Verurteilung

  • BGH, Beschluss vom 24.08.2011, Az.: 1 StR 276/11

    Das Landgericht Stuttgart hat den Angeklagten am 1. Dezember 2010 wegen versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion unter Einbeziehung der Strafen aus einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe sowie der Unterbringung wurden zur Bewährung ausgesetzt.

    Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein. Allerdings verstarb er, bevor eine Entscheidung ergehen konnte. Fraglich ist, wie in einem solchen Fall mit der Revision umgegangen werden soll.

    Dazu der BGH:
    „Das Verfahren ist gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1999 – 4 StR 595/97, NJW 1999, 3644). Das angefochtene Urteil ist damit gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf (BGH, Beschluss vom 5. August 1999 – 4 StR 640/98, BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2; Senat, Beschluss vom 10. Juli 2001 – 1 StR 235/01).“

    „Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO, die Entscheidung über die notwendigen Auslagen auf § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO. Das Rechtsmittel des Angeklagten erschien nicht aussichtsreich. Es wäre deshalb unbillig, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.
    Eine Entschädigung für die durchgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen (insbesondere Untersuchungshaft) ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen.“

    Somit stellt der BGH klar, dass das Verfahren in diesem Fall eingestellt wird. Die Verurteilung wird durch den Tod gegenstandslos, weshalb der BGH es nicht als notwendig erachtet, das Urteil aufzuheben. Anders ist es freilich in den Fällen, in denen der Verurteilte nicht (in Untersuchungshaft )verstirbt.

    Dann nämlich besteht ein berechtigtes Interesse an einer Aufhebung der Verurteilung.
    Zudem erläutert der BGH, dass die Staatskasse die Kosten für die Revision trägt. Allerdings können der Staatskasse nicht die notwendigen Auslagen des Verurteilten auferlegt werden.


  • OLG München, Beschluss vom 11.02.2011, Az.: 1 Ws 118/11

    Betäubungsmittelstrafrecht: Durch Urteil des Amtsgerichts Offenburg wurde der Beschwerdeführer wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 3 Monaten verurteilt. Nach Teilverbüßung wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt, später allerdings widerrufen. Daher muss der Beschwerdeführer den Strafrest – in der JVA Landshut – verbüßen. Das Strafende ist für den Ablauf des 23.03.2011 vorgemerkt.
    Durch Beschluss vom 12.03.2009 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landshut festgestellt, dass mit vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe Führungsaufsicht eintritt. Die Dauer der Führungsaufsicht wurde auf 5 Jahre festgesetzt, der Beschwerdeführer wurde für diese Zeit der Aufsicht und Leitung des örtlich zuständigen Bewährungshelfers unterstellt. Zusätzlich erteilte die Kammer dem Beschwerdeführer einige Weisungen für seine künftige Lebensführung, darunter auch folgende:

    „Er darf im ersten Jahr ab der Entlassung aus dem Strafvollzug die Gebiete der Stadt Passau und des Landkreises Passau nicht länger als 48 Stunden ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle verlassen (§ 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB).“

    Der Beschwerdeführer hat daraufhin den Beschluss bezüglich dieser Weisung angefochten. Er sehe sich dadurch gehindert einen Neuanfang in einer anderen Stadt zu schaffen. Er wolle nach seiner Haftentlassung nicht wieder in Passau, sondern in Berlin wohnen. Dies hatte der Beschwerdeführer auch schon vor Erteilung der Weisung sowohl gegenüber der JVA Landshut als auch der Strafvollstreckungskammer bekundet.

