Werkzeug

  • Während der Gesetzgeber für die einfache Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht, droht dem Beschuldigten in einem Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Noch höher wird die Körperverletzung lediglich im Falle der schweren Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 StGB) oder der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) bestraft. Im Gegensatz zu einer „einfachen“ Körperverletzung handelt es sich bei der gefährlichen Körperverletzung nicht um ein sog. Antragsdelikt, d.h. die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft ermittelt auch ohne einen vom Verletzten gestellten Strafantrag.

  • Eine gefährliche Körperverletzung ist beim Rammen mittels eines Kraftfahrzeuges nur dann anzunehmen, wenn bereits das Rammen die Schwelle zur Körperverletzung übersteigt und nicht erst der anschließende Sturz.

    Die Angeklagten wurden in einem Strafprozess vor dem Landgericht Wuppertal wegen gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Nötigung zu Freiheits- beziehungsweise Geldstrafen verurteilt. Die drei Angeklagten legten durch ihre Anwälte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) gegen das Urteil ein.

  • Gefährliche Werkzeuge sind nur solche Gegenstände, die gegen einen menschlichen Körper in Bewegung gesetzt werden.

    Der Angeklagte soll mit dem Geschädigten zu einem Industrie-Häcksler gegangen sein, um ihn dort zu bedrohen. Das große Gerät ist zum Schreddern von Industriemüll gedacht. Dort forderte der Angeklagt vom ihm nach Feststellungen des Landgerichts Cottbus 400 Euro und drohte damit, dass der Geschädigte sonst im Häcksler landen würde.

  • Eine ungeladene Schreckschusspistole ist keine Waffe iSd § 250 StGB.

    Das Landgericht Hanau verurteilte den Angeklagten wegen schweren Raubes, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Die Strafverteidigung wehrte sich mit der Revision gegen das Urteil.
    Das Landgericht ging davon aus, dass eine ungeladene Schreckschusspistole eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB sei. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt dagegen klar, dass es sich lediglich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit b StGB handele.

    Darüber hinaus versagte das Landgericht eine Strafrahmensenkung gemäß § 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB für die versuchte schwere räuberische Erpressung. Dabei wertete das Gericht zu Lasten des Angeklagten, dass er die Einnahmen aus der Tat für seine eigenen persönlichen Bedürfnisse verwenden wollte. Dies kann aber laut BGH nicht strafschärfend gewertet werden:

    „Die Verwendung von Tatbeute für eigene Bedürfnisse des Täters ist regelmäßiges Erscheinungsbild der räuberischen Erpressung und enthält kein zur Strafschärfung berechtigendes schulderschwerendes Element.“

    Im Umfang der Aufhebung muss sich eine andere Strafkammer des Landgerichts mit der Sache erneut beschäftigen. Die Revision hatte damit Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 26. September 2012, Az.: 2 StR 262/12


  • 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, Az.: 5 StR 345/10

    Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 42 Fällen von Einbruchsdiebstählen in Geschäfts- und Büroräume verurteilt. Dagegen hat der Angeklagte Revision eingelegt, welche Erfolgt hatte.

    Das Landgericht hat die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten aufgrund eines Gutachtens eines Sachverständigen gewonnen, der die am jeweiligen Tatorten an den Schlössern gesicherten „Werkzeugspuren mit den bei den Angeklagten aufgefundenen“ Werkzeugen bezüglich der von ihnen verursachten Spurenbilder verglichen und im Ergebnis als tatverursachend identifiziert hatte.

    Nach Ansicht des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs genügen die Urteilsgründe nicht den sachlichen Anforderungen an die Darlegung von Sachverständigengutachten in den schriftlichen Urteilsgründen.

    Aus dem Wortlaut des Beschlusses:

    „Die vom Landgericht vorgenommene, im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung seiner Überzeugungsbildung kann zwar ausreichen, wenn es sich um ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren wie das daktyloskopische Gutachten (BGHR StPO S. 261 Sachverständiger 4), die Blutalkoholanalyse (BGHSt 28, 235, 237 f.) oder die Bestimmung von Blutgruppen (BGHSt 12, 311,3l4), handelt (grundlegend. BGHST 39, 291, 297 ff.). Ein solches standardisiertes Verfahren ist aber ein Vergleichsgutachten betreffend Werkzeugspuren nicht, deshalb sind weitergehende Anforderungen an die Darlegung der Überzeugungsbildung zu stellen, die vorliegend nicht erfüllt sind.“

    Der Senat hob das Urteil des Landgerichts wegen sachlich-rechtlicher Darstellungsmängel auf und verwies die Sache zurück an das Landgericht.


