Verfahrenshindernis

  • Das Landgericht Duisburg hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes und versuchten Computerbetruges  zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt.

    Gegen die Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein. Er rügte, dass das Verfahren – bezogen auf die Verurteilung wegen besonders schweren Raubes – entsprechend § 206a Abs. 1 StPO einzustellen sei, da insofern kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorliegt und somit ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis besteht.

    Dazu der BGH:

    Das Formular des Eröffnungsbeschlusses vom 15. Februar 2011, mit dem die den Tatvorwurf des (besonders) schweren Raubes betreffende Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wurde, ist allein vom Vorsitzenden unterschrieben. Es kann dahinstehen, ob es wegen der fehlenden Unterschriften der beiden Beisitzer bereits an einer notwendigen Förmlichkeit für einen wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt (so BGH, Urteil vom 1. März 1977 – 1 StR 776/76; Beschluss vom 9. Juni 1981 – 4 StR 263/81, NStZ 1981, 448; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Mai 1991 – 1 Ss 43/91, NJW 1991, 2849, 2850; SK-StPO/Paeffgen, 4. Aufl., § 203 Rn. 8; HK-StPO-Julius, 4. Aufl., § 207 Rn. 18; offen gelassen von BGH, Urteil vom 15. Dezember 1986 – StbSt [R] 5/86, BGHSt 34, 248, 249) oder ob, wie die wohl herrschende Ansicht annimmt, eine fehlende oder nicht von allen mitwirkenden Richtern vorgenommene Unterzeichnung des Eröffnungsbeschlusses jedenfalls dann an dessen Wirksamkeit nichts ändert, wenn anderweitig nachgewiesen ist, dass der Beschluss tatsächlich von allen hierzu berufenen Richtern gefasst worden ist (s. etwa RG, Urteil vom 3. Februar 1910 – III 1038/09, RGSt 43, 217, 218; BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 1954 – 5 StR 703/53, NJW 1954, 360; vom 5. Februar 1997 – 5 StR 249/96, NJW 1997, 1380, 1381; vom 8. Juni 1999 – 1 StR 87/99, NStZ-RR 2000, 34; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., Vor § 33 Rn. 6; KK-Schneider, StPO, 6. Aufl., § 207 Rn. 29); denn eine ordnungsgemäße Beschlussfassung vermag der Senat hier nach den konkreten Umständen nicht festzustellen.

    Die eingeholten dienstlichen Äußerungen sind unergiebig. Die Beisitzer haben mitgeteilt, sich „an die Fassung des Eröffnungsbeschlusses konkret nicht erinnern“ zu können. Eine tatsächliche Beschlussfassung ergibt sich nicht daraus, dass sie – wie sie ausführen – über den Fall und die für eine Eröffnung ausreichende Beweislage gesprochen haben. Denn allein die Erörterung der Beweislage beinhaltet noch nicht die Willensäußerung, die Eröffnung zu beschließen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Februar 1983 – 3 StR 512/82, StV 1983, 318). Dies gilt vor allem angesichts der Tatsache, dass die Beisitzer die Gespräche zeitlich nicht näher eingrenzen konnten und damit offen bleibt, ob die Gespräche überhaupt vor oder an dem Datum der vermeintlichen Beschlussfassung stattgefunden hatten.

    Die Unwirksamkeit des vermeintlichen Beschlusses vom 15. Februar 2011 ist nicht durch eine spätere ordnungsgemäße Beschlussfassung geheilt worden. Eine solche ist insbesondere nicht in dem von der gesamten Kammer unterschriebenen Beschluss vom 18. April 2011 zu sehen, mit dem sie die den versuchten Computerbetrug betreffende Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, beide Verfahren verbunden und die Gerichtsbesetzung in der Hauptverhandlung bestimmt hat. Denn hieraus ergibt sich mangels entsprechender inhaltlicher Anknüpfungspunkte nicht mit der notwendigen Sicherheit, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens in Bezug auf die erste Anklage tatsächlich beschlossen haben (s. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150, 151; ähnlich auch BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 1988 – 1 StR 223/88; vom 9. Januar 1987 – 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. September 2010 III-3 RVs 117/10, NStZ-RR 2011, 105; OLG Köln, Beschluss vom 26. September 2003 – Ss 388/03 – 199, NStZ-RR 2004, 48, 49). Im Übrigen belegen auch die dienstlichen Äußerungen nicht, dass die Beisitzer im Rahmen der Verbindung eine Eröffnungsentscheidung über die erste Anklage treffen wollten. Vielmehr bestand für eine solche Entscheidung aus ihrer Sicht schon deshalb kein Anlass, weil sie davon ausgingen, dass auch der Vorwurf des besonders schweren Raubes habe verhandelt werden sollen.

