BGH: Zur Verurteilung des Geschäftsführers einer GmbH wegen Untreue trotz Einverständnis der Gesellschafter

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen sowie wegen Untreue in 33 Fällen und wegen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Weiter hat es ausgesprochen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als vollstreckt gelten. Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein.

Dabei hat das Landgericht festgestellt, dass die Ehefrau des Angeklagten seit Juni 2005 Alleingesellschafterin einer GmbH war, als deren faktischer Geschäftsführer der Angeklagte fungierte. Der Angeklagte spielte zahlreichen Interessenten vor, deren Geld zur Finanzierung von Leasingfahrzeugen an eine Leasinggesellschaft weiterzuleiten. In 18 von 20 vom Landgericht festgestellten Fällen leisteten die von ihm geworbenen Interessenten Anzahlungen in Höhe von mehreren tausend Euro. Der Angeklagte verwendete die Zahlungen allerdings nicht wie angekündigt, sondern für eigene und Zwecke der Gesellschaft. So verschaffte er sich eine vorübergehende Einnahmequelle.

Der Angeklagte überwies verschiedene Beträge vom Geschäftskonto der Gesellschaft an seine Tochter, seine Ehefrau und den Vermieter seiner Privatwohnung. Diesen Leistungen standen keine Leistungen an die Gesellschaft gegenüber. Zudem unterließ es der Geschäftsführer, fristgerecht eine Bilanz der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 2005 aufzustellen.

Der BGH zu den Feststellungen des Landgerichts:

Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen eines Betruges – II. 3. der Urteilsgründe – verurteilt hat, ändert der Senat den Schuldspruch im Sinne einer tatmehrheitlichen Begehungsweise der vom Landgericht im Einzelnen festgestellten Taten (§ 354 Abs. 1 StPO; vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2001 – 3 StR 461/00, wistra 2001, 217, 218). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den Vorwurf einer tatmehrheitlichen Begehung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einsatzstrafe von vier Jahren und neun Monaten.

Zur Verurteilung wegen Untreue führt der BGH aus:

Das Landgericht hat zwar im Grundsatz richtig gesehen, dass sich ein Missbrauch der Verfügungsmacht über das Konto der Gesellschaft gegen einen anderen Vermögensträger als die Betrugstaten richtete, so dass Untreuetaten des Angeklagten als deren faktischer Geschäftsführer keine mitbestraften Nachtaten sind (BGH, Beschluss vom 20. September 2000 – 3 StR 19/00, NStZ 2001, 195 f.). Es hat sich jedoch nicht mit der Frage des Vorliegens und der Wirksamkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses der Gesellschafter bzw. der Alleingesellschafterin als Vermögensinhaber befasst.

Da die Pflichtwidrigkeit des Handelns Merkmal des Untreuetatbestands ist, schließt das Einverständnis des Inhabers des zu betreuenden Vermögens die Tatbestandsmäßigkeit aus (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 342; Beschluss vom 31. Juli 2009 – 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 57; Urteil vom 27. August 2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 278). Bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Vermögensinhabers dessen oberstes Willensorgan für die Regelung der inneren Angelegenheiten, bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Gesamtheit ihrer Gesellschafter.

Aus dem Einverständnis der Gesellschafter folgt indessen nicht in jedem Fall der Ausschluss der Tatbestandsmäßigkeit. Zwar können der Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Zustimmung ihrer Gesellschafter grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil sie gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Ein Einverständnis der Gesellschafter ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157 ff.; Beschluss vom 10. Februar 2009 – 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2227; Beschluss vom 31. Juli 2009 – 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 57 ff.). Dazu hat das Landgericht ebenso wenig Feststellungen getroffen wie zum Einverständnis als solchem. Seine Ausführungen zum „Geschäftsmodell“ der Gesellschaft legen einen Verstoß zwar nahe, ergeben ihn aber nicht mit einer die Verurteilung tragenden hinreichenden Deutlichkeit.

Der BGH betont, dass eine Verurteilung wegen Untreue die Pflichtwidrigkeit des Handelns voraussetzt. Daraus folge, dass ein Einverständnis in der Regel bereits den Tatbestand der Untreue ausschließt. Eine Ausnahme würde nach Ansicht der Richter lediglich vorliegen, wenn das Einverständnis zu einem Verstoß gegen Gesellschaftsrecht – zum Beispiel die Unterschreitung der Mindesthöhe des Stammkapitals gemäß § 30 GmbHG – führt. Für eine solche Annahme habe das Landgericht allerdings nicht genügend Feststellungen getroffen.

BGH, Beschluss vom 30.08.2011, Az.: 3 StR 228/11

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