Wirtschaftsstrafrecht

  • In vielen Ländern gibt es bereits ein normiertes Unternehmensstrafrecht. In Deutschland ist die Strafverfolgung wegen Wirtschaftsdelikten wie beispielsweise Korruption, Betrug oder Untreue immer auf einzelne Personen des Unternehmens beschränkt. Den eigentlichen Unternehmen können lediglich Bußgelder auferlegt werden.
    Vor dem Hintergrund des Skandals bei der Deutschen Bank fordert nun der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin die Einführung eines Unternehmensstrafrechts. Als Strafen kämen dann Geldstrafen basierend auf dem Umsatz, die Abschöpfung illegal erwirtschaftete Gewinne neben einer Strafe oder gar die Betriebsschließung in Frage.

    Befürwortet wird solch ein Unternehmensstrafrecht von der rot-grünen Landesregierung in Nordrheinwestfalen. Bereits im kommenden Frühjahr möchte die Landesregierung einen Gesetzesvorschlag vorlegen und in den Bundesrat einbringen.


  • Ein Arzt,der Prämien der Pharmaindustrie bekommt, macht sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar.

    Der Große Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein zur vertragsärztlichen Vorsorge zugelassener Arzt bei der Wahrnehmung seiner übertragenen Aufgaben, konkret im Verordnen von Arzneimitteln, als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. C StGB handelt. Im Falle einer Verneinung sollte die Frage geklärt werden, ob der Arzt dann zumindest Beauftragter im Sinne des § 299 StGB ist.

    Vorausgegangen ist eine Verurteilung eines Arztes wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr vor dem Landgericht Hamburg. Dagegen wehrte sich die Strafverteidigung mit der Revision.

    Der Arzt erzielt vom mitangeklagten Pharmareferenten Schecks als Prämie für die Verordnung von Medikamenten des Pharmaunternehmens. Der verschreibende Arzt sollte rund 5 Prozent der Herstellerabgabepreise erhalten. Die Zahlungen wurden getarnt als Honorare für wissenschaftliche Vorträge, die jedoch nie stattfanden.

    Das Landgericht Hamburg verneinte die Amtsträgerstellung des Arztes und verurteilte ihn deswegen lediglich wegen Bestechlichkeit nach § 299 Abs. 2 StGB. Der Arzt sei aufgrund seiner gesetzlichen Stellung als Vertragsarzt ein Beauftragter im Sinne des § 299 StGB. Der Arzt handelt für die Krankenkasse, die gegenüber ihrem Versicherten zur Zurverfügungstellung von Medikamenten verpflichtet sei.
    Der Große Senat sah ebenfalls eine Amtsträgerschaft der Ärzte nicht. Sie übernehmen zwar Aufgaben der Krankenkassen, jedoch sind die freiberuflichen Kassenärzte nicht dazu bestellt, Aufgaben einer öffentlichen Behörde zu übernehmen. Der Patient wählt seine Ärzte selbst aus und es entsteht eine individuelle Vertrauensbasis zwischen Patient und Arzt, die den Krankenkassen entzogen ist. Daher ist das Handeln der Ärzte keine hoheitlich gesteuerte Verwaltungsausübung.

    Aber auch eine Beauftragteneigenschaft im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB mag der Große Senat nicht sehen. Ein Beauftragter wird regelmäßig vom Auftraggeber frei ausgewählt und angeleitet. Dies ist bei einem Kassenarzt jedoch nicht gegeben. Der Patient wählt seinen Arzt selbst aus und den Arzt kann die Krankenkasse auch anschließend nicht ablehnen. Somit handelt es sich nicht um einen Beauftragten der Krankenkasse.
    Aufgrund dieser Wertung des Großen Senats, hat der 5. Senat nun entschieden. Der Arzt ist in der Revision freizusprechen und das Urteil des Landgerichts Hamburgs aufzuheben:

