Beweiswürdigung: Erinnerungslücken begründen Zweifel an der Aussage

Vor allem bei Sexualstraftaten, wie der Vergewaltigung (§ 177 StGB) oder sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176 StGB) entstehen häufig Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen. In diesen Fällen ist vor allem die Glaubhaftigkeit der Aussage des mutmaßlichen Opfers entscheidend, da meist andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen.

Erinnerungslücken des Zeugen bei „Themenvermeidung“ vor Gericht

Ein besonderes Problem können dabei Erinnerungslücken sein, die sich in der  Zeugenaussage vor Gericht ergeben. Erinnert sich ein Zeuge zum Beispiel nicht daran, ob es bereits zuvor zu einvernehmlichen Geschlechtsverkehr kam, ist dies zu hinterfragen. Wenn sich der vor Gericht aussagende Zeuge an wenig vergessensanfällige Erlebnisse nicht mehr erinnern kann, spricht dies nach einer neueren Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH für eine gezielte Themenvermeidung und gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage (BGH, Beschluss vom 23. August 2012, Az.: 4 StR 305/12).

Das Gericht muss dann weiter erforschen, ob hier nicht möglicherweise ein bestimmtes Thema absichtlich durch den Zeugen vermieden wird. Der Strafverteidiger sollte bereits während der gerichtlichen Aussage darauf hinweisen, um das Gericht für die Problematik zu sensibilisieren. Möglicherweise muss in diesen Fällen ein aussagepsychologisches Gutachten über die Glaubhaftigkeit der Aussage und der Glaubwürdigkeit der Zeugin eingeholt werden.

Freispruch bei Verfahren im Sexualstrafrecht bei „Aussage gegen Aussage“

Anhand von der Art der Schilderung, dem Detailreichtum, den konkreten Erinnerungslücken und weiteren Merkmalen kann dann sowohl die Glaubwürdigkeit der Person an sich als auch die Glaubhaftigkeit der Aussage beurteilt werden.

Daher kommt vor allem bei Sexualdelikten bei der Konstellation „Aussage gegen Aussage“ der meist einzigen Zeugin ein immenses Gewicht zu. Die Befragung durch einen versierten Strafverteidiger wird – sofern nicht ein Geständnis vorliegt – entsprechend intensiv erfolgen. Insbesondere bei unterschiedlichen Aussagen wird der Rechtsanwalt des Angeklagten prüfen, ob Abweichungen in den Aussagen vorliegen oder – wie in dem vom BGH entschiedenen Fall – bestimmte Themen weggelassen werden. Die Befragung stellt häufig eine nicht unerhebliche Belastung dar. In kritischen Fällen kann sich der Zeuge auch durch einen Zeugenbeistand beraten lassen, der über Zeugenrechte wie das Zeugnisverweigerungsrecht und ggf. ein Auskunftsverweigerungsrecht aufklärt. Handelt es sich bei der einzigen Zeugin im Falle einer Vergewaltigung oder eines sexuellen MIssbrauchs um die mutmaßlich Geschädigte, so kann sich diese als Nebenklägerin dem Prozess anschließen und durch einen Rechtsanwalt als Nebenklägervertreter im Prozess vertreten lassen. Die Zeugenaussage muss indes jeweils persönlich erfolgen. Es erscheint aufgrund der Schwierigkeit solcher Prozesse empfehlenswert, auch mit dieser Aufgabe einen Fachanwalt für Strafrecht zu betrauen, der dem Strafverteidiger „die Stirn bietet“ und ggf. unzulässigen Fragen Einhalt gebietet.

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