Anspruch auf Beiordnung eines Wahlverteidigers

Dem Beschuldigten wurde am 17.12.2009 der Haftbefehl des AG Frankfurt (Oder) verkündet, er befindet sich derzeit in der JVA Cottbus-Dissenchen. Davor war er in der JVA Kempen und anschließend in der JVA Frankfurt (Oder) ansässig. Nach Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers wurde der Beschuldigte durch den Rechtsanwalt D. als Pflichtverteidiger vertreten. Hiergegen erhob er später eine Beschwerde, mit der er die Beiordnung des Pflichtverteidigers rügt.

Die entscheidende Frage war, ob dem Beschuldigten die Gelegenheit gegeben worden ist bzw. er sich dessen bewusst war, in einem bestimmten Zeitraum einen Anwalt für seine Verteidigung zu benennen. Eine solche Möglichkeit entspricht dem Grundsatz des fairen Verfahrens und ist gesetzlich ausdrücklich normiert.

Dem Besch. soll gem. §142 Abs. 1 StPO möglichst der von ihm als Anwalt seines Vertrauens benannte RA als Verteidiger beigeordnet werden. Ihm ist deshalb Gelegenheit zu geben, innerhalb einer bestimmenden Frist einen Anwalt zu benennen, Dies hat ihm der Vorsitzende unmissverständlich mitzuteilen (vgl. Meyer-Goßner, 51 Aufl. Rn.10 zu § 142 StPO). Die Vorschriften der StPO über die notwendige Mitwirkung und die Bestellung eines Verteidigers im Strafverfahren (§140 ff StPO) sind insoweit Ausdruck des grundgesetzlichen geschätzten Anspruchs auf ein faires Verfahren.

Hier verhielt es sich jedoch anders: Der Beschuldigte hatte während seines Aufenthaltes in der JVA einen Antrag auf die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gestellt, sich jedoch keinen Anwalt seines Vertrauens als Strafverteidiger gesucht. Dies allein würde nicht bedeuten, dass er von seinem Recht auf einen Anwalt seines Vertrauens keinen Gebrauch machen möchte. Vielmehr kann in dieser Annahme im konkreten Fall ein Verfahrensfehler begründet sein. Dazu der Wortlaut des Strafsenats:

In dem vorliegenden Verfahren konnte nicht allein aus der Tatsache, dass der Besch. anlässlich seiner Anhörung im Zuge der Haftbefehlsverkündigung durch das AG Kempten einen Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers gestellt hat, geschlossen werden, er werde keinen Vorschlag unterbreiten, was seine Anhörung insoweit entbehrlich gemacht hätte. Es musste vielmehr davon ausgegangen werden, dass dem Besch. sein Recht aus §142 Abs.1 S. 1 StPO auf Beiordnung eines Verteidigers für das Strafverfahren nicht bekannt war, zumal er Ausländer ist. Einer vorherigen Anhörung des Besch. stand auch nicht eine erhebliche Verfahrensverzögerung entgegen, bzw. hat auch die Verfahrenslage die Bestellung eines Verteidigers nicht so dringlich gemacht, dass der Eintritt einer nur geringen Verzögerung unvertretbar gewesen wäre. Die Beiordnung des RA D. als Pflichtverteidiger war somit verfahrensfehlerhaft und ist auf die Beschwerde des Besch., wie geschehen, aufzuheben. Ergänzend hierzu war noch festzustellen, dass auch nicht etwa eine Heilung der unterlassenen Anhörung dadurch erfolgt ist, dass der Besch. diese widerspruchslos angenommen und über einen längeren Zeitraum vertrauensvoll mit dem für ihn bestellten Pflichtverteidiger zusammengearbeitet hat.

Nachdem der Beschuldigte in die JVA Cottbus-Dissenchen verlegt wurde und von hieraus den Rechtsanwalt K. zu seiner Strafverteidigung beauftragte, legte RA K. zeitnah die vorliegende Beschwerde gegen die Bestellung des vorherigen Pflichtverteidigers D. ein und verwies dabei auch auf die unterbliebene Anhörung. Des Weiteren sind wichtige Gründe i. S. d. § 142 Abs. 1 S 3 StPO, die gegen die Bestellung des vom Beschuldigten benannten Wahlverteidigers als sein Pflichtverteidiger sprechen, ebenfalls nicht ersichtlich.

Aus diesem Grund wird der Beschwerde des Beschuldigten vom LG Frankfurt (Oder) stattgegeben, somit ist die Bestellung des Rechtsanwalts D. als Wahlverteidiger vorzunehmen.

Az. 21 Qs 18/10 – LG Frankfurt (Oder)

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