  • KG Berlin, Beschluss vom 13.05.2011, Az.: (3) 1 Ss 20/11 (43/11)

    Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von neunzig Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Seine Berufung hat das Landgericht Berlin mit der Maßgabe verworfen, dass er der vollendeten gefährlichen Körperverletzung schuldig sei. Ferner hat ihm die Strafkammer gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Raten zu bezahlen. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts.

    Zum einen rügte er, dass die Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 3 StPO hätte ausgesetzt werden müssen. Zwar wurde ihm der rechtlichen Hinweises auf die Möglichkeit einer Bestrafung wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung erteilt. Dies reichte dem Angeklagten aber nicht. Das KG lehnte es ab, da „dies lediglich den Verlust der Strafmilderungsmöglichkeit des § 23 Abs. 2 StGB bedeutet und kein gegenüber der zugelassenen Anklage schwereres Strafgesetz zur Anwendung gelangt“. Die Verfahrensrüge hatte folglich keinen Erfolg.

    Mit der Sachrüge beanstandete der Mann, die Feststellungen des Landgerichts.

    Dazu das KG:

    „Nach dessen Feststellungen ist der Angeklagte mit einer über den Kopf erhobenen Metallstange auf den Zeugen Bo zugegangen und hat diesen geschlagen. Dabei habe er den zur Abwehr erhobenen linken Unterarm des Zeugen getroffen, ihn jedoch nicht verletzt. Aufgrund des Schlages sei der Zeuge ins Stolpern geraten und rückwärts auf den gepflasterten Boden gefallen, wodurch er sich am rechten Ellenbogen eine schmerzhafte Schürfwunde zugezogen habe (UA S. 3). Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht. Wenngleich es sich bei der Metallstange um ein gefährliches Werkzeug handelt, genügt es nicht, wenn durch dessen Verwendung ein Kausalverlauf ausgelöst wird, der mittelbar zur Körperverletzung führt, sondern der Einsatz des gefährlichen Tatwerkzeuges muss den Erfolg unmittelbar bewirken [vgl. BGH NStZ 2010, 512, 513 und 2007, 405]. Vorliegend aber fehlt es an eben dieser unmittelbaren Einwirkung auf den Zeugen. Die körperliche Berührung wurde von dem Zeugen nicht als schmerzhaft empfunden und hatte nach den Feststellungen keinerlei unmittelbare gesundheitliche Beeinträchtigung zur Folge, sondern diese wurde erst durch die Abwehrbewegung und den anschließenden Sturz des Zeugen verursacht.“

    Das KG hebt somit das angefochtene Urteil auf. Eine Verurteilung wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung könne nicht bestehen bleiben.

    Zwar liegt in der Metallstange ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, allerdings hat er Einsatz dieses Werkzeugs nicht unmittelbar zur Körperverletzung geführt. Das somit das Erfordernis der Unmittelbarkeit nicht erfüllt ist, hat sich der Angeklagte nicht der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht.


  • Az.: 83 Ss 87/09 (OLG Köln)

    Der Angeklagte ist vom Amtsgericht wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Mit der hiergegen gerichteten Sprung-Revision rügt der Angeklagte die Verletzung des materiellen Rechts. Die Revision ist aus folgenden Erwägungen erfolgreich:

    Nach Feststellungen des Amtsgerichts Aachen, beschloss der Angeklagte sich spontan, die vor ihm gehende Zeugin zu überfallen, um sich von der möglichen Beute etwas zu trinken zu kaufen. Hierfür hob er einen „dickeren Ast“  vom Fußboden auf, drückten diesen der Zeugin in den Nacken und überraschte sie von hinten mit den Worten „Gib die Tasche her, hält´s Maul“. Daraufhin gab die Zeugin von Angst getragen die Handtasche an den Angeklagten.

    Das Amtsgericht wertete den dickeren Ast als ein Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1b) StGB.

