Vollrausch

  • Ein Zusammentreffen lediglich durchschnittlicher und für sich betrachtet einfacher Milderungsgründe kann zu besonderen Umständen führen.

    Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines berauschenden Mittels zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie zu einer Geldbuße von 500 Euro und einem Monat Fahrverbot verurteilt. Als die Berufung vom Landgericht verworfen wurde, wehrte sich die Strafverteidigung im Rahmen der Revision gegen die Entscheidung.

    Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte wurde mit seinem Auto von der Polizei angehalten. Dabei fanden die Beamten Amphetamin in der Mittelkonsole des Fahrzeuges. Nach der Ankündigung, dass man nun den Kofferraum durchsuchen würde, gab der Angeklagte freiwillig noch knapp 200 Gramm Marihuana heraus. Bei einer späteren Blutprobe wurde ebenfalls festgestellt, dass der Angeklagte zum Fahrzeitpunkt unter der Wirkung berauschender Mittel stand.

    Das Landgericht billigte dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB zu, verneinte jedoch die besonderen Umstände, die für eine Strafaussetzung zur Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr gemäß § 56 Abs. 2 StGB notwendig seien. Vor allem das Geständnis und die Herausgabe der weiteren Drogen räumte das Landgericht nur einem geringen Stellenwert zu. Nach Ansicht des Landgerichts blieb dem Angeklagten gar nichts anderes mehr übrig, da die Polizei kurz vor der Durchsuchung des Fahrzeuges stand. Ebenfalls sah es das Landgericht nicht für ausreichend an, dass der Angeklagte bereits einen ersten Kontakt mit der Suchtberatung aufnahm und es sich lediglich um „weiche“ Drogen handelte.

    Das Oberlandesgericht Bamberg (OLG Bamberg) hat erhebliche Bedenken bezüglich dieser Feststellungen. Das Revisionsgericht stellt fest, dass das Landgericht von einem zu engen Prüfungsmaßstab ausgegangen sein könnte. Denn treffen mehrere durchschnittliche Milderungsgründe aufeinander, können schon diese besondere Umstände begründen.

    „Denn die gewählten Formulierungen zum Fehlen bestimmter, jeweils für sich als ‚ausreichend‘ anzusehender Milderungsgründe (hier: Tatgeständnis, Besitz lediglich sog. ‚weicher’ Drogen und Kontakte zur Suchtberatung) lassen – wovon auch die Revision im Ansatz zutreffend ausgeht – besorgen, dass das Landgericht verkannt haben könnte, dass schon ein Zusammentreffen lediglich durchschnittlicher und für sich betrachtet einfacher Milderungsgründe die Bedeutung besonderer Umstände im Sinne dieser Vorschrift erlangen kann.“

    Insoweit hatte die Revision der Strafverteidigung somit Erfolg. Die Sache wird zu neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    OLG Bamberg, Beschluss vom 21. März 2012, Az.: 3 Ss 34/12


  • Ausländer haben nicht automatisch eine schlechte Sozialprognose bezüglich der Aussetzung zur Bewährung gemäß § 52 StPO.

    Der Angeklagte wurde wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Dabei wurde die Freiheitsstrafe vom Landgericht Köln nicht zur Bewährung ausgesetzt, da das Gericht für den Angeklagten eine schlechte Sozialprognose stellte. Dagegen richtete die Strafverteidigung die Revision.

  • OLG Oldenburg, Beschluss vom 29.08.2011, Az.: 1 Ss 136/11

    Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Brake wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.

  • OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.04.2011, Az.: 1 Ss 66/11

    Das Amtsgericht Westerstede hatte den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt.
    Auf die dagegen eingelegte Berufung hatte das Landgericht Oldenburg den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel, vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung wiederum zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.
    Die zulässige Revision führt lediglich zu der sich aus dem Tenor ergebenden Änderung des Schuldspruchs.