    „Gegenstand der Anklage ist die Unrechtsvereinbarung, die in diesen Fällen – so der große Senat – nicht Grundlage einer Strafbarkeit sein kann. Dies steht einer Aburteilung wegen Vermögensdelikten entgegen, die andere Schutzgüter und tatbestandliche Voraussetzungen betreffen. Insbesondere lassen sich bei der hier vorliegenden Fallgestaltung – Prämierung der Ausstellung von Rezepten für Medikamente des veranlassenden Pharmaunternehmens – etwa mögliche Schuldsprüche wegen Vergehen nach § 263 oder § 266 StGB gegen die Angeklagten ausschließen, die in Tatidentität zu den Anklagevorwürfen stünden. Dies gilt auch für eine mögliche Strafbarkeit wegen Betrugs zulasten der Privatpatienten bzw. ihrer Versicherungen durch Verschweigen der Kick-Back-Zahlungen.“

    Somit hatte die Revision der Strafverteidigung Erfolg.

    BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2012, Az.: 5 StR 115/11


  • Die reine Überlassung des „Personalwesens“ impliziert noch nicht, dass sämtliche betrieblichen Pflichten bezüglich der Personalangelegenheiten übernommen wurden.

    Der mitangeklagte Ehemann der Angeklagten war Geschäftsführer einer Reinigungsfirma. Diese sollte Toilettenanlagen in Kaufhäusern überwachen und reinigen. Die angestellten Mitarbeiter mussten die gesamte Zeit über anwesend sein. Vergütet wurde ihnen jedoch lediglich ihre tatsächliche Putzzeit, das waren rund vier Stunden pro Woche. Die angeklagte Ehefrau selbst war ebenfalls Beschäftigt und war für das Personalwesen des Unternehmens verantwortlich.
    Das Landgericht Hamburg verurteilte beide Angeklagten wegen 50 Fällen des Vorenthalten und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB. Sie hätten gegenüber den Sozialversicherungsträgern falsche Angaben gemacht. So besteht ein Mindestlohn für das Gebäudereinigungsgewerbe. Nach Ansicht des Landgerichts gehöre dazu auch die professionelle Reinigung von Toiletten. Hier müsste dann aber auch die Überwachungszeit vergütet werden, so dass durch die Angeklagten zu geringe Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.
    Die Strafverteidigung der Angeklagten richtet sich mit der Revision gegen das Urteil. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt grundsätzlich die Ansicht des Landgerichts. Die Arbeitsleistung unterfällt der Mindestlohnvereinbarung. Auch muss die Überwachungszeit der Angestellten als Arbeitszeit gewertet werden. Bezüglich der Strafbarkeit der angeklagten Ehefrau hat der BGH jedoch Bedenken.

    Das Landgericht hat angenommen, dass die Pflichten als Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB die Angeklagte nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB trifft. Die Frau sollte für das Personalwesen selbstverantwortlich sein. Tatsächlich war die Angeklagte für Einstellungen, Arbeitsanweisungen und Vereinnahmung des „Tellergeldes“ zuständig. Der BGH möchte hierdurch aber noch nicht den Schluss zulassen, dass sie damit auch sämtliche betrieblichen Pflichten bezüglich der Personalangelegenheiten übernommen hatte:

    „Hiergegen spricht entscheidend, dass dem Angeklagten D. K. die „Büroarbeit“ vorbehalten blieb. Neben finanziellen Fragen kann die „Büroarbeit“ aber im Wesentlichen nur die dem Betrieb gegenüber Behörden obliegenden Aufgaben betroffen haben, wozu im hervorgehobenen Maße auch die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern zählt. Nach den Urteilsfeststellungen beschränkte sich die Rolle der Angeklagten M. K. vorrangig auf diejenige einer fachlichen Vorgesetzten gegenüber dem Reinigungspersonal. Dies genügt aber nicht den Anforderungen an eine Beauftragung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB.“

    Aus diesem Grund ändert der Senat die Verurteilung dahingehend ab, dass sie nur noch wegen Beihilfe in 50 Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt wird. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 12. September 2012, Az.: 5 StR 363/12


  • Da § 1 GWB auch die vertikale Absprache untersagt, müssen auch Nicht-Kartellmitglieder aus § 298 Abs. 1 StGB als Täter bestraft werden können.

