BGH: Zu den Mindestanforderungen an die Urteilsgründe im Rahmen eines „Deals“

Sachrüge zum Deal: Das Landgericht Hanau hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 26 Fällen unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren gesamtstrafenfähigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

Der Angeklagte beschloss zusammen mit einem Bekannten, mit gefälschten Personalausweisen und Bankkarten im Namen fiktiver Personen Verträge abzuschließen, um an von dem Mobilfunk-Provider subventionierte Handys zu gelangen. Dazu scannte der Bekannte Ausweise ein und bearbeitete diese, indem er einen fiktiven Namen verwendete und die Seriennummern, die Personaldaten und die Lichtbilder veränderte. Ferner fertigte er Kopien von Bankkarten an. Anschließend wurden auf den Namen fiktiven Personen Verträge abgeschlossen.

Dazu der BGH:

Das angefochtene Urteil unterliegt insgesamt der Aufhebung, da es nicht den Mindestanforderungen genügt, die an die Urteilsgründe auch dann zu stellen sind, wenn die Entscheidung, wie hier, nach einer Verfahrensabsprache ergangen ist. Allein die Bereitschaft des Angeklagten, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreitet, entbindet das Gericht nicht von der Pflicht zur Aufklärung und Darlegung des Sachverhalts, soweit dies für den Tatbestand der dem Angeklagten vorgeworfenen Gesetzesverletzung erforderlich ist (vgl. BGH, NStZ 2009, 467; NStZ-RR 2010, 54; Senat, NStZ-RR 2010, 336).

Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt, bei einer Vielzahl von Straftaten, die den selben Tatbestand erfüllen, davon abzusehen, die konkreten Sachverhalte der Einzeltaten ausführlich mitzuteilen, und diese stattdessen in einer Liste zusammenzufassen, in der die jeweiligen Taten individualisiert werden. Dies gilt, wenn die Taten in allen wesentlichen tatsächlichen Umständen, die den Tatbestand erfüllen, gleich gelagert sind. Auch dann müssen die Urteilsgründe aber so abgefasst werden, dass sie erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können (vgl. für den Fall einer Vielzahl von gleichgelagerten Betrugstaten BGH, NJW 1992, 1709; NStZ 2008, 352; NStZ-RR 2010, 54).

Damit stellt der BGH klar, dass das Urteil auch im Rahmen einer Verfahrensabsprache unerlässliche Mindestvoraussetzungen erfüllen muss. Dazu gehöre insbesondere eine geschlossene und für das Revisionsgericht nachvollziehbare Darstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens, um eine revisionsrechtliche Überprüfung zu ermöglichen.

Nach den Feststellungen des BGH erschöpfen sich die Urteilsgründe in einer kurzen Schilderung, die teilweise aus der Anklage übernommen wurden. Der BGH kritisiert im Folgenden vor allem, dass den Feststellungen des Landgerichts nicht zu entnehmen ist, wie genau es zu dem Abschluss der Verträge kam.

Das auf einer Verständigung basierenden Urteil wurde wegen mangelnder Mindestfeststellungen zu den Serientaten (Individualisierung) und Urkundenfälschungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

BGH, Beschluss vom 09.03.2011, Az.: 2 StR 428/10

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