    Das Landgericht hatte zuvor festgestellt:

    „Der Angeklagte weigerte sich, in den Streifenwagen einzusteigen, wand und wehrte sich und hielt sich am Türrahmen fest. Schließlich gelang es dem Polizeibeamten K…, den Angeklagten auf die Rückbank zu drängen, sich auf ihn zu legen und ihn mit Handschellen an die Kopfstütze anzuschließen. Während der Zeuge K… um den VW Touran herum zur Fahrertür ging, trat der Angeklagte von innen gegen die Seitenverkleidung und schließlich gegen die hintere rechte Scheibe, so dass diese zersplitterte. Die dort anwesende Polizeibeamtin K… wurde, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hatte, durch herumfliegende Splitter am Auge verletzt und musste ärztlich behandelt werden. Während der anschließenden Fahrt zum Kommissariat trat der weiterhin aggressive Angeklagte nach vorheriger Ankündigung auch die andere hintere Seitenscheibe des Polizeifahrzeugs heraus. Auf der Wache in W… angekommen, betitelte er den anwesenden Polizeibeamten D… als „Scheißbulle“ und „Wichser“ und kränkte ihn dadurch in seiner Ehre.
    Durch das zu diesem Fall festgestellte Verhalten hat sich der Angeklagte nach Ansicht der Strafkammer des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel, vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung gemäß §§ 113, 305a Abs. 1 Nr. 2, 223, 185, 52 StGB strafbar gemacht.“

    Als problematisch sah das OLG die Verurteilung wegen der Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel und wegen Körperverletzung:

    „Die Verurteilung wegen Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel gemäß § 305a Abs. 1 Nr. 2 StGB kann indessen keinen Bestand haben. Denn ein jedenfalls „teilweises Zerstören“ im Sinne dieser Vorschrift hat das Landgericht nicht festgestellt. Ein solches ist mehr als ein „Beschädigen“ und nur dann anzunehmen, wenn durch die Substanzverletzung einzelne, funktionell selbständige Teile der Sache, die für die zweckentsprechende Nutzung des Gesamtgegenstandes von Bedeutung sind, unbrauchbar gemacht werden (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl, § 305 Rz. 5). Diese Teile müssen für die bestimmungsgemäße Verwendung wesentlich sein (vgl. Schönke-Schröder, StGB, 28. Aufl., § 305 Rz. 5). Eine nicht nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit wie etwa die Zerstörung eines Reifens eines Kraftfahrzeuges (vgl. Fischer, a.a.O., § 305a Rz. 10) reicht hierfür nicht aus. Dem steht das Eintreten von Scheiben eines Fahrzeuges gleich.“
    „Soweit die Strafkammer den Angeklagten in diesem Falle auch wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt hat, übersieht sie, dass die durch die Zerstörung der Seitenscheiben durch Fußtritte entstandenen, in Gesichtshöhe unkontrolliert herumfliegenden Glassplitter als gefährliche Werkzeuge gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen sind (vgl. OLG Köln, Urteil v. 17.09.1985, 1 Ss 424/85, VRS 70, 273), und der Angeklagte sich somit auch in diesem Fall der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat.“

    Folglich sag das OLG durch das Eintreten der Scheiben im Polizeiwagen den Tatbestand der Sachbeschädigung verwirklicht und durch die dadurch verursachten Glassplitter den der gefährlichen Körperverletzung.
    Daher wurde das Urteil des Landgerichts Oldenburg im Schuldspruch dahingehend zu geändert,  dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon einem Falle in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung und Beleidigung verurteilt wird.


  • Die Angeklagte wurde vom AG wegen vorsätzlichen Vollrauschs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

    Dagegen ging die Angeklagte mit Berufung vor, welche vom LG verworfen wurde. Dazu stellte das LG fest, dass die Angeklagte am Tattag Alkohol in solchen Mengen zu sich genommen habe, dass sie in einen Zustand geriet, der ihre Schuldfähigkeit nicht ausschließbar aufhob. Bei Trinkbeginn sei sich die Angeklagte darüber bewusst gewesen oder habe es wenigstens billigend in Kauf genommen, dass sie in einen solchen Rauschzustand geraten würde. Während des Vollrauschs habe die Angeklagte zwischen 17:45 Uhr und 20:54 Uhr ohne entsprechenden Anlass in insgesamt 54 Fällen die Einsatzzentrale der Polizei über die Notrufnummer 110 angerufen. Sie habe mit den Polizisten reden bzw. die Beamten zu einem Besuch bei sich überreden wollen. Dabei sei sich die Angeklagte darüber bewusst gewesen, dass die Notrufnummer 110 nur in Notsituationen gewählt werden darf. Durch ihr Blockieren der Notrufnummer sei das verlässliche Funktionieren des Notrufs gestört gewesen. Da nicht auszuschließen gewesen sei, dass in einigen Fällen „echte“ Notrufe vorgelegen hätten, hätten die Beamten sämtliche Anrufe der Angeklagte entgegen nehmen müssen.

    Hiergegen wandte sich die Angeklagte mit Revision. Der Strafsenat erachtet die Revision als erfolglos. Es sei kein Fehler zum Nachteil der Angeklagten erkennbar.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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