreten ohne sachliche Rechtfertigung die Öffentlichkeit in exzessiver Weise ausgeschlossen. Dass sich drei Zeuginnen durch Interviews ihrer Persönlichkeitsrechte – jedenfalls teilweise – begeben hatten, verstärkte diesen Eindruck. Ohne Zweifel haben diese drei Zeuginnen und die entsprechenden Medien durch ihr Verhalten dem Ablauf der Hauptverhandlung geschadet.

    Im Rahmen der Urteilsbegründung im engeren Sinn hat der Vorsitzende die Komplexität der Beweislage, aber auch das Erfordernis der umfangreichen Beweisaufnahme betont und darauf hingewiesen, dass gerade die Plädoyers der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Verteidigerin dies eindrucksvoll belegt hätten. Er führte aus, dass der Schuldspruch auf einer tragfähigen Beweisgrundlage aufbauen muss, die die hohe Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Beweisergebnisses ergibt. Er wies daraufhin, dass nicht nur die Nebenklägerin, sondern auch der Angeklagte nach Überzeugung der Kammer in einigen Punkten die Unwahrheit gesagt haben. Er hob jedoch in diesem Zusammenhang hervor: „Dass sie in einzelnen Punkten die Unwahrheit gesagt haben, macht sie unter Berücksichtigung der weiteren Beweisergebnisse angreifbar; dass sie deshalb insgesamt die Unwahrheit gesagt haben, lässt sich mit dieser Feststellung nicht belegen.“ In diesem Zusammenhang verwies er auf die Ausführungen in einem juristischen Lehrbuch, in dem sich bezogen auf das Sprichwort „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht“ folgender Hinweis findet: „Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, stets anzunehmen, dass jemand der in einem Nebenpunkt lügt, auch im Kernpunkt die Unwahrheit sage“.

    Zusammenfassend lasse sich sagen, dass keiner der außerhalb der Aussagen liegenden Beweise für sich gesehen geeignet ist, die Schuld oder gar die Unschuld des Angeklagten zu belegen. Es ist vielmehr festzuhalten, dass die objektive Beweiskette in die eine wie in die andere Richtung immer wieder abreißt. Die unzureichende objektive Beweislage lässt sich auch durch die von dem Vertreter der Nebenklage in seinem Plädoyer aufgeworfenen Sinnfragen nicht auffüllen. Diese zu Recht in den Raum gestellten Sinnfragen belegen zwar begründete Zweifel an einer Falschbeschuldigung durch die Nebenklägerin; die Zweifel an der Schuld des Angeklagten können sie jedoch nicht ausräumen.

    Urteil des LG Mannheim vom 31.05.2011

    Az.:    5 Kls 404 Js 3608/10
    Quelle:
    Pressemitteilung des LG Mannheim vom 31.05.2011


  • Strafsenat des OLG Celle, Az.: 32 Ss 152/10

    Der Angeklagte K. wurde wegen Anstiftung zu einer durch den Mitangeklagten Z. begangener versuchten Nötigung in drei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, in Tatmehrheit mit Nötigung in Tateinheit mit Störung des öffentlichen Friedens in Tatmehrheit mit Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

    Das Schöffengerichts stellte fest, dass der frühere Mitangeklagte Z. auf Veranlassung des Angeklagten und des früheren Mitangeklagten C. mehrere Straftaten, die sich gegen den Geschäftsbetrieb der in W. gelegenen, von dem Pächter B. betriebene Diskothek gerichtet hätten. Wegen dieser Taten wurde der frühere Mitangeklagte Z. wegen versuchter Nötigung in drei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, in Tatmehrheit mit Nötigung in Tateinheit mit Störung des öffentlichen Friedens in Tatmehrheit mit Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

    Dem Urteil lag eine Verständigung gemäß § 257c StPO zugrunde.

    Das Schöffengericht würdigte im Rahmen der Strafzumessung die umfassenden Geständnisse zugunsten aller drei Angeklagten. Zu Lasten des Angeklagten und des früheren Mitangeklagten C. wurde in die Strafzumessung einbezogen, dass beide durch die Taten einen Konkurrenten als Betreiber einer Diskothek aus dem Geschäft hätten verdrängen wollen und ein erhebliches Ausmaß an krimineller Energie angesichts der langen, professionellen Vorbereitung der Taten an den Tag gelegt hätten. Das Schöffengericht verhängte für die einzelnen Anstiftungshandlungen Einzelstrafen zwischen 2 Monaten sowie 1 Jahr und 1 Monat und bildete daraus die Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten.
    Der frühere Verteidiger des Angeklagten verzichtet in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht auf Rechtsmittel.
    Nun richtet sich der Angeklagte gegen das Urteil mit der Revision. Er stellt darauf ab, dass die §§ 261, 267 StPO verletzt worden sind da die Feststellungen nicht in genügender Weise mit Tatsachen unterlegt worden sind. Insbesondere lasse das Geständnis nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise erkennen, dass die getroffenen Feststellungen durch das Geständnis getragen werden.