    Der erfolgreichen Revision der Verteidigung gab das OLG München statt:

    „Zwar kann ein Verurteilter in bestimmten Fällen gem. § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB angewiesen werden, den Wohn- und Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen (zu den Voraussetzungen und dem möglichen Umfang einer solchen Weisung vgl. nur Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, StGB, 28. Aufl., § 68 b Rn. 5); Art. 11 Abs. 2 GG gestattet eine Einschränkung des Grundrechts der Freizügigkeit ausdrücklich, falls hierdurch strafbaren Handlungen vorgebeugt wird.
    Allerdings gibt § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB dem Gericht nur die Möglichkeit zu einer Mobilitätsbeschränkung (vgl. auch MüKo/Groß, StGB, § 68 b Rn. 10 f.), gestattet jedoch nicht, einem Verurteilten einen bestimmten Wohnsitz nach Haftentlassung zuzuweisen (so auch Leipziger Kommentar/Schneider, StGB, 12. Aufl., § 68 b Rn. 20; NomosKommentar/ Ostendorf, StGB, 3. Aufl., § 68 b Rn. 9; missverständlich dagegen Schönke/Schröder/Stree/ Kinzig § 68 b Rn. 5).“

    Das OLG fasste die Weisung daher neu:

    „Der Verurteilte hat unverzüglich nach erfolgter Haftentlassung Wohnsitz zu nehmen und diesen unter Angabe der genauen Anschrift binnen 1 Woche der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landshut zum Aktenzeichen StVK 14/08 schriftlich mitzuteilen.“

    Damit stellt das OLG klar, dass dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall diese Weisung so nicht erteilt werden konnte. Er hatte zuvor den Wunsch geäußert, einen Neuanfang zu starten und dies nicht in Passau. Das Gericht kann eine solche Weisung nur erteilen, wenn der Verurteilte bereits eine Adresse nennen kann, an der er wohnen möchte. Das Gericht kann aber nicht – wie hier geschehen – einen Wohnort für den Verurteilten „aussuchen“ und festlegen. Damit wäre einem Verurteilten insbesondere die Möglichkeit genommen, sein Leben neu zu gestalten.


  • Pressemitteilung des BGH, Nr. 139/2011 vom 18.08.2011

    Der BGH hob in der nachfolgenden Entscheidung die Verurteilung eines Jugendlichen wegen Totschlags der „Zweitfrau“ seines Vaters aus den folgenden Gründen auf.

    Pressemittelung:

    Verurteilung eines Jugendlichen wegen Tötung der „Zweitfrau“ seines Vaters aufgehoben

    Das Landgericht Berlin hat einen zur Tatzeit 16 Jahre alten, aus einer libanesischen Großfamilie stammenden
    Deutschen wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt. Es hat sich davon überzeugt, dass der Angeklagte beauftragt war, seine beiden Halbbrüder aus der Wohnung der Lebensgefährtin seines Vaters abzuholen. Nachdem sich die junge Frau geweigert hatte, die Kinder herauszugeben, tötete der Angeklagte sie mit einem am Tatort ergriffenen Kochmesser durch 13 Messerstiche in den Oberkörper und Rücken.

    Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung des während des gesamten Verfahrens schweigenden Angeklagten wegen durchgreifender Mängel der Beweiswürdigung aufgehoben.

     

    Diese betreffen insbesondere die Würdigung des Verhaltens des ebenfalls als Täter in Betracht kommenden Vaters des Angeklagten. Dieser verfügte über ein Tatmotiv, weil ihn seine Lebensgefährtin mit den Kindern verlassen wollte. Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht den Angeklagten belastende Bekundungen des nach der Tat untergetauchten Vaters als Zeuge und Angaben zu seinem eigenen Alibi nicht als Aussage eines neutralen Zeugen würdigen dürfen.

    Die neu berufene Jugendkammer wird sich auch näher mit dem sich aus der Beweislage aufdrängenden Alternativgeschehen, einer Rolle des Angeklagten als Gehilfe, Mittäter oder Auftragstäter zu befassen haben.

    Beschluss vom 2. August 2011 – 5 StR 259/11
    Landgericht Berlin – (539) 1 Kap Js 418/10 – Urteil vom 28. Januar 2011


  • Landgericht Hamburg, Urteil vom 22.02.2010, Az.: 709 Ns 86/09

    Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten wegen versuchter Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen á 20 Euro verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte mit Erfolg Berufung ein.
    Der nicht vorbestrafte Angeklagte befand sich im September 2008 auf dem alljährlich stattfindenden „…fest“. Auf diesem kam es, trotz hoher Polizeipräsenz und Wasserwerfern, in den letzten Jahren immer wieder zu Ausschreitungen.

