BGH: Zum besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung

Wirtschaftsstrafrecht: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Grundlage der Verurteilung sind nicht zur Umsatzsteuer erklärte, durch Scheinrechnungen abgedeckte Schwarzeinkäufe und -verkäufe von Telefonkarten. Zusätzlich gründete der Angeklagte zwei Unternehmen, die er mit Hilfe von Strohleuten führte. Insgesamt hinterzog er Umsatzsteuern in Höhe von über zwei Millionen Euro.

Bei den 16 Taten reichen die jeweiligen Beträge von 19.918 € bis zu 203.952 €. Bei 13 Taten liegt der Hinterziehungsbetrag über 100.000 €, acht dieser Taten wurden nach dem 1. Januar 2008 begangen. Auch in diesen Fällen hat die Strafkammer der Strafzumessung den Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zugrunde gelegt und Einzelstrafen von acht Monaten bis zu einem Jahr und vier Monaten verhängt.

Der BGH beanstandete, dass die Strafkammer nicht erörtert hat, ob der Angeklagte aus grobem Eigennutz handelte (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) und ob er bei den Taten nach dem 31. Dezember 2007 (gemäß der von da an geltenden Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) Steuern in großem Ausmaß verkürzte.

Zum Merkmal „großes Ausmaß“:

Der Senat hat mit Urteil vom 2. Dezember 2008 (1 StR 416/08, BGHSt 53, 71) das Merkmal „großes Ausmaß“ ausgelegt und dafür folgende Betragsgrenzen bestimmt: Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann ist das Merkmal bei einer Verkürzung in Höhe von 100.000 € erfüllt (Rn. 39, 41). Wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, liegt die Betragsgrenze bei 50.000 € (Rn. 37).

Diese Bestimmung der Betragsgrenzen durch den Senat hat der Gesetzgeber in den Beratungen zu dem Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes (BT-Drucks. 17/4182 und 17/4802) aufgegriffen. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 17/5067 neu) ist zur Bestimmung der Betragsgrenze, ab welchem bei einer Selbstanzeige Straffreiheit nicht eintritt, unter Bezugnahme auf das Senatsurteil BGHSt 53, 71 ausgeführt (S. 21): „Die Betragshöhe orientiert sich an der Rechtsprechung des BGH zu dem Regelbeispiel des § 370 Absatz 3 Nummer 1 AO, wo das Merkmal großen Ausmaßes bei 50 000 Euro als erfüllt angesehen wird.

Damit hat der Gesetzgeber ersichtlich die Auslegung des Regelbeispiels durch den Senat gebilligt. Jedenfalls in den Fällen, bei denen durch die nach dem 31. Dezember 2007 begangenen Taten Steuern in Höhe von 100.000 € und darüber verkürzt wurden, hätte die Strafkammer deshalb die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 als erfüllt ansehen müssen. Zudem hätten die Feststellungen zum Zusammenwirken innerhalb der Tätergruppe Anlass geben können, auch das Regelbeispiel Nr. 5 des § 370 Abs. 3 Satz 2 AO (Handeln als Mitglied einer Bande zur fortgesetzten Begehung von Steuerhinterziehungen) zu prüfen.

Der BGH beanstandet folglich, dass das Landgericht das Regelbeispiel nicht ausreichend geprüft hat. Dadurch wurde nicht erörtert, ob das Regelbeispiel durch positive Strafzumessungfaktoren ausgeglichen wurde.

In der Gesamtbetrachtung wird die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 1. Oktober 2010 als unbegründet verworfen. Angesichts unzureichender Begründungen und Protokollierungen für die im vorangegangenen Urteil bereits erfolgte Abweichung von der Bestrafung für einen „besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung„, scheint der Angeklagte nach Hinterziehung von Geldern in Millionenhöhe aus Sicht des BGH mit seiner Bewährungsstrafe schon eher durch „Nichtannahme eines besonders schweren Falles“ begünstigt als beschwert worden zu sein.

BGH, Beschluss vom 05.05.2011, Az.: 1 StR 116/11

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