    Die Revision hatte vor dem OLG Celle Erfolg. Das amtsgerichtliche Urteil lasse nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise erkennen, auf welcher Grundlage die zugrunde gelegten Feststellungen getroffen worden seien und stehe deshalb nicht mit § 261 StPO in Einklang. Das Amtsgericht hat rechtsfehlerhaft auf eigene Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen verzichtet.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Ungeachtet der in die StPO eingefügten Vorschriften über die Verständigung mit ihrer Kernregelung in § 257c StPO sind die Tatgerichte auch bei einem auf einer Verständigung im Sinne der vorgenannten Vorschrift beruhenden Urteil nicht berechtigt, diesem einen Sachverhalt zugrunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht (vgl. BGH StV 2009, 232).
    Der Gesetzgeber ist bei der Einführung der gesetzlichen Regelungen über die Verständigung im Strafverfahren davon ausgegangen, dass eine Verständigung stets lediglich unter Berücksichtigung aller ansonsten auch geltenden Verfahrensregeln einschließlich der Überzeugung des Gerichts vom festgestellten Sachverhalt und der Glaubhaftigkeit eines Geständnisses stattfinden darf (BTDrucks. 16/12310, S. 8).
    Das zentrale Ziel des Strafprozesses bleibt, auch in einem Strafverfahren, das durch ein auf einer Verständigung beruhendem Urteil abgeschlossen wird, den wahren Sachverhalts als notwendige Grundlage einer gerechten Entscheidung der Strafsache zu ermitteln (BGHSt [GS] 50, 45, 48). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die Zulässigkeit von Absprachen über den Inhalt von Urteilen, die auch nach der gesetzlichen Regelung über die Verständigung Bedeutung behält, untersteht die Ermittlung des wahren Sachverhalts durch den Tatrichter dem aus § 244 Abs. 2 StPO abzuleitenden und verfassungsrechtlich geforderten „Gebot bestmöglicher Sachaufklärung“ (BGHSt [GS] 50, 45, 48 unter Bezugnahme auf BVerfGE 63, 45, 61, BVerfG NJW 2003, 2444). Wegen des in § 261 StPO statuierten Gebots, die für das Urteil relevanten Feststellungen aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu gewinnen, muss die eigentliche Feststellung der Ergebnisse der Beweisaufnahme der Urteilsberatung vorbehalten bleiben (BGHSt 43, 460. BGHSt [GS] 50, 45, 48 f.).“

    Der Senat hob das Urteil soweit es den Angeklagten betraf auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.


  • Vor dem Landgericht Kiel wird ein Prozess um so genannte Rockerclubs geführt. Die vier Angeklagten rivalisierender Rockergruppen sollen im Jahre 2010 in einem Schnellrestaurant drei Rocker der „Gegnergruppe“ überfallen haben. Zwei der Opfer sollen die geradezu heiligen „Kutten“ verloren haben, eines der Opfer wurde durch den Überfall lebensgefährlich verletzt.
    Laut Verteidigung haben die Gegner ihre Rivalen gezielt provoziert und eine Falle in dem Schnellrestaurant, das als Treff der Angegriffenen gilt, gestellt. Zudem würden sich die Zeugenaussagen widersprechen und seien eklatante Ermittlungspannen aufgetreten. Daher forderte die Verteidigung Freisprüche.
    Dazu kam, dass keines der Opfer etwas zum Tathergang sagte. Dies resultiert wahrscheinlich aus dem üblichen Ehrenkodex zwischen Rockern.

