Zeuge

  • Ein Zeuge ist als Beweismittel für den Inhalt eines Gespräches nur dann ungeeignet, wenn davon ausgegangen werden muss, dass der Zeuge sich an das Gespräch nicht mehr erinnert.

    Dem Angeklagten wurde vor dem Landgericht Halle vorgeworfen seine Lebensgefährtin mit Tötungsabsicht ohne Vorwarnung gewürgt zu haben. Erst als die Tochter den Raum betrat, soll der Angeklagte von seinem Opfer abgelassen haben. Bezüglich der Frage, ob es lediglich ein versuchter Totschlag oder aber ein versuchter heimtückischer Mord war, entschied sich das Landgericht für den Mord.

  • Nähere Ausführungen zur Konnexität sind nur dann nötig, wenn nicht ohne weiteres erkennbar ist, dass der Zeuge etwas zum Beweisthema bekunden kann.

    Vor dem Landgericht Magdeburg ging es um einen versuchten Mord in Tateinheit mit besonders schwerem Raub. Das Landgericht ging bei der Verurteilung davon aus, dass der Angeklagte sich vom Geschädigten zu einem Flussufer hat fahren lassen. Dort hat er den Geschädigten dann verprügelt und ihm die Fahrzeugschlüsse abgenommen. Um endgültig das Fahrzeug zu erlangen, wollte er den Geschädigten töten. Dazu zwang er ihn, gefesselt mit einem Gürtel an Händen und Füssen, in den Fluss zu gehen. Der Geschädigte konnte sich aber von den Fesseln befreien und an das andere Ufer schwimmen. Er rettet sich dann zu einem naheliegenden Pflegeheim.

  • Verweigert ein Zeuge aufgrund einer falschen Belehrung die Aussage, führt dieser Rechtsfehler zur Aufhebung des Urteils.

    Das Schwurgericht in Flensburg hatte in einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung den an der Tat beteiligten und deswegen bereits abgeurteilten Cousin des Angeklagten als Zeugen geladen. In der Hauptverhandlung belehrte ihn der Richter gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO wegen seines Verwandtschaftsgrades. Während der Zeuge zuerst zur Sache aussagte, berief er sich später auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.

  • Stützt sich eine Verurteilung auf die Aussage eines einzelnen Belastungszeugens, so muss die Urteilsbegründung der Revisionsinstanz eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit ermöglichen.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Saarbrücken wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und ein Berufsverbot von fünf Jahren verhängt.

  • Der Vorsatz der Nötigung iSd § 240 StGB muss sich auf einen konkreten Taterfolg beziehen.

    Die Angeklagten wurden wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und mit Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe vom Landgericht Hannover verurteilt.

    Nach Feststellung des Gerichts trafen sich die beiden Angeklagten mit dem späteren Geschädigten, der ihnen Geld schuldete. Um ihn einzuschüchtern, nahmen sie zwei weitere Männer mit, einer der Angeklagten führte eine geladene Waffe im Hosenbund. Beim Treffen kam es zu einem Wortwechsel, bei dem die Angeklagten den Geschädigten geschlagen haben sollen. In einer Rangelei zog der bewaffnete Angeklagte seine Waffe und gab zwei Schüsse ab.

    Gegen die Verurteilung wehrt sich die Strafverteidigung mit der Revision.

  • Profitiert ein Hauptbelastungszeuge durch die Aussage in seinem eigenen Verfahren, muss das Gericht genau hinschauen

    Wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen wurde der Angeklagte vom Landgericht Bautzen verurteilt. Der Mann gestand, dass er geringe Menge Marihuana zum Eigenbedarf erworben hatte. Die Verurteilung stützt sich jedoch auf Drogenkäufe im Umfang von 2,5 Kg Marihuana. Dabei ist der Lieferant der Drogen der Hauptbelastungszeuge, der bereits selbst verurteilt wurde und Strafmilderung nach § 31 BtMG erhielt. Zusätzlich erhielt der Belastungszeuge Zeugenschutz.

    Die Strafverteidigung greift mit der Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) die Verurteilung an. Besonders auffällig ist, dass der Zeuge mehrfach seine Aussage korrigierte und mal den Angeklagten belastete und mal nicht. Insgesamt kritisiert der BGH, dass das Landgericht nicht hinreichend die Glaubwürdigkeit des Zeugen geprüft hätte, vor allem in Hinblick darauf, dass er durch die Aussage im eigenen Verfahren profitierte:

    „Bereits die unkonstanten Angaben des Zeugen D. aus den früheren Vernehmungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. November 2010 – 2 StR 497/10 und vom 17. Januar 2002 – 3 StR 417/01, StV 2011, 524 und 2002, 470, 471), die das Landgericht über Vorhalte eingeführt hat, hätten ebenso wie die dem Zeugen D. gewährte Strafmilderung Anlass für eine besonders sorgfältige Würdigung seiner Aussage geben müssen.“

    Das Landgericht hat lediglich oberflächlich Bezug auf frühere Aussagen des Zeugen gemacht. Eine konkrete Auseinandersetzung mit den Änderungen im Aussageverhalten des Zeugens geschah nicht. Daher hat die Revision der Strafverteidigung Erfolg. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.

    BGH, Beschluss vom 26. September 2012, Az.: 5 StR 402/12


  • Das Landgericht Verden hat rechtsfehlerfrei die Tat gewürdigt.

