Verkehrsstrafrecht

  • Die Angeklagte war bereits mehrfach wegen Straßenverkehrsdelikten, meist im Zusammenhang mit Trunkenheitsfahrten, verurteilt worden. Das Landgericht Detmold hat die Angeklagte wegen einer erneuten Trunkenheitsfahrt zu sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Sie war ohne gültige Fahrerlaubnis mit 2,39 Promille Blutalkoholkonzentration von zwei Polizeibeamten angehalten worden.

    Mittels Revision rügte die Strafverteidigung die Verletzung sachlichen Rechts. Das Oberlandesgericht Hamm gibt der Revision insoweit statt, als dass es die Feststellung des Vorsatzes kritisiert. Denn die Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB verlangt einen Vorsatz hinsichtlich der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit.
    Das Landgericht schloss aus den einschlägigen strafrechtlichen Vorbelastungen, der vorhergehenden Therapie wegen des übermäßigen Alkoholkonsums und der Tatsache, dass die Angeklagte  vor der Fahrt mehrere Stunden lang Alkohol konsumierte darauf, dass die Angeklagte von ihrer Fahruntüchtigkeit wusste.

    Das OLG Hamm weißt dagegen auf die Möglichkeit hin, dass die Frau aufgrund des hohen Alkoholwertes möglicherweise ihre Fahrtüchtigkeit falsch einschätzte:

    „Hierfür spricht zunächst der hohe Grad der Alkoholisierung der Angeklagten. Für die Prüfung der Erkenntnis- und Kritikfähigkeit der Angeklagten zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes ist bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration (BAK) zu ihren Gunsten von einem maximalen BAK-Wert auszugehen. Damit sind im Falle der Entnahme und Untersuchung einer Blutprobe die gleichen Rückrechnungsgrundsätze wie bei der Prüfung der Schuldfähigkeit anzuwenden. Es sind demnach ein stündlicher Abbauwert von 0,2‰ sowie ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2‰ zu berücksichtigen (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl. [2012], § 20 Rdnr. 13). Da die Blutprobe im vorliegenden Falle etwa eineinhalb Stunden nach dem Fahrtbeginn entnommen wurde, ist von einer Tatzeit-BAK von 2,89‰ auszugehen. Dieser Wert liegt schon nahe an dem Wert von 3‰, der nach gefestigter Rechtsprechung in der Regel sogar Anlass für die Prüfung einer Aufhebung der Steuerungsfähigkeit ist (vgl. die Nachweise bei Fischer, a.a.O., Rdnr. 20).

    Weitere Indizien für eine Herabsetzung der Erkenntnis- und Kritikfähigkeit der Angeklagten zum Zeitpunkt des Fahrtantrittes sind darüber hinaus ihr Verhalten während der Polizeikontrolle, namentlich der wenig durchdacht und wenig erfolgversprechend erscheinende Versuch, der Polizei einen nicht existierenden „Bekannten“ als Fahrer zu präsentieren, sowie ihr sowohl verbal als auch physisch aggressives Verhalten gegenüber den Polizeibeamten, und schließlich auch die Feststellung des sie auf der Polizeiwache untersuchenden Arztes, ihr Denkablauf sei verworren.“

    Somit spricht eine hohe Blutalkoholkonzentration noch nicht alleine für die Vorsätzlichkeit der Trunkenheitsfahrt. Diese Umstände hat das Landgericht nicht hinreichend beachtet. Aus diesem Grund hob das OLG Hamm das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Detmold zurück. Die Revision der Strafverteidigung hatte somit Erfolg.

    OLG Hamm, Beschluss vom 16.02.2012, Az.: III-3 RVs 8/12

  • Nahe Hamburg ist es jetzt zu einer ungewöhnlichen Spritztour eines 14-Jährigen gekommen, die rechtliche Konsequenzen haben wird. So soll sich der Jugendliche aus Trittau mit der EC-Karte seines Vaters für 600 Euro einen Motorroller gekauft und diesen sofort zusammen mit einem 12-jährigen Freund im Straßenverkehr benutzt haben. Offenbar wusste er den PIN der EC-Karte, konnte er selbige dem Vater entwenden und war dem Verkäufer das Alter des Jungen nicht aufgefallen. Dabei besaß der Jugendliche nicht einmal einen Führerschein für das Fahren eines Motorrollers.

  • Das Landgericht Saarbrücken hat den Angeklagten unter anderem wegen (unter Alkoholeinfluss) fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet sowie Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB verhängt.

    Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren Revisionen.

  • Das Landgericht Itzehoe hat die Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen jeweils wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in drei Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich begangen mit schwerem Bandendiebstahl sowie in einem Fall tateinheitlich begangen mit versuchtem schweren Bandendiebstahl, und wegen vorsätzlicher Brandstiftung, zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.