    Der Senat führt hierzu aus:

    „Bei dem in § 250 Abs. 1 Ziff. 1b) StGB angesprochenen „Werkzeug“ handelt es sich begrifflich um ein Mittel, das bei entsprechender Verwendungsabsicht geeignet ist, möglichem Widerstand gewaltsam zu begegnen (Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 250 Rz. 9 mit § 244 Rz. 25; Eser in: Schenke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 250 Rz. 14 mit § 244 Rz. 13; s. weiter BGH StV 1999, 21 [Holzknüppel] und BGH NStZ-RR 1999, 355 [abgesägter Besenstiel]). Diese Eignung kann bei einem „dickeren Ast“ nicht ohne weiteres und ohne nähere Beschreibung seiner Beschaffenheit unterstellt werden, sondern hängt vielmehr u.a. von dessen Länge, der Stärke und der Konsistenz (hart oder [erkennbar] morsch?) ab.“

    Allerdings fehlt es nach Auffassung des Senats an zureichenden Feststellungen hierzu in dem angefochtenen Urteil. Daran ändert sich auch nichts, wenn der vom Täter verwendete Gegenstand als Scheinwaffe verwendet worden ist. Die Bestimmung, ob der verwendete Gegenstand einen Scheinwaffe im Sinne des Begriffs des „Werkzeugs“ darstellt, richtet sich nach ihrem äußeren Erscheinungsbild:

    „Scheinwaffen, d.h. Gegenstände, die objektiv ungefährlich sind und deren Verwendungstauglichkeit lediglich vorgetäuscht wird, sind vom Begriff des „Werkzeugs“ i.S.d. § 250 Abs. 1 Ziff. 1b) StGB nicht umfasst, wenn sie nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet sind, mit ihnen – etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise – auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken. Die Einschüchterung muss maßgeblich durch den Gegenstand selbst und nicht durch Täuschung über dessen Eigenschaft als Waffe begründet sein ( BGH NStZ 2007, 332 [333]). Ist er schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich, so fehlt es an einer objektiven Scheinwirkung und die Täuschung steht so sehr im Vordergrund seiner Anwendung, dass die Qualifizierung als Werkzeug i.S.d. Bestimmung verfehlt wäre ( BGHSt 38, 116 [117 ff.] – „Platikrohr“ -; BGH NStZ 1997, 184 – „Labello“ -).“

    Somit waren auch vor diesem Hintergrund nähere Feststellungen zur Beschaffenheit des Astes vom Amtsgericht Aachen anzustellen, um überhaupt bestimmen zu können, ob das Aststück geeignet war, um bedrohlich zu wirken. Daran fehlt es aber im angefochtenen Urteil.  Folglich ist der Strafausspruch vom Senat durch die erfolgreiche Revision aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen worden.


  • Der Entscheidung über die Revision des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft durch den 4. Strafsenats des BGH lag folgender Sachvershalt zugrunde:

    Als die Ehefrau des Geschädigten, die unter Einfluss von Alkohol und Medikamenten stehend auf dem Gehweg zusammengebrochen war, von der zuständigen Polizei mittels eines Krankenwagens zum Krankenhaus abtransportiert wurde, versuchte der ebenfalls stark alkoholisierte Ehemann und Geschädigte (eine Blutalkoholkonzentration von 3 Promille wurde gemessen) dieses zu verhindern.

    Darauf entschlossen sich die anwesenden zwei Polizeibeamten, den Geschädigten „zur Ausnüchterung in Gewahrsam zu nehmen und ihm zu diesen Zwecken zu fesseln“. Als sich der Geschädigte hiergegen auf dem Boden liegend wehrte, während eine Polizeibeamtin ihn zu fesseln versuchte, biss er der Polizeibeamtin durch ihre Jeans in den Oberschenkel. In diesem Moment versetzte die Polizeibeamtin dem Geschädigten zwei „kurze Schläge auf den Kieferknochen oder direkt in sein Gesicht“, um sich so aus der Situation zu befreien. Der zweite Polizeibeamte trat dem Geschädigten daraufhin mehrmals mit seinem Schuh (ein fester Dienstschuh) in die Bauchgegend.

    Im anschließenden Verfahren wurde der Angeklagte aufgrund der Tritte gegen den auf dem Boden liegenden und stark alkoholisierten Geschädigten wegen einer Körperverletzung im Amt gemäß §340 Abs. 1 StGB vom Landgericht verurteilt. Die gefährliche Körperverletzung im Amt nach §§340 Abs. 3, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB lehnten die Richter jedoch ab, da ihrer Auffassung nach kein „gefährliches Werkzeug in Gestalt des Dienstschuhs“ vorliegen würde und somit der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach §224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erfüllt gewesen sei.

    Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte legten hiergegen eine Revision ein.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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