Zwangslage

  • 3. Strafsenat des BGH, Az. 3 StR 507/09

    Der Angeklagte war vom Landgericht wegen Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft in acht Fällen und wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in insgesamt 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde ihm das Verbot auferlegt, für die Dauer von drei Jahren „eine selbständige, leitende oder angestellte Tätigkeit von Organisation und Durchführung sowie Vermittlung von Veranstaltungen folkloristischer, kultureller und künstlerischer Art“ auszuüben.

    Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) im Hinblick auf die Besetzungsrüge mit Erfolg. In seiner Revision beanstandet der Beschwerdeführer unter anderem die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO.

    Im vorliegenden Sachverhalt hatte das Präsidium des Landgerichts mit Beschluss vom 10. Oktober 2007 über die Strafkammer für die Zuständigkeit und Entscheidung des vorliegenden Falls entschieden und die eingegangene Sache von der Strafkammer 3 nachträglich der Hilfskammer 3 c zugewiesen. In seinem Beschluss zu der Änderung der Geschäftsverteilung fehlt es jedoch an einer ausreichenden Begründung für die Übertragung bereits anhängiger Verfahren.

    Der Generalbundesanwalt führt hierzu unter anderem aus:

    “§ 21e Abs. 3 Satz 1 GVG erlaubt dem Präsidium die Änderung der Geschäftsverteilung während eines laufenden Geschäftsjahres, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers erforderlich wird. Zu diesem Zweck kann auch eine Hilfsstrafkammer eingerichtet werden, der Verfahren nach allgemeinen sachlich-objektiven Kriterien zugewiesen werden. Die Zuweisung bereits anhängiger Verfahren ist grundsätzlich nur möglich, wenn die Neuregelung generell gilt, also auch eine unbestimmte Vielzahl künftiger gleichartiger Fälle erfasst (vgl. BVerfG NJW 2003, 345; 2005, 2689 f. m.w.N.). Nur in Ausnahmefällen, wenn allein so dem Beschleunigungsgebot Rechnung getragen werden kann, ist eine beschränkte Zuweisung allein bereits eingegangener Verfahren zulässig (vgl. BVerfG NJW 2009, 1734 f.). In Anbetracht des Ausnahmecharakters solcher Fälle und des Gewichts des Grundsatzes des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist dann eine detaillierte Dokumentation der Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern, nötig (vgl. BGH Urteil vom 9. April 2009 – 3 StR 376/08 – Rdnr. 17; Beschluss vom 4. August 2009 – 3 StR 174/09 – Rdnr. 18). Mängel in der Begründung des Beschlusses kann das Präsidium bis zur Entscheidung über einen nach § 222b StPO erhobenen Besetzungseinwand durch einen ergänzenden, die Gründe für die Umverteilung dokumentierenden Beschluss ausräumen (vgl. BGH Urteil vom 9. April 2009 – 3 StR 376/08 – Rdnr. 20; Beschluss vom 4. August 2009 – 3 StR 174/09 – Rdnr. 22).[..]“

    Allerdings war das Präsidium des Landgerichts diesen Anforderungen nicht nachgekommen, indem es sich in seiner Begründung für die Änderung der Geschäftsordnung lediglich darauf beschränkt, die 3. Strafkammer als „überlastet“ zu bezeichnen. Auch eine nachträgliche Heilung durch die dienstliche Äußerung des Präsidenten des LG ist nicht eingetreten. Insbesondere lässt auch die „verstärkte Terminierung“ durch zusätzlich anberaumte Verhandlungstage, die auf einem Beschleunigungsgebot beruhen, keinen Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren erkennen, so dass auch die Bezeichnung der Strafkammer 3 als „überlastet“ nach Auffassung des BGH nicht zu erklären ist. Aufgrund dieser fehlenden Begründung des Beschlusses vom 10. Oktober 2009 des Präsidiums hat die Revision des Angeklagten Erfolg.

    Zum Tatbestandsmerkmal  des „dazu Bringens“ i.S.d. § 233 Abs. 1 StGB

    Des Weiteren macht der BGH deutlich, dass auch die bisherigen Feststellungen im vorangegangenen Urteil zu keiner Verurteilung wegen Menschenhandelns zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft nach § 233 Abs. 1 S. 1 StGB führen würden.

    Fraglich ist, ob im vorliegenden Fall ein Menschenhandel gemäß § 233 Abs. 1 S. 1 StGB vorliegt. Denn dies ist nicht bereits dann zu bejahen, wenn der Täter „eine sich in einer Zwangslage oder in einem Zustand der auslandsspezifischen Hilflosigkeit befindliche Person in ein als ausbeuterisch zu beurteilendes Beschäftigungsverhältnis übernimmt“. Erforderlich ist vielmehr, dass die betroffene Person unter Ausnutzung der Zwangslage oder der Hilflosigkeit zur Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung gebracht wird. Entscheidend ist das„dazu bringen“ als Tatbestandsmerkmal:

    „Allerdings verlangt der Begriff des „dazu Bringens“ im Sinne der §§ 232, 233 StGB, zu dessen Auslegung auch die §§ 180 b, 181 StGB in der bis 18. Februar 2005 geltenden Fassung herangezogen werden können (Schroeder NJW 2005, 1393, 1395), weder eine Einflussnahme von gesteigerter Intensität wie das „Einwirken“ (§ 180 b aF) noch eine Willensbeeinflussung im Wege der Kommunikation wie das „dazu Bestimmen“ (§ 181 aF; vgl. Renzikowski in MünchKomm-StGB § 180 b Rdn. 25; § 181 Rdn. 13). Ist das Merkmal des Ausnutzens erfüllt, genügt jede ursächliche Herbeiführung des Erfolges, gleichgültig auf welche Art und Weise, sei es auch nur durch das Schaffen einer günstigen Gelegenheit oder durch ein schlichtes Angebot (BGH NStZ-RR 2005, 234; Schroeder aaO; Eisele in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 233 Rdn. 12; § 232 Rdn. 18; Fischer, StGB 57. Aufl. § 232 Rdn. 12; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 232 Rdn. 2; enger Renzikowski aaO § 233 Rdn. 18; § 232 Rdn. 24 f.).“

    Somit wird nach Ansicht des Senats für die Erfüllung des Tatbestandes des § 233 Abs. 1 StGB verlangt, den Willen des Opfers zu beeinflussen und dadurch den Erfolg in Gestalt der Aufnahme des Opfers in die ausbeuterische Beschäftigung herbeizuführen. Hierfür muss der Täter also den Entschluss, dieses Arbeitsverhältnis aufzunehmen und sich dieser Situation auszusetzen, beim Opfer hervorrufen. Hat das Opfer jedoch bereits eigenverantwortlich diese Entscheidung selbst und ohne Beeinflussung durch den Täter getroffen, fehlt es an dieser Voraussetzung des § 233 Abs. 1 S. 1 StGB.

    Dies lässt sich gerade nach Ansicht des BGH auf Grundlange der Feststellung des LG nicht genau beurteilen. Vielmehr sind die Geschädigten bewusst nach Deutschland gekommen und haben sich eine Arbeit gesucht, um nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland  eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Es könnte somit sein, dass sie bereits von vornherein entschlossen waren, eine derartige Arbeit des Angeklagten anzunehmen oder solche jedenfalls in Kauf zu nehmen.

    Das neue Gericht wird sich somit erneut mit diesen Feststellungen zu beschäftigen haben. Die Strafverteidigung in der Revision hat bereits aufgrund der Besetzungsrüge maximalen Erfolg.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht -
Strafverteidiger Dr. jur. Sascha Böttner

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