    Der junge Mann war alkoholisiert und vermummt. Zudem hatte er in beiden Hosentaschen je eine Flasche Bier und dazu eine leere Flasche in der Hand. Als er auf zwei Wasserwerfer traf, warf der Angeklagte die leere Flasche gegen einen der beiden Wasserwerfer und visierte dabei den Wassertank an. Damit wollte er nach seiner Aussage zwar keinen Schaden anrichten, aber seinen Missmut über die Polizeipräsenz auf dem Fest demonstrieren. Wie von ihm erwartet, entstanden keine Schäden. Im Anschluss wurde der Mann festgenommen. Dabei verhielt er sich nach Aussagen anwesender Polizeibeamten „ausgesprochen kooperativ und freundlich, obwohl er anlässlich seiner Festnahme zu Boden gebracht und dort mit Einweghandfesseln gefesselt worden war“.

    Nach Ansicht des Landgerichts kann die Verurteilung des Amtsgerichts nicht bestehen bleiben. Grund dafür ist, dass dem Angeklagten nicht einmal ein bedingter Vorsatz der Sachbeschädigung nachgewiesen werden kann.

    Dazu führte das Landgericht aus:

    „Wie sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbild des Wasserwerfers ergibt, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, und wie letztlich allgemein aus der Presseberichterstattung bekannt ist, sind diese Einsatzfahrzeuge der Polizei entsprechend dem Einsatzzweck robust und widerstandsfähig gebaut, da sie gerade in den Situationen zum Einsatz kommen, in denen tumultartige Zustände herrschen und mit umherfliegenden Gegenständen sowie dem gezielten Bewurf dieser polizeilichen Einsatzfahrzeuge zu rechnen ist. Bei einem „bestimmungsgemäßen“ Gebrauch, d.h. im Einsatz bei schweren Ausschreitungen, darf ein Wasserwerfer nicht einfach zu beschädigen sein. Dies gilt auch für mögliche leichte Lackabplatzungen, wie sie durch den Wurf mit einer Flasche auf ein normallackiertes übliches Kraftfahrzeug vorstellbar sind. Ansonsten müsste jeder Wasserwerfer nach einem Einsatz, z.B. beim S…fest, neu lackiert werden.“

    Aus dem genannten Gründen war die Verteidigung erfolgreich und das Landgericht sprach den Angeklagten frei.


  • BGH, Pressemitteilung vom 05.08.2011

    Mit der vorliegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision gegen die Verurteilung eines Chefarztes wegen Bestechlichkeit ( § 332 StGB) und Betrug ( § 263 stGB ) aus den folgenden Gründen und Erwägungen verworfen.

    Pressemitteilung:

    Mit Urteil vom 12. März 2010 hat das Landgericht Essen den Angeklagten wegen Bestechlichkeit (§ 332 StGB)* in 30 Fällen, in drei Fällen in Tateinheit mit Nötigung (§ 240 StGB)** und in einem Fall in Tateinheit mit Betrug, sowie wegen Betruges, versuchten Betruges und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten weitere Straftaten zur Last gelegt. Insoweit wurde das Verfahren teilweise eingestellt. Teilweise wurde der Angeklagte freigesprochen

    Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte im Tatzeitraum Universitätsprofessor und leitete an einem Universitätsklinikum die Klinik für Allgemein- und Transplantationschirurgie. Im Zeitraum von Mai 2003 bis Anfang des Jahres 2007 forderte er von 30 Regelleistungspatienten, die keinen Anspruch auf eine wahlärztliche Behandlung durch den Angeklagten hatten, eine „Spende“ und versprach als Gegenleistung, diese Patienten in der Weise zu bevorzugen, dass er sie persönlich behandeln werde, was er in 29 Fällen dann auch tat. In drei dieser Fälle setzte der Angeklagte die Patienten unter Druck, indem er die Operation als dringlich oder nur durch ihn durchführbar darstellte. In einem Fall wusste der Angeklagte, dass er die Operation nicht selbst würde vollständig durchführen können, vereinbarte aber gleichwohl eine „Spende“. Die Patienten zahlten Beträge zwischen 2.000,- € und 7.500,- €, die mit Ausnahme eines Falles auf ein beim Universitätsklinikum geführtes Drittmittelkonto einbezahlt wurden, über das der Angeklagte faktisch frei verfügen konnte; in einem Fall behielt der Angeklagte die geforderte „Spende“ (7.500,- € „bar und in kleinen Scheinen“) für sich. Das Landgericht nahm an, der Angeklagte, der den äußern Ablauf der Spendeneinwerbung einräumte, habe diese nicht für verbotenes Unrecht gehalten, bei gehöriger Erkundigung hätte er diesen Irrtum aber vermeiden können (§ 17 StGB)***.

    Darüber hinaus erzielte der Angeklagte im Rahmen seiner als Nebentätigkeit genehmigten Behandlung von Wahlleistungspatienten Einnahmen (u.a. Zahlungen von Patienten ohne Rechnung), die er zum einen nicht gegenüber der Universitätsverwaltung, zum anderen nicht in seiner Einkommensteuer angab. Dadurch wurde sowohl das vom Angeklagten geschuldete Entgelt für die Nutzung der Universitätseinrichtungen (35% der erzielten Einnahmen) als auch die vom Angeklagten zu zahlende Einkommensteuer zu niedrig festgesetzt.

    Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass der Angeklagte in mehreren Fällen angeblich von ihm persönlich erbrachte Operationsleistungen gegenüber den Patienten hat abrechnen lassen, obgleich er zum Zeitpunkt der Operation nicht im Universitätsklinikum war. Das Landgericht hat dies als Betrug bzw. versuchten Betrug (§ 263 StGB) gewertet.

    Der Bundesgerichtshof  hat die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt, als offensichtlich unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO); die umfassende Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Lasten des Angeklagten eingelegte Revision zurückgenommen. Die Verurteilung des Angeklagten ist damit rechtskräftig.

    Beschluss vom 13. Juli 2011 – 1 StR 692/10
    Landgericht Essen – Urteil vom 12. März 2010, 56 KLs 20/08

     


  • Der Angeklagte wurde vom Landgericht Bielefeld wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

  • Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH), Nr. 125/2011 vom 07.07.2011

    Die Verurteilung eines Schönheitschirurgen aus Berlin wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchten Totschlag wegen einem vermeintlichen Fehler bei der Behandlung wurde nun teilweise vom BGH aufgehoben.

    Pressemitteilung:

    Verurteilung eines Berliner Schönheitschirurgen teilweise aufgehoben

    Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten, einen seit 1988 im Fach Unfallchirurgie habilitierten Arzt, wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und auf ein vierjähriges Berufsverbot erkannt. Ein Jahr der verhängten Strafe hat es zur Kompensation einer angenommenen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt.

    Der Angeklagte nahm in seiner chirurgischen Tagesklinik am 30. März 2006 von 9.00 bis 12.30 Uhr an einer 49 Jahre alten Patientin eine Schönheitsoperation im Bauchbereich, verbunden mit einer Fettabsaugung vor. Der Angeklagte unterließ es, einen für die schwere Operation erforderlichen Anästhesisten hinzuzuziehen. Darüber, dass ein solcher anwesend sein würde, hatte er seine Patientin getäuscht. Dies machte ihre Einwilligung unwirksam und qualifiziert die Operation als Körperverletzung. Nach Überwindung eines Herzstillstandes gegen Ende des Eingriffs unterließ es der Angeklagte bis nach 19.00 Uhr, die Patientin zur notwendigen cerebralen Reanimation in eine Intensivstation eines Krankenhauses zu verlegen. Die Patientin verstarb am 12. April 2006. Die todesursächliche Hirnschädigung war in der Praxis des Angeklagten eingetreten. Die Gefahr des Todeseintritts war für den Angeklagten auf der Grundlage seiner Fähigkeiten vorhersehbar.

    Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat sämtliche Feststellungen des Landgerichts zum objektiven Tatgeschehen und zur Verantwortlichkeit des Angeklagten für den Tod seiner Patientin im Sinne einer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) aufrechterhalten. Die Angriffe des Angeklagten gegen diese Feststellungen sind erfolglos geblieben. Indes hat der Senat auf die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers, des Ehemannes der zu Tode gekommenen Patientin, den Schuldspruch aufgehoben und die Sache an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen. Die Beanstandung betrifft die Annahme eines versuchten Totschlags für eine spätere Phase des Tatgeschehens in der Praxis des Angeklagten, als die Patientin bereits unrettbar verloren war. Insoweit hat der Bundesgerichtshof einerseits die unzureichende Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes beanstandet, andererseits die unterlassene Bewertung ausgelassener Rettungschancen unter dem Gesichtspunkt eines versuchten Mordes durch Unterlassen.

    Die neu berufene Schwurgerichtskammer wird demnach den Vorsatz hinsichtlich eines (versuchten) Tötungsdeliktes neu zu prüfen haben.

    Auch die Beanstandungen der Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung und den Strafnachlass hatten Erfolg.

    Urteil vom 7. Juli 2011 – 5 StR 561/10

    Landgericht Berlin – Urteil vom 1. März 2010 – 1 Kap Js 721/06 Ks –


  • 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts, Az.: 1 BvR 388/05

    Der Beschwerdeführer wurde aufgrund einer Sitzblockade auf einer Straße wegen Nötigung vom AG zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt. Das Verhalten des Beschwerdeführers und der Mitangeklagten sei nach Ansicht des AG als Gewalt zu qualifizieren.

    Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer mit dem Rechtsmittel der Berufung. Diese wurde jedoch durch das LG verworfen. Nach Auffassung des Landgerichts hätten die Demonstranten durch die Sitzblockade gegenüber denjenigen Fahrzeugführern Gewalt ausgeübt, die durch vor ihnen anhaltende Fahrzeuge an der Weiterfahrt gehindert worden seien. Auch hätten die Demonstranten rechtswidrig i.S.v. § 240 II StGB gehandelt, da sich die Ausübung der Gewalt nicht im schlichten Blockieren des Straßenverkehrs erschöpft habe, sondern Mittel zum Zweck der Erregung von Aufmerksamkeit für bestimmte politische Zwecke gewesen sei.
    Gegen diese Entscheidung des LG geht der Beschwerdeführer nun mit einer Verfassungsbeschwerde vor. Dabei rügt er eine Verletzung des aus Art. 103 II GG folgenden Analogieverbots sowie der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 I GG. Nach seiner Ansicht sei die von dem LG herangezogene sogenannte Zweite-Reihe-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Gewaltbegriff in § 240 I StGB sei mit Art. 103 II GG nicht vereinbar.

    Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg, der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Entscheidung des Landgerichts für verfassungswidrig erklärt. Zwar verstoße der angegriffene Beschluss des LG nicht gegen das aus Art. 103 II GG folgende Analogieverbot, jedoch sei die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf die Rüge der Verletzung des Art. 8 I GG (Versammlungsfreiheit) offensichtlich begründet.

    Aus dem Wortlaut des Beschluss:

    „Die Ausführungen des Landgerichts unterliegen bereits im Ausgangspunkt verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat bei der Abwägung den Zweck der Sitzblockade, Aufmerksamkeit zu erregen und so einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, als einen für die Verwerflichkeit der Tat sprechenden Gesichtspunkt zulasten des Beschwerdeführers gewertet, obwohl dieses sogar den sachlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet und damit eine Abwägung zwischen der Versammlungsfreiheit und den hierdurch betroffenen Rechtsgütern Dritter überhaupt erst erforderlich macht. Des Weiteren hat das Landgericht verkannt, dass der Kommunikationszweck nicht erst bei der Strafzumessung, sondern im Rahmen der Verwerflichkeitsklausel gemäß § 240 Abs. 2 StGB, mithin bereits bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit, zu berücksichtigen ist.

