BGH: Gerichtssprache Deutsch auch für Schöffen

BGH Urteil vom 26.01.2011, Az.: 2 StR 338/10

Das Landgericht Köln hatte die drei Angeklagten wegen besonders schweren Raubs und Beihilfe zu dieser Tat zu Freiheitsstrafen verurteilt. Gegen das Urteil legten die Angeklagten Revisionen ein, woraufhin der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen hat.

Zum Sachverhalt:
Die Schöffin wollte bereits vor Beginn der Hauptverhandlung von ihrem Amt zurücktreten, da sie nach eigener Aussage der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei. Dies wies das Landgericht durch Beschluss zurück, so dass die Schöffin am Prozess teilnahm. Für sie wurde allerdings eine russische Dolmetscherin bestellt, welche immer anwesend und zudem auch bei allen Beratungen einschließlich der Urteilsberatung dabei war.

Die Strafverteidiger der Angeklagten erhoben vor deren Vernehmung einen Besetzungseinwand. Dieser wurde aber durch Beschluss zurückgewiesen.
Begründet hat das Landgericht seine Entscheidung damit, dass die sprachlichen Anforderungen an einen Schöffen nicht gesetzlich geregelt seien. Das Sprachproblem solle einen Schöffen aber nicht an der Teilnahme hindern, da das Landgericht das Problem durch die Hinzuziehung eines Dolmetschers als gelöst ansah.

Zwar hat der Gesetzgeber auf das Problem reagiert und durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Gerichstverfassungsgesetzes vom 24. Juli 2010 in § 33 Nr. 5 GVG in der ab 30. Juli 2010 geltenden Fassung eine Regelung getroffen. Allerdings war diese zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht in Kraft.

Der BGH sah es anders als das Landgericht und gab der Revision statt:

1. „Die Rüge hat Erfolg weil die Schöffin aufgrund ihrer unzureichenden Deutschkenntnisse an der Verhandlung nicht teilnehmen durfte, so dass die Kammer nicht vorschriftsmäßig besetzt war, § 338 Nr. 1 StPO.“

„Der Senat bejaht die Erforderlichkeit einer hinreichenden Sprachkompetenz bei Schöffen auch für die Rechtslage vor der Neuregelung in § 33 Nr. 5 GVG. Der in der Strafprozessordnung verankerte Verfahrensgrundsatz der Unmittelbarkeit (§§ 261, 264 StPO) verlangt, dass das Urteil auf einer umfassenden Würdigung der unmittelbar vor dem erkennenden Gericht erhobenen Beweise beruht. Hierzu ist erforderlich, dass der erkennende Tatrichter Prozessabläufe akustisch und optisch wahrnehmen und verstehen und sich unmittelbar – ohne Zuhilfenahme von Sprachmittlern – mit den übrigen Verfahrensbeteiligten in der Gerichtssprache – diese ist gemäß § 184 Satz 1 GVG deutsch – verständigen kann.2. „So ist, obwohl dies gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist, ein hör- oder sprechunfähiger Richter regelmäßig nicht fähig, an Verhandlungen teilzunehmen. Dies folgt aus dem die Hauptverhandlung beherrschenden Grundsatz der Mündlichkeit, der die Fähigkeit voraussetzt, Gesprochenes akustisch wahrzunehmen und sich in dem durch Rede und Gegen-rede gekennzeichneten Gang der Hauptverhandlung mündlich zu äußern (vgl. BGHSt 4, 191, 193; Kuckein in Karlsruher Kommentar 6. Aufl. § 338 Rn. 50; Pfeiffer StPO 5. Aufl. § 338 Rn. 10).“

Hieraus folgt, dass sämtliche Richter der deutschen Sprache mächtig sein müssen.“

Die Entscheidung hat zwei Seiten. Zum einen wird damit einem nicht kleinen Teil der in Deutschland lebenden Bevölkerung die Teilnahme als Schöffen am Strafprozess unmöglich gemacht. Zum anderen wird dies aber den Grundsätzen des Strafprozesses gerecht, insbesondere der Wahrung des Mündlichkeitsprinzips.  Dies gilt umso mehr, als dass in Deutschland keine staatliche Prüfung von Dolmetschern stattfindet und in der Praxis teilweise bedenkliche Qualität zu erheblichen Verständnisfehlern führt.


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