34. Strafverteidigertag in Hamburg – 3. AG: „Labeling“

Labeling
von Dr. Böttner, Strafverteidiger aus Hamburg

Der Begriff „Labeling“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „Reaktionsansatz“ oder „Definitionstheorie“, eine Bewegung zur Deobjektivierung von Abweichung und Kriminalität (siehe auch Wikipedia: labeling) Nach den Erkenntnissen der 3. Arbeitsgemeinschaft führt eine frühzeitige Stigmatisierung bereits Strafunmündiger (Kinder unter l4Jahren) im späteren Verlauf zu schärferen Sanktionen, als dies ohne die vorherige Prägung der Fall wäre. Dadurch kommt nicht nur der tatrichterlichen Bewertung ein besonderer Charakter zu, sondern auch die Wertung des Täters wird (negativ) beeinflusst.

„Die Theorie des ,,Labeling“ kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur unter Berücksichtigung unterschiedlicher soziologischer und kriminologischer Wertungsbereiche, wie die Herkunft, das familiäre und soziale Umfeld.“

Insbesondere das in der Presse immer wieder auftauchende Schlagwort der „jugendlichen Intensivtäter“ bereitet den Weg für gravierende Tendenzen der Stigmatisierung. Es besteht damit häufig die Gefahr, dass der Jugendliche diese Definition als „Selbstbild“ übernimmt. Wenn ihm immer wieder gesagt wird, er sei Intensivtäter, wird er sich auch weiterhin als solcher verhalten. Eine weitere kriminelle Lebensweise würde für ihn so quasi als vorgegebenes Schicksal unausweichlich. Neben einer Herabsetzung der Hemmschwelle nimmt die Festlegung der eigenen (delinquenten) Rolle spätestens in der Jugendstrafanstalt ihren (unerwünschten) Weg.
Die Arbeitsgemeinschaft kommt zu dem zutreffenden Ergebnis, dass die immer wieder geforderte Härte des Staates bezüglich der auf diese Art und Weise stigmatisierten Jugendlichen hier kontraproduktiv und im Hinblick auf die Rechte des Beschuldigten äußerst bedenklich ist:

„Es entsteht der Eindruck, dass die Gründung von „Intensivtäterabteilungen“ bei der Staatsanwaltschaft, die Durchführung von sog. „Fallkonferenzen“ unter Beteiligung von Polizei, Schule, Jugendamt, Jugendgerichtshilfe, Staatsanwaltschaft (und ohne Verteidiger!) sowie die besondere ,,Betreuung“ durch Sondersachbearbeiter der Polizei lediglich aus Hilflosigkeit und aufgrund öffentlichen Drucks entstehen. Eine entsprechende Förderung in den Jugendstrafanstalten findet nicht statt.“

Durch die zusätzliche Stigmatisierung als „Intensivtäter“ wird bei Jugendlichen mit „Migrationshintergrund“ eine ohnehin bestehende Problematik ausgeweitet und im außerstrafrechtlichen Bereich fortgeführt. Die Arbeitsgruppe weist zu Recht darauf hin, dass anstelle von Stigmatisierung und Ausgrenzung, Lösungsansätze in der Ausweitung der Bildungsmöglichkeiten und der sozialen Hilfsangebote gefunden werden müssen.

Diesem Ergebnis ist uneingeschränkt zuzustimmen: Durch immer weitere Einsparungen im Bereich von Hilfsangeboten für Kinder und Jugendliche in Begleitung der Schließung immer mehr Jugendeinrichtungen ist ein Problem entstanden, welches nun mit längeren Haftstrafen und insbesondere teuren Haftplätzen in Jugendstrafanstalten „gelöst“ werden soll. Wenn man die Kosten eines Platzes in einer Jugendhaftanstalt vergleicht mit den im Verhältnis dazu verschwindend geringen Kosten effektiver Jugendarbeit in der Prävention wird deutlich, dass hier ein völlig falscher Weg beschritten wird und Umkehr dringend geboten ist.

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