     

    Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist des Weiteren, dass das Landgericht bei der Abwägung die Dauer der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, die Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports sowie die Anzahl der von ihr betroffenen Fahrzeugführer gänzlich außer Betracht gelassen hat.

     

    Schließlich hat das Landgericht mit verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Begründung den Sachbezug zwischen dem Protestgegenstand und den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen verneint. Der Argumentation des Landgerichts, dass die unter Umständen betroffenen US-amerikanischen Staatsbürger und Soldaten die Irakpolitik der US-amerikanischen Regierung nicht beeinflussen könnten, so dass die Aktion von ihrem Kommunikationszweck her betrachtet ungeeignet gewesen sei, scheint die Annahme zugrunde zu liegen, dass ein derartiger Sachbezug nur dann besteht, wenn die Versammlung an Orten abgehalten wird, an denen sich die verantwortlichen Entscheidungsträger und Repräsentanten für die den Protest auslösenden Zustände oder Ereignisse aktuell aufhalten oder zumindest institutionell ihren Sitz haben. Eine derartige Begrenzung auf Versammlungen im näheren Umfeld von Entscheidungsträgern und Repräsentanten würde jedoch die Inanspruchnahme des Grundrechts der Versammlungsfreiheit mit unzumutbar hohen Hürden versehen und dem Recht der Veranstalter, grundsätzlich selbst über die ihm als symbolträchtig geeignet erscheinenden Orte zu bestimmen, nicht hinreichend Rechnung tragen. Überdies besteht vorliegend umso weniger Anlass an dem Sachbezug zwischen dem Protestgegenstand der Aktion und den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen zu zweifeln, als sich unter den betroffenen Fahrzeugführern nicht nur US-amerikanische Staatsbürger, sondern auch Mitglieder der US-amerikanischen Streitkräfte befanden, die, wenn nicht in die unmittelbare Durchführung, so doch jedenfalls in die Organisation der kritisierten militärischen Intervention im Irak eingebunden waren.“

    Auf die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde erklärte das Bundesverfassungsgericht das angegriffen Urteil für verfassungswidrig.

    Es handelt sich um eine zentrale und äußerst wichtige Entscheidung des BVerfG, mit dem dieses seine an der Sitzblokaden-Entscheidung entwickelte Rechtsprechung im Bereich des Tatbestandes der Nötigung iSd. § 240 StGB konsequent im Lichte der verfassungsrechtlich durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit anwendet, gleichzeitig ein großer Erfolg für den Beschwerdeführer, der durch alle Instanzen mit langem Atem erkämpft werden musste. Leider muss gerade in den letzten Jahren das Bundesverfassungsgericht vermehrt eingreifen, so auch insbesondere bei verfassungswidrigen Entscheidungen zur Untersuchungshaft (U-Haft).


  • Das Landegericht Hamburg verhandelt einen Prozess gegen einen mutmaßlichen Angehörigen des Rockerclubs „Hells Angels“. Dem 20-Jährigen wird vorgeworfen innerhalb von sechs Monaten Zuhälterei, Menschenhandel, Körperverletzung, Waffenbesitz, Drogenhandel, Vergewaltigung und einen versuchter Mord begangen zu haben.
    Der versuchte Mord soll demnach so abgelaufen sein, dass er heimtückisch, aus einem fahrenden Auto mehrere gezielte Schüsse auf zwei Männer abgegeben habe, welche jedoch ihr Ziel verfehlten.

    Bei einer Verurteilung droht dem Mann, aufgrund seines Alters, eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht.

    ( Quelle: Hamburger Abendblatt – online vom 21.05.2011 )


  • Quelle:  Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH), Nr. 098/2011 vom 07.06.2011

    Der BGH erklärt die Verurteilung der drei Angeklagten in dem so genannten „Rüsselheimer Eiscafé-Mord“ Fall für rechtskräftig. Insbesondere würden die niedrigen Beweggründe der Tat als Mordmerkmal nach Auffassung des Strafsenats vorliegen.

