BGH: Das Bestimmtheitsgebot verlangt eigenständige Feststellungen zum Vermögensschaden

Ein Prozessrisiko als Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB muss konkret beziffert werden.

Die Angeklagte wurde vom Landgericht Hannover wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung verurteilt. Ihr Ehemann mietete sich hochwertige Leihwagen an, lies sich dann von einem Dritten die Papiere fälschen und verkaufte diese unter Zuhilfenahme der Angeklagten an ahnungslose Käufer weiter.

Dabei ermittelte das Landgericht die genaue Schadenshöhe nicht, die den Käufern entstanden war. Deswegen wehrt sich die Strafverteidigung erfolgreich mittels Revision. Laut BGH kann der komplette Kaufpreis zumindest nicht der Schaden sein:

Eine Schädigung der Käufer in Höhe des vollen von ihnen entrichteten Kaufpreises, auf den das Landgericht jeweils Bezug nimmt, setzte voraus, dass sie im Gegenzug kein Eigentum an den Kraftfahrzeugen erlangten. Dazu, insbesondere zu den Voraussetzungen des § 932 Abs. 2 BGB unter besonderer Berücksichtigung des Gutglaubenserwerbs von Kraftfahrzeugen bei Vorlage unechter Zulassungsbescheinigungen (BGH, Urteil vom 23. Mai 1966 – VIII ZR 60/64, BB 1966, 720 f.; OLG München, Urteil vom 26. Mai 2011 – 23 U 434/11, juris Rn. 20 ff.; MünchKommBGB/Oechsler, 5. Aufl., § 932 Rn. 56), legt das Landgericht nichts dar.

Aber auch wenn das nicht unerhebliche Prozessrisiko der Käufer als Betrugsschaden anzusehen wäre, müsste dieser Schaden genauer in den Urteilsgründen dargelegt werden:

Denn nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, die in gleicher Weise für das Merkmal des Vermögensschadens nach § 263 Abs. 1 StGB relevant ist, ist es im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erforderlich, eigenständige Feststellungen zum Vorliegen des Vermögensschadens zu treffen, um so dieses Tatbestandsmerkmal von den übrigen Tatbestandsmerkmalen des § 263 Abs. 1 StGB sowie die Fälle des versuchten von denen des vollendeten Betruges hinreichend deutlich abzugrenzen. Nur so lässt sich auch eine tragfähige Aussage zur Stoffgleichheit zwischen der vom Opfer erlittenen Vermögenseinbuße und dem vom Täter erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil treffen. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fallgestaltungen abgesehen bedeutet dies, dass der Schaden der Höhe nach zu beziffern und seine Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darzulegen ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 211 f.).

Aus diesem Grund verweist der BGH die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.

BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011, Az.: 3 StR 115/11

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