    Der Angeklagte P. wurde darüber hinaus wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt.

    Nach den Feststellungen des Gerichts war nicht eindeutig geklärt, ob der Angeklagte die Kollision bereits unmittelbar während des Unfallgeschehens bemerkte. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeklagte erst davon erfuhr, als der Geschädigten ihn beim Halt an einer Ampel auf den Unfall hinwies. Weiterhin blieb unklar, welche Strecke der Angeklagte bis dahin vom eigentlichen Unfallort zurückgelegt hatte.

    Dazu der BGH:

    Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals vom Unfall erfahren hat, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH, Beschluss vom 30. August 1978 – 4 StR 682/77, BGHSt 28, 129, 131). Auch eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB scheidet aus, da das unvorsätzliche Verlassen des Unfallorts nicht vom Wortlaut der Norm erfasst wird (BVerfG, NZV 2007, 368). Entgegen einer in Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 2008, 107) und Literatur (vgl. Blum, NZV 2008, 495; Laschewski, NZV 2007, 444, 448) vertretenen Ansicht sieht der Senat keine Veranlassung, die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des Unfallorts (vgl. OLG Stuttgart, NZV 1992, 327; OLG Karlsruhe, NStZ 1988, 409; OLG Köln, NZV 1989, 197, 198) zu modifizieren, um auf diese Weise Fälle strafrechtlich zu erfassen, in denen der Täter nachträglich auf den Unfall hingewiesen wird und sich dennoch weiter entfernt (vgl. OLG Hamburg, NZV 2009, 301; SSW-StGB/Ernemann § 142 Rn. 43; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 142 Rn. 52).

    Damit stellt der BGH klar, dass hier eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausscheiden muss. In solchen Fällen, in denen sich der Unfallbeteiligte in Unkenntnis des Unfalls vom Unfallort entfernt und erst später davon erfährt, sei der Tatbestand bereits nicht erfüllt. Dann nämlich entfernt er sich nicht mehr vom Unfallort. Eine Ausweitung auf dieses Geschehen würde gegen das strafrechtliche Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen.

    BGH, Beschluss vom 15.11.2010, Az.: 4 StR 413/10

  • Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte den Beschwerdeführer wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Unfallflucht) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte.

    Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Frankfurt am Main das Urteil im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von 18 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

    Gegen dieses Urteil wendet sich nunmehr der Angeklagte mit der Revision.

  • BGH, Beschluss vom 05.10.2011, Az.: 4 StR 401/11

    Das Landgericht Hagen hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zusätzlich hat das Gericht eine Maßregel gemäß §§ 69, 69a und b StGB angeordnet.

  • Das Amtsgericht Emmendingen hat einmal mehr gezeigt, dass das Drängeln auf Autobahnen strafbar ist. Dazu gehört: zu dichtes Auffahren, rechts Überholen, gefährliches Fahren beim Links-Einordnen.

    Im vorliegenden Fall verurteilte das Amtsgericht einen 49-Jährigen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à zehn Euro und verhängte ein zweimonatiges Fahrverbot.

  • Quelle: Pressemittelung des BGH Nr. 007/2012 vom 17.01.2012

    Der Bundesgerichtshof hat in der folgenden Entscheidung die Verkehrssicherungspflichten eines Eisenbahnunternehmens bestätigt und ausgeweitet auf den Ein- und Ausstieg der Gäste sowie der Benutzung der Bahnsteige. Damit wurde der Klage der Klägerin, die bei einem Sturz auf dem Bahnsteig verletzt wurde, unter anderem auf Schadensersatz und Schmerzensgeld statt gegeben.

    Pressemitteilung:

    Bundesgerichtshof entscheidet zur Verkehrssicherungspflicht auf Bahnsteigen

    Der für Rechtsstreitigkeiten über Personenbeförderungsverträge zuständige X. Zivilsenat hat heute über den Schadensersatzanspruch eines Fahrgastes wegen eines Sturzes aufgrund von Glatteis auf einem Bahnsteig entschieden.

    Die Beklagte zu 1, die DB Fernverkehr AG, erbringt Eisenbahnverkehrsleistungen im Fernverkehr. Die Klägerin erwarb bei ihr einen Fahrausweis für eine Fahrt mit dem ICE von Solingen nach Dresden. Auf dem Weg zum Haltepunkt des ICE stürzte die Klägerin auf dem Bahnsteig des Bahnhofs. Eigentümerin des Bahnhofs ist die DB Station & Service AG. Diese hatte die Reinigung und den Winterdienst der Beklagten zu 2, der DB Services GmbH, übertragen. Die Beklagte zu 2 hat behauptet, sie habe ihrerseits den Winterdienst auf den Streithelfer übertragen. Wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen nahm die Klägerin zunächst die DB Station & Service AG in Anspruch. Das Landgericht wies diese Klage mit der Begründung ab, die DB Station & Service AG habe die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Beklagte zu 2. übertragen.