    Eine Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung scheitert jedenfalls daran, dass die Kammer lediglich mit zwei Berufsrichtern verhandelte, die Eröffnungsentscheidung aber durch die Kammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung – also mit drei Berufsrichtern ohne Schöffen – zu treffen ist (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 596/09).

    Der BGH schließt sich folglich der Auffassung der Revision an. Es liegt damit kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vor, welcher allerdings erforderlich ist. Es wird leider nicht deutlich, wie dem Landgericht das „Missgeschick“ unbemerkt passieren konnte. Zumindest stellt das Fehlen eines wirksamen Beschlusses ein nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des Verfahrens gemäß § 467 Abs. 1 StPO zur Folge hat.

    BGH, Beschluss vom 29.09.2011, Az.: 3 StR 280/11

  • BGH,  Urteil vom 02.03.2011, Az.: 2 StR 524/10

    Das Landgericht hatte das Verfahren gegen den Angeklagten gemäß § 260 III StPO eingestellt. Als Verfahrenshindernis sah das Gericht hier die unzureichenden Angaben in der Anklage, welche den Anforderungen des § 200 I 1 StPO nicht gerecht wurden.

    Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein, woraufhin der BGH das Urteil zum Teil aufhob und es in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurück verwies.

    Der BGH hatte sich dabei mir der Frage befasst, wie detailliert Einzelakte beschrieben werden müssen, wenn es sich um eine Vielzahl gleichartiger Delikte – hier Betrug – handelt, welche zu einer Tateinheit verbunden werden.

    Grundsätzlich sind an eine Anklage hohe Anforderungen zu stellen, da es sich dabei um wichtige Informationen für den Angeklagten und dessen Verteidigung handelt. Um also eine gute und umfassende Verteidigung gewährleisten zu können, sind eben diese detaillierten Informationen erforderlich.

    Dazu führte der BGH aus:

    Bei einer Vielzahl gleichartig begangener Betrugsdelikte müssen zu deren Konkretisierung grundsätzlich auch die Geschädigten der einzelnen Fälle benannt und diese so dargestellt werden, dass sie von etwaigen weiteren Fällen durch nähere Einzelheiten oder Begleitumstände unterscheidbar sind (vgl. BGH StV 2007, 171 f.; KK-Schneider 6. Aufl. § 200 StPO Rn. 11 mwN). Dies gilt jedoch nur, wenn die Serienstraftaten je für sich prozessual als selbständige Taten zu werten sind, etwa weil sie auch materiell-rechtlich in Realkonkurrenz stehen (vgl. BGH NJW 2008, 2131, 2132; NStZ 2008, 352). Wird dagegen eine Vielzahl gleichartiger Einzelakte durch dieselbe Handlung des Beschuldigten zu gleichartiger Tateinheit und damit auch prozessual zu einer Tat verbunden, genügt die Anklage ihrer Umgrenzungsfunktion, wenn die Identität dieser Tat klar gestellt ist. Einer individualisierenden Beschreibung ihrer Einzelakte bedarf es bei einer solchen Fallgestaltung nicht, um den Prozessgegenstand unverwechselbar zu bestimmen.

    Das heißt, dass es für den BGH in erster Linie auf die Abgrenzbarkeit der Taten voneinander ankommt. Stehen die Taten allerdings in Tateinheit, so müsse die Umgrenzung der Taten in der Anklage ausreichend sein.

    Aus diesem Grund hatte die Revision der Staatsanwaltschaft gegen die Einstellung des Landgerichts auch teilweise Erfolg.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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