    Pressemitteilung:

    Verurteilungen im Rüsselsheimer Eiscafé-Mordprozess  sind rechtskräftig

    Das Landgericht Darmstadt hat den Angeklagten Taylan K. wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und Beteiligung an einer Schlägerei zu lebenslanger Freiheitsstrafe, die Angeklagten Erdal E. und Serdal E. wegen versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts bestanden zwischen Angehörigen der Familien K. und E., die in der Türsteherszene tätig waren, seit einiger Zeit zunehmend Spannungen; diese waren in der Vergangenheit bereits Anlass für gewalttätige Auseinandersetzungen und einen erfolglosen Schlichtungsversuch durch die Familienältesten gewesen. Am 12. August 2008 kam es zu einer „Aussprache“ zwischen den verfeindeten Lagern in einer Eisdiele in Rüsselsheim, zu der für die Familie K. der Angeklagte Taylan K., sein Cousin Erkan K. sowie Baris Y. erschienen; sie hatten sich mit Pistolen bewaffnet. Für die Familie E. erschienen die angeklagten Brüder Erdal und Serdal E. sowie ihr Bruder Deniz E.; diese führten Messer, Pfefferspray und einen Schlagring bei sich. Beide Parteien rechneten mit einer notfalls gewaltsamen Auseinandersetzung unter Einsatz der mitgeführten Waffen und sonstigen Gegenstände.

    Nach kurzer Diskussion gerieten die beiden Gruppen in heftigen Streit, woraus sich eine Schlägerei entwickelte. Als Erdal E. ein Messer zog, schoss Erkan K. in Tötungsabsicht mehrfach auf ihn und verletzte ihn schwer. Der Angeklagte Serdal E. flüchtete daraufhin zunächst aus der Eisdiele. Auch sein Bruder Deniz E. versuchte zu fliehen, wurde aber von dem Angeklagten Taylan K. und Erkan K. durch mehrere Schüsse getroffen und getötet. Durch den fehlgehenden Schuss wurde eine unbeteiligte Besucherin des Eisacafés tödlich verletzt.

    Der Angeklagte Erdal E. griff nun trotz seiner schweren Schussverletzungen den Erkan K. erneut mit dem Messer an, um ihn zu töten. Um seinem Cousin zu helfen, schoss der Angeklagte Taylan K. auf Erdal E., traf aber versehentlich seinen Cousin in die Brust. Der Angeklagte Erdal E. stach in der Folge dem tödlich getroffenen, auf dem Bauch liegenden Erkan K. vielfach sein Messer in den Rücken, um ihn zu töten und den Tod seines Bruders Deniz zu rächen. Inzwischen war auch der Angeklagte Serdal E.  an den Tatort zurückgekehrt. Auch er stach dem sterbenden Erkan E. nun sein Messer mehrfach in den Rücken sowie in den Hinterkopf. Erkan K. verstarb kurze Zeit später. Sowohl die Schussverletzung durch seinen Cousin Taylan K. als auch die Messerstiche durch Erdal E. und Serdal E. waren jeweils für sich tödlich. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Stichverletzungen den Tod des Erkan K. beschleunigten.

    Das Landgericht hat den Angeklagten Taylan K. wegen eines vollendeten, die Angeklagten Erdal und Serdal E. wegen eines versuchten Tötungsdelikts verurteilt. Hinsichtlich aller drei Angeklagten hat es das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe festgestellt, da sie handelten, um ihren sozialen Geltungsanspruch im Milieu um jeden Preis zu behaupten, die Angeklagten Erdal und Serdal E. zusätzlich aus Wut und Rache.

    Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Annahme niedriger Beweggründe nicht beanstandet und die Revisionen der Angeklagten verworfen, da die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat. Die Verurteilungen sind damit rechtskräftig.

    Beschluss vom 18. Mai 2011 – 2 StR 601/10

    Landgericht Darmstadt – Urteil vom 31. März 2010 – 11 Ks 431 Js 39.382/08

    Karlsruhe, den 7. Juni 2011


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