Zur Anwendung der „Kronzeugenregelung“ nach § 46b StGB

Der Angeklagte ist vom Landgericht Dresden wegen Urkundenfälschung in insgesamt acht Fällen und versuchter Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Mit der hiergegen gerichteten Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erzielt der Angeklagte einen Erfolg.

Der Angeklagte hatte durch Offenbarung seines Wissens über den an ihm selbst verübten erpresserischen Menschenraub nach § 239a StGB in Tateinheit mit der räuberischen Erpressung nach § 255 StGB wesentlich bei der Aufklärung dieser Straftat mitgewirkt. Die Strafkammer des Landgerichts Dresden hatte jedoch die Regelung des § 46 StGB nicht angewendet, da es sich beim Angeklagten ihrerseits nach nicht um einen Tatbeteiligten, sondern um das Tatopfer handele. Außerdem seien die Aussagen des Angeklagten als Zeuge nicht freiwillig erfolgt.

Diese Erwägungen halten nach Ansicht des Strafsenats des BGH der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Auszug aus dem Revisionsbeschluss des Strafsenats:

Nach der vom Gesetzgeber bewusst überaus weit ausgestalteten Tatbestandsfassung des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB ist nicht erforderlich, dass es sich bei dem „Kronzeugen“ um einen Tatbeteiligten handelt (Regierungsentwurf in BT-Drucks 16/6268 S. 10, 12; Fischer, StGB 57. Aufl. § 46b Rdn. 13a). Der „Kronzeuge“ muss lediglich Aufklärungshilfe zu „einer“ der in § 100a Abs. 2 StPO aufgeführten Taten leisten. Ein Zusammenhang mit den von ihm verübten Taten ist nicht vorausgesetzt. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierte Vorschrift des § 46b Abs. 1 Satz 3 StGB enthält keine Eingrenzung auf Tatbeteiligte, sondern statuiert für den Tatbeteiligten das zusätzliche Erfordernis einer Aufklärung über den eigenen Tatbeitrag hinaus. Hieraus ergibt sich im Gegenschluss, dass der „Kronzeuge“ ansonsten lediglich Wissen über irgendeine Katalogtat offenbaren muss.

Bezüglich der Freiwilligkeit der Zeugenaussage des Angeklagten stellt der Senat folgendes fest:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts wird das Merkmal der Freiwilligkeit nicht mit Blick auf eine strafprozessuale Aussagepflicht des Zeugen (vgl. §§ 51, 70 StPO) ausgeschlossen.

Freiwilligkeit ist nach der insoweit auf § 46b StGB übertragbaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 31 BtMG dann gegeben, wenn sich der Beschuldigte frei zur Offenbarung entschließen kann; unfreiwillig handelt hingegen, wer meint, nicht mehr anders handeln zu können (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Freiwillig 1 und 2). Abgesehen davon, dass gesetzliche Anzeigepflichten betreffend begangene Straftaten nach geltender Rechtslage die Ausnahme bilden und der Zeuge – was das Landgericht im Grundsatz nicht verkennt – etwa bei polizeilichen Vernehmungen nicht aussagen muss, führt eine gegebene Zeugnispflicht nicht dazu, dass er nicht Herr seiner Entschlüsse ist und eine Aussage daher nicht mehr auf einem autonomen Entschluss beruhen kann. Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber den Tatbestand des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB und damit das Freiwilligkeitserfordernis selbst bei Bestehen einer strafbewehrten Anzeigepflicht nach § 138 StGB nicht in Frage gestellt sieht (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des federführenden Rechtsausschusses des Bundestages in BT-Drucks 16/13094 S. 5). Anders läge es, wenn der Zeuge erst nach gegen ihn konkret ergriffenen Erzwingungsmaßnahmen (vgl. §§ 51, 70 StPO) aussagen würde. Hierzu enthält das Urteil indessen keine Feststellungen.

Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Strafausspruch unter Anwendung des § 46b StGB und der Kronzeugenaussage milder für den Angeklagten ausgefallen wäre. Somit hebt der Senat den Strafausspruch des Landgerichts Dresden auf und verweist die Entscheidung an das neue Tatgericht.

Im Rahmen der Ermessensausübung wird das neue Tatgericht die Umstände des konkreten Einzelfalls näher darlegen und bewerten müssen. Hier ist nach Ansicht des Senats ebenfalls zu berücksichtigen, ob und inwiefern der Angeklagte durch seine Wissensoffenbarung vorrangig der Aufklärung beigetragen hat ab Kenntnis von Tat und Tätern.

Sollte das Tatgericht die Anwendung des § 46 StGB bejahen, „hat es nach der auch in diesem Punkt sehr weitgehenden und wenig bestimmten gesetzlichen Konzeption die Angemessenheit und Gebotenheit der Strafmilderung für jede dem Angeklagten zur Last liegende Tat zu prüfen (Regierungsentwurf aaO S. 13, unter Bezugnahme auf BayObLG NJW 1991, 2575, 2579)“.

Die Revision des Angeklagten hat somit im Rahmen der Ausführungen einen Erfolg erzielt.

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