    Die Staatsanwaltschaft hingegen forderte wegen erwiesener gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Nötigung für zwei der Angeklagten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, beziehungsweise von zwei Jahren und neun Monaten.
    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 08.04.2011 )

     

  • Der vor dem Landgericht Leipzig verhandelte Fall wegen Mordes in zwei Fällen, versuchten Mordes sowie Raub- und Körperverletzung mit Todesfolge, geht dem Ende zu. Nun hielten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung ihre Plädoyers. Dem Angeklagten wird vorgeworfen drei junge Männer erschossen zu haben, da er sich in seinem Wohnort Groitzsch terrorisiert gefühlt habe und seiner Ansicht nach, zum Töten gezwungen worden sei.
    Die Staatsanwaltschaft forderte eine lebenslange Haft mit anschießender Sicherungsverwahrung. Die anwesende Oberstaatsanwältin erklärte dazu, dass sie so ein eklatanteres Missverhältnis zwischen dem Anlass der Tat und der Tatbegehung noch nie gesehen habe.

    Die Verteidigung forderte eine hohe Freiheitsstrafe. Der Angeklagte gestand die Tat und erklärte, dass es die Tat aufrichtig bereue. „Heute weiß ich: Der Kauf des von Vandalen und Dieben heimgesuchten Grundstücks in Groitzsch war ein Fehler. Ebenso wie die Entscheidung, eine Waffe zu kaufen.“
    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 12.04.2011 )


  • Vor dem Landgericht Oldenburg hat ein Prozess gegen drei Mitglieder eines Motorradclubs wegen versuchten Totschlags begonnen. Bei dem Motorradclub handelt es sich um den Rockerclub „Gremium MC“. Den Angeklagten wird vorgeworfen ihren Vorsitzenden im Oktober 2010 schwer verletzt zu haben. So sollen sie ihr Opfer Fußtritten und Hieben mit Schlagringen verletzt haben. Als Folge des Angriffs erlitt das Opfer schwere Kopfverletzungen.
    Zum Prozessauftakt waren ca. 50 Mitglieder aus verschiedenen norddeutschen Abteilungen des Motorradclubs angereist. Lediglich 20 durften, aufgrund der Platzverhältnisse im Sitzungssaal, nach eingehender Durchsuchung die Verhandlung beobachten.

    Die Polizei hatte das Gelände um das Gericht weiträumig abgesichert. Zudem waren Straßen- sowie Personenkontrollen eingerichtet worden.  Die Verteidigung stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter. Ein Oberstaatsanwalt sei vor einiger Zeit mit Mord bedroht worden, so dass kein faires Verfahren erwarten zu erwarten sei. Ferner seien ein Vernehmungsprotokoll manipuliert und Zeugenaussagen abgesprochen worden.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 25.03.2011 )


  • Der wegen Mordes an dem Bankierssohn Jakob von Metzler verurteilte Markus Gäfgen geht nun in einem Zivilprozess gegen das Land Hessen vor und fordert Schmerzensgeld.

    Nachdem Gäfgen im Jahre 2002 Jakob von Metzler entführt und getötet hatte, soll er in einem Verhör durch die Polizei mit Folterandrohung zur Benennung des Verstecks des Jungen gebracht worden sein. Gäfgen erklärte, dass er von einem Vernehmungsbeamten geschlagen und mit Schmerzen, Vergewaltigung, einem Wahrheitsserum und sogar mit dem Tod bedroht worden sei. Seitdem leide er an posttraumatischen Spätfolgen der illegalen Polizeimethoden.
    Der Vernehmungsbeamte hingegen bestritt den Vorwurf in Details. Zwar habe der frühere Frankfurter Polizeivizepräsident Daschner ihn beauftragt, den leugnenden Gäfgen auf Wahrheitsserum und mögliche Schmerzen durch einen einfliegenden SEK-Beamten „vorzubereiten“, aber er habe ihn nicht angefasst oder aus der Nähe bedroht.
    Ein Sachverständiger erklärte vor Gericht, dass Gäfgen eindeutig traumatisiert sei. Jedoch seien viele andere belastende Momente erkennbar. Bereits vor dem Verhör sei das Lügengebäude Gäfgens zusammengebrochen, er habe die eigene Lebensperspektive zerstört, zudem habe er den Tod seines Opfers miterlebt. Nach der Einschätzung des Gutachters sei der Tod des Jungen die für Gäfgen belastendste Erfahrung gewesen. Die Androhung der Folter könne die bereits vorhandene psychische Störung noch graduell verstärkt haben.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 17.03.2011 )


  • Im Kachelmann-Prozess und derzeit bekanntesten Fall aus dem Sexualstrafrecht trugen nun die Rechtsmediziner Markus Rothschild aus Köln und Klaus Püschel aus Hamburg ihre Gutachten zu den Verletzungen des mutmaßlichen Opfers vor.

