BGH: Eine Affekthandlung kann sich auch über längere Zeit aufgebaut haben

Ein planerisches Vorgehen nach einer längeren Zeit der Demütigung schließt eine Affekthandlung nicht aus.

Der Angeklagte wurde vom Landgericht Limburg an der Lahn wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. In einem gemeinsamen Urlaub hat der griechischstämmige Angeklagte seine griechische Frau erdrosselt.

Die Ehefrau hatte den Arbeitslosen bereits seit Jahren gedemütigt. So beschimpfte sie ihn öfters im Beisein Dritter als „Waschlappen“ und warf ihm vor, „kein richtiger Mann“ zu sein. Auch erwähnte sie mehrfach, dass sie sich scheiden lassen und nach Griechenland zurückkehren möchte.

Als es in einem Urlaub erneut zum Streit kam, bei dem die Frau den Angeklagten ohrfeigte und ankündigte, mit einem neuen Partner und den gemeinsamen Kindern nach Griechenland zu ziehen, nahm der Angeklagte seinen Gürtel und erdrosselte seine Ehefrau. Nach drei Minuten ließ er von ihr ab, erbrach sich, wechselte seine blutverschmierte Hose und verließ die Ferienwohnung. Aufgrund seines auffälligen Verhaltens wurde er am Hauptbahnhof von der Bundespolizei festgenommen.

Das Landgericht verneinte hier einen schuldrelevanten Affekt, der zu einer verminderten Schuldfähigkeit führen könnte. Dagegen richtet die Strafverteidigung die Revision. Der Bundesgerichtshof (BGH) teilt die Bedenken der Strafverteidigung.

War es ein Mord in Folge einer Affekthandlung oder nicht?

Das Landgericht verneinte eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, weil der Angeklagte planerisch vorgegangen sei. Auch die Zeitdauer, also die Drosselung über drei Minuten, spräche gegen einen explosionsartigen Emotionsdurchbruch. Der BGH gibt hier jedoch zu bedenken, dass die lange Zeitdauer für die Tötungsart Drosselung geradezu typisch sei.

Ebenfalls hält das Landgericht den Streit für eine Alltagssituation, vor allem da die Frau bereits früher mit der Scheidung gedroht habe. Hier verkannte das Landgericht jedoch nach Meinung des BGH, dass mit der Erwähnung eines neuen Partners und der Ankündigung des Auswanderns mit den Kindern nach Griechenland ein affektauslösendes Ereignis sein könne. Auch könne es sein, dass sich über eine längere Zeit eine Affektverfassung aufgebaut hätte und erst die Demütigung und Gewalt am Tattag das Fass zum Überlaufen gebracht habe.

Ferner führt der BGH zur Person des Angeklagten aus:

Die dem Angeklagten vorgeworfene Tat ist ihm aufgrund seines übermäßig angepassten, duldendlabilen und aggressionsgehemmten Charakters (UA S. 52) persönlichkeitsfremd. Auch dieser Umstand stellt ein mögliches Indiz für eine affektbedingte tiefgreifende Bewusstseinsstörung des Angeklagten dar, das das Landgericht in seine Überlegungen hätte einbeziehen müssen. Dies gilt umso mehr, als das Urteil keinen bestimmenden Auslöser für die begangene Tat benennt.

Auch vermisste das Landgericht die Erschütterung über das eigene Tun. Dabei hat es aber nicht berücksichtigt, dass sich der Täter direkt nach der Tat erbrechen musste und dass er aufgrund seines auffälligen Verhaltens von der Bundespolizei am Hauptbahnhof festgenommen wurde.

Somit hat die Revision Erfolg. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landes, konkret an das Landgericht Gießen, zurückverwiesen.

BGH, Beschluss vom 7. August 2012, Az.: 2 StR 218/12

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