    Der Angeklagte wurde vor dem Landgericht Mühlhausen zu einer Geldstrafe wegen wettbewerbsbeschränkender Absprache bei Ausschreibung in 14 Fällen verurteilt. Der Angeklagte war Geschäftsführer eine Wohnungsgesellschaft. Seine Frau betrieb ein Unternehmen, das den An- und Verkauf und die Montage von Bauelemente sowie Baureparaturen durchführte.
    Dabei erhielt das Unternehmen der Ehefrau fast alle Aufträge der Wohnungsgesellschaft. Als das Baureparatur-Unternehmen jedoch in finanzielle Schwierigkeiten geriet, beschlossen der Angeklagte und seine Ehefrau, dass bei Ausschreibungen der Wohnungsgesellschaft neben dem Angebot des Unternehmens der Ehefrau nur noch fingierte Angebote abgegeben werden sollen. So erhielt das Unternehmen der Frau die begehrten Aufträge.

    Gegen die Verurteilung legte der Angeklagte die Revision ein. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt grundsätzlich fest, dass eine Absprache dann rechtswidrig sei, wenn sie gegen § 1 GWB verstöße. Während früher ausschließlich die horizontale Absprache untersagt war, also zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, untersagt die Strafnorm nach der Novellierung nunmehr auch die vertikale Absprache. Somit bestätigt der BGH, dass die vertikale Absprache zwischen der Wohnungsgesellschaft und dem Baureparatur-Unternehmen den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfüllt.
    Ferner musste sich der BGH mit der Frage beschäftigen, ob der Angeklagte überhaupt Täter sein konnte. Denn bisher hatte der BGH offen gelassen, ob nur Kartellmitglieder Täter des § 298 StGB sein können. In der Literatur wird die Frage unterschiedlich beantwortet. Der BGH schließt sich der Literaturmeinung an, die auch eine Täterschaft von Personen außerhalb des Kartells annimmt:

    „Der Senat vertritt jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation der Beteiligung eines Veranstalters an einer auf einer Absprache beruhenden Angebotsabgabe die Auffassung, dass zumindest seit der Neuregelung von § 1 GWB auch dieser den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB täterschaftlich verwirklichen kann. Dessen Wortlaut steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Es handelt sich nicht um ein Sonderdelikt (Dannecker aaO Rn. 18; Fischer aaO Rn. 17; Heine aaO Rn. 17; Hohmann aaO Rn. 99; Lackner/Kühl aaO Rn. 6; Tiedemann aaO Rn. 13; aA Böse aaO Rn. 4);“

    Somit muss der Täter nicht selbst ein Angebot abgegeben haben. Da § 1 GWB auch die vertikale Absprache untersagt, muss auch der Veranstalter der Ausschreibung sich als Täter nach § 298 Abs. 1 StGB strafbar machen können. Aus diesem Grund verwirft der BGH die Revision des Angeklagten.

    BGH, Beschluss vom 25. Juli 2012, Az.: 2 StR 154/12


  • Die ehemalige Ex-NDR-Spielfilm-Chefin stand wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue vor dem Landgericht Hamburg. Die Frau hat, obwohl der Sender sich entschlossen hatte, keine Drehbücher von ihr und ihrem Mann zu kaufen, unter Pseudonymen einige Drehbücher an den NDR verkauft.

  • Hält ein Angeklagter eine Verurteilung zu einer Haftstrafe für möglich, ist eine solche Verurteilung kein neuer Umstand im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO.

    Einem Angeklagten wurden mehrere Wirtschaftsstraftaten vorgeworfen. Ein erlassener Haftbefehl gegen ihn wurde später unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. In einem Verfahren erfolgte dann die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Gegen dieses Urteil legte die Strafverteidigung die Revision ein.
    Anschließend wurde in einem weiteren Verfahren vom Landgericht Bochum ein neuer Haftbefehl erlassen, der nicht außer Vollzug gesetzt wurde. Dadurch seien neue Umstände gemäß § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO durch die Verurteilung aufgetreten, denn nun sei die Fluchtgefahr erhöht, so das Gericht. Dagegen wehrt sich die Strafverteidigung mit der Haftbeschwerde erfolgreich vor dem OLG Hamm.