    Die beiden Rechtmediziner verglichen, was das mutmaßliche Opfer über die angebliche Vergewaltigung ausgesagt hatte mit dem, was an Befunden tatsächlich vorliegt. Als Fazit kamen sie dazu, dass sich das Geschehen, so wie sie es geschildert hat, nicht zugetragen haben könne.

    Rothschild zitierte aus dem „Handbuch für gerichtliche Medizin“ einen Zehn-Punkte-Katalog von Merkmalen, die für Selbstverletzungen typisch seien. Dabei trafen viele Merkmale trafen auf das mutmaßliche Opfer zu. Hier sind beispielsweise das das Fehlen von Abwehrverletzungen, die leicht erreichbare Stelle, die oberflächlichen Ritzer an Bauch, linkem Schenkel und linkem Arm, die parallele Anordnung zu nennen.
    Rothschild habe eine solche Befundkonstellation noch nie gesehen. Püschel hingegen sprach von „eindeutigen Hinweisen auf Selbstverletzung“ und schloss ein überfallartiges Geschehen aus. Es seien viele Anhaltspunkte für eine Manipulation zu sehen. Die bei dem mutmaßlichen Opfer vorhandenen Hämatome könnten nicht durch Kachelmanns Knie verursacht worden sein.

    Zuvor war jedoch nochmals Mattern zu seinem Gutachten befragt worden. Insbesondere ging es dabei um die Frage, ob das Messer bei der angeblichen Tat den gesamten Tatzeitraum über an den Hals des mutmaßlichen Opfers gedrückt wurde. Mattern erklärte dazu, dass er sich nicht vorstellen könne, wie ein Messer immer gleich fest an den Hals gehalten werde, beim Gang von der Küche ins Schlafzimmer und dann beim Geschlechtsakt. „Nach 40 Jahren Rechtsmedizin denke ich, um solche Spuren zu erzeugen – das tut schon weh, das klingt nach. Der Schmerz hört nicht sofort auf.“ Die Staatsanwaltschaft fragte daraufhin nach wie viel Hautabrieb er am Messer erwarten würde, wenn es über längere Zeit an den Hals der Frau gedrückt worden sein sollte. Mattern erklärte auf die Frage, dass eine gewisse Menge von Hautepithelien erwarten müsse. Die Staatsanwaltschaft wandte ein, dass aber laut Spurenbericht nichts gefunden worden sei. „Gibt Ihnen das nicht Anlass zu einer anderen Einschätzung?“ Mattern, etwas irritiert: „Wenn die Epithelien nicht abgewischt wurden, dann wäre das ein Widerspruch.“

    Mattern hatte im vorangegangenen Prozesstag erklärt, dass er Experimente hinsichtlich der Verletzungen mit seiner Frau durchgeführt habe. Dies griff Rothschild nochmals auf und fragte, ob es richtig sei, dass bei keinem der Experimente solche Verletzungen entstanden seien, wie die, die das mutmaßliche Opfer behauptet. Mattern gab an, dass keines seiner Experimente zu vergleichbaren Verletzungen geführt habe. Die Ausführungen von Mattern am vorangegangenen Prozesstag seien somit spekulativ.

    Der Verteidiger von Kachelmann, Rechtsanwalt Johann Schwenn, erinnerte Mattern an seinen Gutachtenauftrag, nach dem er die Vereinbarkeit der Befunde mit der Schilderung der angeblich Geschädigten zu analysieren hatte. Schwenn: „Gibt es eine mögliche andere Erklärung für die Hämatome an den Schenkeln als immensen Druck durch männliche Knie?“ Mattern erwiderte darauf: „Man müsste an Kneifen denken. An festes Zusammenquetschen, mehrfach.“ Ferner erklärte er, dass bei demjenigen, der sich selbst öfter solche Verletzungen beibringe, auch die Neigung zur Ausbildung besonders auffälliger Blutergüsse steige.

    Sodann wurde Alice Schwarzer als Zeugin gehört. Sie berief sich jedoch auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Journalistin. Kachelmanns Verteidiger Schwenn hatte beantragt, Schwarzer vernehmen zu lassen, da sie über ihre Kontakte zu Günter Seidler, dem Therapeuten des mutmaßlichen Opfers, aussagen sollte. Schwenn ging es dabei um die Glaubwürdigkeit von Seidler.
    ( Quelle: spiegel-online vom 09.02.2011 )


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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