    Einem Angeklagten wurde vorgeworfen, am 23. August 1987 eine 16-Jährige ermordet zu haben. Nach einem ersten Freispruch vor dem Landgericht Stade hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil nach Revision der Staatsanwaltschaft auf und verwies die Sache an das Landgericht Verden. Aber auch das Landgericht Verden kam zur Überzeugung, dass der Angeklagte nicht der Täter sei, und sprach ihn ebenfalls frei. Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil erneut Revision ein.

    Der Angeklagte räumte ein, dass er in seinem Fahrzeug mit dem Opfer Sex gehabt hätte. Anschließend fuhr er jedoch zurück zu einer Diskothek und verbrachte ab 1:45 Uhr die restliche Nacht mit einer anderen Frau. Das spätere Opfer wurde von Zeugen noch um 2:00 Uhr und 2:30 Uhr lebend gesehen. Am nächsten Morgen wurde sie erstochen aufgefunden.

    Der Freispruch des Landgerichts stützt sich vor allem auf das Alibi des Angeklagten. Die gefundenen DNA-Spuren am Fesselmaterial könnten durch eine Sekundärübertragung verursacht worden sein. Auch sonstige Spuren können den Angeklagten der Tat nicht überführen. Das Landgericht ging daher davon aus, dass ein bislang unbekannter Täter die Frau getötet habe.
    Der BGH stellt zum Beginn seines Urteils klar, dass das Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler prüft. Die Beweiswürdigung unterliegt dagegen alleine dem Tatrichter. Das Landgericht hat sich nach Auffassung des BGH ausführlich und rechtsfehlerfrei mit den Aussagen der Zeugen beschäftigt. Deswegen sei solch ein Rechtsfehler nicht zu erkennen.

    Die Staatsanwaltschaft hat Recht, wenn sie kritisiert, dass das Landgericht den „in dubio pro reo“-Grundsatz auf jedes Beweismittel einzeln angewendet habe. Der Grundsatz sei nämlich erst am Ende bei der Gesamtwürdigung der Tat zu berücksichtigen. Jedoch hätte das Landgericht vorbildlich am Ende alle be- und entlastende Umstände dargestellt, so dass es darauf nicht ankäme. Auch bezüglicher der DNA-Spuren hat das Landgericht mehrere Sachverständige gehört. Ebenfalls berücksichtigte das Landgericht zutreffend, dass zur damaligen Zeit noch keine Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von Sekundärübertragungen getroffen wurden.

    „Die vom Landgericht mit Blick auf diese Umstände gezogenen Schlüsse sind möglich; darauf, ob sie naheliegend oder gar sicher sind, kommt es für die revisionsrechtliche Beurteilung nicht an.“

    Auch bei weiteren Umständen, wie teilweise fehlerhafte Ortsangaben des Angeklagten und weitere mögliche Tatalternativen hat das Landgericht, nach Meinung des BGH, nachvollziehbar argumentiert. Insgesamt hält der BGH die Beweiswürdigung des Landgerichts für rechtsfehlerfrei. Auch hätte die Strafkammer nicht ein überzogenes Maß für die richterliche Überzeugung angelegt:

    „Die Urteilsgründe geben keinen begründeten Anlass zu der Besorgnis, das Landgericht habe zu hohe Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt. Die Beweiswürdigung lässt vielmehr insgesamt deutlich erkennen, dass die Strafkammer sich des Maßes der für eine Verurteilung notwendigen richterlichen Überzeugung bewusst war.“

    Somit gibt es keine Bedenken an dem Freispruch des Landgerichts. Deswegen hatte die Revision der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg.

    BGH, Urteil vom 16. August 2012, Az.: 3 StR 180/12


  • Eine allgemeine Personenbeschreibung und zweifelnde Zeugen reichen nicht zur Identifizierung eines Täters.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Berlin wegen besonders schweren Raubes, wegen Amtsanmaßung in Tateinheit mit Diebstahl und wegen Amtsanmaßung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl zu sieben Jahren Haft verurteilt.

    Gegen das Urteil legte die Strafverteidigung die Revision ein.

  • Beruft sich ein Zeuge auf Erinnerungslücken, muss das Landgericht erforschen, ob der Zeuge Fragen bezüglich dieses Themas gezielt vermeiden möchte.

    Der Angeklagte wurde vom Landgericht Hagen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Widerstandsunfähigen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach Überzeugung des Landgerichts habe der Angeklagte mit der Lebensgefährtin seines Bruders in ihrem Bett eine DVD geschaut. Als die junge Frau einschlief, vermutlich auch aufgrund einer überdosierten Einnahme von Antidepressiva, soll der Angeklagte sie entkleidet und mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen haben. Als die Frau aufwachte, ließ er sofort von ihr ab. Die Frau vertraute sich ihrem Lebensgefährten erst an, als sie erfahren hatte, dass sie schwanger sei.

    Dagegen wehrte sich die Strafverteidigung mit der Revision.

  • Beruft sich ein Zeuge in der Hauptverhandlung nach erstmaliger Belehrung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, dürfen frühere Vernehmungen nur dann verwertet werden, wenn der Zeuge dem ausdrücklich zustimmt.

    Vor dem Landgericht Gera wurde dem Angeklagten schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in 111 Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, vorgeworfen. Das Landgericht sah seine Schuld als bewiesen an und verurteilte ihn zu 13 Jahren Freiheitsstrafe.

    Das Landgericht hatte dazu auch die drei Töchter des Angeklagten, die nach der Urteilsfeststellung die Geschädigten sind, als Zeuginnen vernommen. Die Töchter beriefen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO. Nach Entlassen der Zeuginnen wurde die richterliche Vernehmung der Zeuginnen verlesen.

    Hiergegen richtet sich die Revision der Strafverteidigung.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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