    „Auch neu hervorgetretene Umstände i.S.d. § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO liegen unter Berücksichtigung der engen Auslegung dieser Vorschrift durch das Bundesverfassungsgericht nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt (vgl. Beschlüsse vom 15. August 2007 – 2 BvR 1485/07 – in StV 2008, 29, vom 29. November 2006 – 2 BvR 2342/06 – in StV 2007, 84 = StraFo 2007, 19 und vom 1. Februar 2006 – 2 BvR 2056/05 – in StV 2006, 139 = StraFo 2006, 108) ausge¬führt, dass ein nach einer Haftverschonung ergangenes Urteil im Einzelfall zwar ge¬eignet sein könne, den Widerruf einer Haftverschonung bzw. die Invollzugsetzung eines Haftbefehls nach § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO zu rechtfertigen. Dies setze jedoch voraus, dass die vom Tatgericht verhängte Strafe von der früheren Prognose, die zur Aussetzung geführt habe, erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweiche und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöhe. Sei dagegen zum Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls mit der späteren Strafe zu rechnen gewe¬sen und habe der Angeklagte die ihm erteilten Auflagen korrekt erfüllt und sich dem Verfahren gestellt, dürfe die Haftverschonung nicht widerrufen werden. Selbst der Umstand, dass der um ein günstiges Ergebnis bemühte Angeklagte durch das Urteil die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen müsse, könne einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, sofern der Angeklagte die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Verfahrensausganges während der Zeit der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen gehabt habe und er gleichwohl allen Auflagen be¬anstandungsfrei nachgekommen sei. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Auslegung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO übernommen (vgl. OLG Hamm, StV 2008, 29; OLG Nürnberg, StraFo 2011, 224; OLG Oldenburg, StV 2009, 141; OLG Stuttgart, StraFo 2009, 104; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 116 Rdnr. 28 m.w.N.).“

    Zwar stellte das Landgericht fest, dass der Angeklagte im Verfahren von einer Bewährungsstrafe ausging, jedoch war dem Angeklagten zu jedem Zeitpunkt bekannt, dass es auch zu einer Haftstrafe kommen könnte. Deswegen seien keine neuen Gründe im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO hervorgetreten. Die Haftbeschwerde der Strafverteidigung hat damit Erfolg.

    OLG Hamm, Beschluss vom 7. August 2012, Az.: III-2 Ws 252/12


  • Soll ein Gehilfe nach dem Strafrahmen eines besonders schweren Falles bestraft werden, reicht es nicht aus, wenn nur die Haupttat einen besonders schweren Fall darstellt.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Leipzig wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Strafverteidigung wehrte sich mittels Revision gegen das Urteil.

    Der Haupttäter handelte gewerbsmäßig und wurde deswegen nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB wegen besonders schweren Betrugs verurteilt. Beim Gehilfen nahm das Landgericht den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB und milderte ihn nach § 27 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB. Der BGH stellt dazu jedoch fest, dass auch der Gehilfe für das erhaltene Urteil hätte gewerbsmäßig handeln müssen:

  • Bei Täuschungen beim Aktienverkauf liegt ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB über die komplette Kaufsumme nur vor, wenn das Unternehmen wertlos ist.

    Das Landgericht Köln befand den Angeklagten in 78 Fällen des Betrugs für schuldig. Dagegen richtet sich die Strafverteidigung mit der Revision.