    Die Klägerin begehrt nunmehr von den Beklagten Schmerzensgeld, Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen. Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1 durch Teilurteil abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Teilurteil und das Verfahren aufgehoben, die Sache an das Landgericht zurückverwiesen und die Revision zugelassen. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, das Teilurteil des Landgerichts sei unzulässig, da auch eine Haftung der Beklagten zu 1 in Betracht komme. Das Eisenbahn-verkehrsunternehmen sei gegenüber dem Fahrgast vertraglich verpflichtet, für einen verkehrssicheren Zustand des benutzten Bahnsteigs zu sorgen.

    Der Bundesgerichtshof hat dies bestätigt und die Revision des beklagten Eisenbahnverkehrsunternehmens zurückgewiesen.

    Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen ist aufgrund eines Personenbeförderungs-vertrags verpflichtet, die Beförderung so durchzuführen, dass der Fahrgast keinen Schaden erleidet. Dies betrifft nicht nur den eigentlichen Beförderungsvorgang zwischen Ein- und Aussteigen, sondern auch den Zu- und Abgang. Trotz der rechtlichen Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 1994 I S. 2439) ist ein Eisenbahnverkehrsunternehmen aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, Bahnanlagen wie Bahnsteige, die der Fahrgast vor und nach der Beförderung benutzen muss, bereitzustellen und verkehrssicher zu halten. Dies ist dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, das diese Bahnanlagen aufgrund eines Stationsnutzungsvertrags mit dem Infrastruktur-unternehmen nutzt, im Zusammenwirken mit diesem möglich. Wird diese vertragliche Pflicht schuldhaft verletzt, haftet das Eisenbahnverkehrsunternehmen gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB und hat ein etwaiges Verschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens – und im Fall der Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf weitere Dritte deren Verschulden – in gleichem Umfang zu vertreten wie ein eigenes Verschulden (§ 278 BGB).

    X ZR 59/11 – Urteil vom 17. Januar 2012

    LG Wuppertal – 16 O 165/09 – Urteil vom 26. August 2010

    OLG Düsseldorf – 18 U 158/10 – Urteil vom 20. April 2011


  • KG Berlin, Beschluss vom 10.11.2010, Az.: 3 Ws 459/10, 3 Ws 459/10 – 1 AR 1247/10

    Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte den Mann wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung vor dem Amtsgericht Tiergarten angeklagt.
    Laut Anklage sei er mit seinem zuvor ordnungswidrig abgestellten Auto auf einen Mitarbeiten des Bezirksamts zugefahren, um fliehen zu können. Dabei sei der Mann verletzt worden.
    Das Amtsgericht hat die Anklage am 12. April 2010 zur Hauptverhandlung zugelassen und gleichzeitig Termin für den 26. Mai 2010 anberaumt. Die Ladung erfolgte über den Strafverteidiger, welche zuvor die Vollmacht vorgelegt hatte.
    Kurz darauf übergab der Strafverteidiger dem Gericht die Kopie einer zuvor erstellten Vollmacht, wobei er nicht mehr zur Entgegennahme von Ladungen ermächtigt ist.
    Der Angeklagte wurde sodann zur neuen, auf den 9. Juni 2010 angesetzten Hauptverhandlung über seinen Verteidiger geladen. Die an den Angeklagten nach Paris geschickte Ladung kam zurück.  Der Verteidiger wieß ausdrücklich darauf hin, „keinerlei Empfangsvollmacht für Ladungen“ zu haben.
    Der Angeklagte blieb sodann der Hauptverhandlung fern. Das Amtsgericht erließ daher gemäß § 230 Abs. 2 StPO einen Haftbefehl. Die gegen diesen eingelegte Beschwerde des Angeklagten hat das Landgericht durch Beschluss vom 22. Juli 2010 verworfen.
    Dagegen legte der Angeklagte gemäß § 310 Abs. 1 StPO Beschwerde ein.

    Dazu das KG:

    „Der Haftbefehl des Amtsgerichts kann nicht bestehen bleiben. Zwar ist nach § 230 Abs. 2 StPO die Verhaftung des der Hauptverhandlung ferngebliebenen Angeklagten anzuordnen, wenn dieser nicht genügend entschuldigt ist. Voraussetzung ist jedoch, dass er zum Termin ordnungsgemäß geladen wurde. Daran fehlt es hier. Dies beruht jedoch nicht darauf, dass der Verteidiger zur Entgegennahme der Ladung für den in Frankreich lebenden Angeklagten nicht bevollmächtigt gewesen ist. Der Angeklagte hat ihn vielmehr ausdrücklich hierzu bevollmächtigt und der Verteidiger hat dies durch die mit Schriftsatz vom 13. Januar 2010 überreichte Vollmacht vom 11. Dezember 2009 im Original nachgewiesen. Dass diese entgegen der Ansicht des Verteidigers durch eine auf den 15. Oktober 2009 datierte Vollmacht, die zudem nur in Ablichtung vorliegt, nicht eingeschränkt werden kann, ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Begründung. Hinzu kommt, dass der Senat die Zweifel des Landgerichts an der Echtheit der Vollmacht vom 15. Oktober 2009 teilt, sodass fraglich ist, ob diese Vollmacht im Rechtsverkehr überhaupt Wirkung entfaltet. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, weil der in der an den Verteidiger bewirkten Ladung enthaltene Hinweis nach § 216 Abs. 1 StPO in dieser Form nicht hätte erteilt werden dürfen. Unverzichtbarer Bestandteil jeder schriftlichen Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten ist die Warnung, dass im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen wird. Lebt der Angeklagte dauerhaft im Ausland, wird diese Warnung in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise als nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts unzulässig [vgl. OLG Brandenburg StRR 2007, 276; OLG Köln NStZ-RR 2006, 22; OLG Frankfurt NStZ-RR 1999, 18, 19], teilweise aber auch als zulässig angesehen, sofern sie den für den Zustellungsempfänger eindeutigen Hinweis enthält, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahmen ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung erfolgt [vgl. OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010, 49; LG Saarbrücken, Beschluss vom 17. Juli 2010 2 Qs 22/10 – bei juris; OLG Rostock StRR 2008, 310]. Letzterer Ansicht schließt sich der Senat an. Sie entspricht der in Nr. 116 Abs. 1 RiVASt geregelten Vorgehensweise. In der zuzustellenden Ladung zur Hauptverhandlung muss daher der Hinweis enthalten sein, dass sich die Vollstreckung von Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung des staatlichen Anspruchs auf Erscheinen in der Hauptverhandlung auf das Staatsgebiet Deutschlands beschränkt. Nur dann stellt die entsprechende Warnung keinen Akt der Ausübung hoheitlicher Gewalt dar, der die Souveränität des ausländischen Staates tangiert. Dies gilt auch, wenn die Ladung an den nach § 145a Abs. 2 StPO ausdrücklich bevollmächtigten Verteidiger in Deutschland erfolgt. Zum einen ist Adressat auch dann ausschließlich der im Ausland lebende Vollmachtgeber und § 145a Abs. 2 StPO soll lediglich das Zustellungsverfahren vereinfachen und die ordnungsgemäße Zustellung der Ladung sicherstellen [vgl. Lüderssen/Jahn in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 145a Rdn. 1]. Vorliegend enthielt die der Ladung beigefügte „Übersicht der Rechtsfolgen bei Ausbleiben im Termin“ unter dem Stichwort „Angeklagter im Strafverfahren“ keine territoriale Beschränkung der Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahmen, sondern nur den Hinweis „Verhaftung oder polizeiliche Vorführung zum nächsten Termin“. Damit ist der Angeklagte nicht ordnungsgemäß geladen worden und der Haftbefehl des Amtsgerichts vom 9. Juni 2010 sowie der Beschluss des Landgerichts vom 22. Juli 2010 waren aufzuheben.“

    Damit stellt das KG klar, dass ein Haftbefehl nur erlassen werden kann, wenn der Angeklagte ordnungsgemäß geladen wurde. Dies hat das KG hier abgelehnt.


  • In Berlin musste sich ein 24-Jähriger wegen versuchten Totschlags verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, einen Mann nach einem Streit im September 2010 mit dem Messer bedroht und lebensgefährlich verletzt zu haben. Danach stieg er in sein Auto und fuhr weg.
    Nach den Feststellungen des Gerichts ist das mutmaßliche Opfer nach der Provokation durch den Angeklagten auf diesen losgegangen.
    Der Angeklagte war einschlägig vorbestraft. Zudem fuhr er ohne Führerschein, was allerdings nicht Teil der Anklage war.

    Der Strafverteidiger des Angeklagten berief sich im Prozess auf Notwehr und forderte einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung.
    Das Gericht folgte der Strafverteidigung und sprach den Angeklagten vom Tatvorwurf frei. Es habe eine Notwehrlage vorgelegen. Allerdings soll er 1200 Euro für die Fahrt ohne Führerschein zahlen.

    ( Quelle: Tagesspiegel online vom 31.12.2011 )


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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