    Ende der 90er Jahre gründete der Angeklagte ein vermögensloses Unternehmen als Alleinaktionär. In der Zeit darauf ließ er über Telefonverkäufer Aktien im Werte von über 8 Millionen Euro an Anleger verkaufen. Im Emissionsprospekt stellte er das Unternehmen als Immobilienunternehmen dar und wies auf die Möglichkeit des Totalverlustes des eingesetzten Kapitals hin. Mit dem eingenommenen Geld finanzierte er sein Leben.
    Mehrfach führte der Angeklagte Kapitalerhöhungen durch. Bis zum Jahr 2003 lagen dazu auch Kapitalerhöhungsbeschlüsse der Hauptversammlung vor. Für die Jahre darauf fehlten diese. In das Handelsregister wurde jedoch ausschließlich die erste Kapitalerhöhung aus dem Jahr 2001 eingetragen.
    Ein operatives Geschäft betrieb der Angeklagte erst ab Mai 2002, nachdem er erkannte, dass die Polizei Ermittlungen gegen ihn führt. Er versuchte mehrfach andere Unternehmen zu übernehmen. Vorher bestand das Unternehmen nur auf dem Papier.
    Der BGH sieht, anders als das Landgericht, einen Vermögensschaden bis März 2003 nicht als nachgewiesen:

    „Das Landgericht hätte daher den Wert der Aktie (als Anteil an einem zu bestimmenden Unternehmenswert) zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt ermitteln müssen, um unter Gegenüberstellung zu den jeweiligen Erwerbspreisen die erforderliche Saldierung vornehmen und die Schadenshöhe in jedem Einzelfall konkret beziffern zu können. Es hätte dabei auch das – täuschungs- und irrtumsbedingt überhöhte – Risiko des Aktienerwerbs und den dadurch verursachten Minderwert bewertend berücksichtigen müssen. Die Bewertung von Unternehmen bzw. Aktien erfordert zwar komplexe wirtschaftliche Analysen (vgl. hierzu etwa Großfeld Recht der Unternehmensbewertung 6. Aufl. Rn. 202 ff.; Peemöller Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 3. Aufl. Rn. 201 ff.), insbesondere dann, wenn das Unternehmen – wie vorliegend der Fall – nicht börsennotiert ist und es sich um ein junges Unternehmen handelt (hierzu näher Peemöller aaO Rn. 601 ff.). Dies beruht insbesondere darauf, dass der Ertragswert eines Unternehmens auch in die Zukunft reichende Entwicklungen, unter Berücksichtigung von Prospektangaben, erfasst (vgl. näher Großfeld aaO Rn. 982 ff.). Die Einschätzung von Risiken bei der Bewertung im Wirtschaftsleben ist jedoch kaufmännischer Alltag (vgl. im Zusammenhang mit der Bewertung von Forderungen BVerfG NJW 2010, 3209, 3219 f.; zu Anlagen auch BGHSt 53, 199, 203, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Landgericht hätte sich deshalb sachverständiger Hilfe bedienen können, um unter Beachtung der gängigen betriebswirtschaftlichen Bewertungskriterien den Aktienwert in jedem der Einzelfälle feststellen zu können.“

    Dazu führt der BGH weiter aus, dass spätestens ab Mai 2002, als der Angeklagte das operative Geschäft aufnahm, das Unternehmen nicht völlig wertlos war. Deswegen kann zumindest nicht das gesamte investierte Geld als Vermögensschaden betrachtet werden. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 14. April 2011, Az.: 2 StR 616/10


  • Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 143/2012 vom 04.09.2012

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft den Freispruch des Angeklagten (ein Münchener Apotheker) aufgehoben und darüberhinaus über die Zulassungspflicht für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zur Behandlung krebskranker Patienten entschieden.

    Auszug aus der Pressemitteilung:

    Der Bundesgerichtshof hat erstmals – und mit Auswirkungen für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle im Bundesgebiet – über die Reichweite der Zulassungspflicht für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zur Behandlung krebskranker Patienten (Zytostatika) entschieden.

    Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen des Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln ohne die erforderliche Zulassung (§ 96 Nr. 5 AMG*), der unerlaubten Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Verschreibung (§ 96 Nr. 13 AMG*) und des Betruges (§ 263 StGB**) freigesprochen.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts ließ der Angeklagte in den Jahren 2006 und 2007 im Labor der von ihm geleiteten Apotheke auf Rezept Zytostatika-Lösungen auf der Basis des Fertigarzneimittels Gemzar zubereiten. Obwohl es ihm jederzeit möglich gewesen wäre, hierzu auf das in Deutschland zugelassene Medikament zurückzugreifen, bezog er in einer Vielzahl von Fällen eine stoffgleiche, nur in einigen anderen Staaten der Welt zugelassene Herstellung. Der Angeklagte ersparte sich durch den Einkauf des deutlich günstigeren, in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels Erwerbsaufwendungen in Höhe von mehr als 58 500, — Euro. Bei der Abrechnung legte er nicht offen, dass das von ihm verwendete Arzneimittel nicht zugelassen war. Er rechnete vielmehr nach dem Listenpreis ab, was von den Patienten nicht bemerkt und bei stichprobenhaften Rechnungsprüfungen der Kassen auch nicht beanstandet wurde.

    Das Landgericht hat dieses Verhalten des Angeklagten als straflos bewertet. Weil der Angeklagte nicht das erworbene Fertigarzneimittel, sondern eine daraus in seiner Apotheke hergestellte – zulassungsfreie – Rezeptur durch Herausgabe an die Patienten in den Verkehr gebracht habe, sei der Tatbestand des Inverkehrbringens von Fertigarzneimitteln ohne Zulassung nicht erfüllt. Auch ein Verstoß gegen die Verschreibungspflicht liege nicht vor, weil der Angeklagte die Rezepturarzneimittel entsprechend der ärztlichen Verschreibung abgegeben habe. Diese diene nicht der Durchsetzung von Zulassungsvorschriften. Schließlich habe der Angeklagte auch keinen Betrug begangen, da die von ihm abgegebene Lösung  – mangels Zulassungspflicht – verkehrsfähig gewesen sei und eine Pflicht zur Offenlegung seiner Einkaufspreise nicht bestanden habe.

    Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft das freisprechende Urteil aufgehoben. Die Zulassungspflicht entfällt nicht dadurch, dass aus dem Arzneimittel Gemzar durch Hinzugabe von Kochsalzlösung eine Injektionslösung zubereitet wird. Die Verbringung eines Fertigarzneimittels in seine anwendungsbereite Form macht aus ihm kein Rezepturarzneimittel; hierfür bedarf es vielmehr der Durchführung wesentlicher Herstellungsschritte in der Apotheke. Die Pflicht zur Zulassung besteht damit fort. Eine solche Zulassung hätte bereits in einem vereinfachten Verfahren, in dem die stoffliche und therapeutische Identität des Medikaments mit der in Deutschland zugelassenen Herstellung zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen ist, erreicht werden können. Damit kommt entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts eine Strafbarkeit gemäß § 96 Nr. 5 AMG in Betracht. Der Senat hat offen gelassen, ob, was im Hinblick darauf, dass ein Arzt grundsätzlich nur zugelassene Medikamente verschreiben will, naheliegt, auch § 96 Nr. 13 AMG verwirklicht ist. Jedenfalls tritt diese Strafvorschrift im vorliegenden Fall hinter § 96 Nr. 5 AMG zurück. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts kommt aber auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Betruges in Betracht, weil für nicht zugelassene Medikamente kein Erstattungsanspruch besteht. Damit läge ein Schaden in voller Höhe der von den Krankenkassen und privat versicherten Patienten zu Unrecht erstatteten Beträge vor.

    Über die Vorwürfe wird nunmehr eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts erneut zu befinden haben.  [..]

    Urteil vom 4. September 2012 – 1 StR 534/11

    Landgericht München II – W 5 KLs 70 Js 25946/08 – Urteil vom 15. Juli 2011

    Karlsruhe, den 4. September 2012


  • Das Gericht darf sich nicht alleine auf Feststellungen eines aufgehobenen Urteils berufen.

    Das Landgericht Düsseldorf verurteilt einen Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen, Untreue in 33 Fällen und Bankrotts zu fünf Jahren Haft. Daraufhin wehrte sich die Strafverteidigung erfolgreich mit der Revision. Der BGH hat den Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die Richter einen Betrug in 18 Fällen sowie zwei Fälle des versuchten Betruges sahen. Das Urteil bezüglich der Untreue in 33 Fällen und des Bankrotts wurden aufgehoben.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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