Bundeskabinett beschließt Verschärfung des Sexualstrafrechts – Es drohen zahlreiche Strafverfahren wegen sexueller Nötigung bzw. Vergewaltigung

Zukünftig soll bereits ein entgegenstehender Wille für eine Vergewaltigung ausreichen. In vielen Fällen werden Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs zu Beweisschwierigkeiten führen.

Seit Jahren wird über eine erneute Verschärfung des Sexualstrafrechts beraten. Nun hat die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzesentwurf beschlossen. Im Mittelpunkt steht vor allem eine Ausweitung des Straftatbestandes der sexuellen Nötigung gemäß § 177 StGB. Dieser Straftatbestand beinhaltet auch die Vergewaltigung.

Während bisher Gewalt, Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder die Ausnutzung einer schutzlosen Lage notwendig war, sollen zukünftig auch Fälle erfasst werden, in denen Opfer einer sexuellen Handlung aus Angst zustimmen oder sich wegen eines unerwarteten Übergriffs nicht widersetzen. Damit sollen angebliche Strafbarkeitslücken im Sexualstrafrecht geschlossen werden.

Ob diese Strafbarkeitslücken in der Praxis aber tatsächlich existieren, darf bezweifelt werden. Sexualdelikte erfolgen meist ohne Zeugen und enden daher regelmäßig in einer Aussage gegen Aussage-Konstellation vor Gericht. Der Richter hat hier die schwierige Aufgabe, die Aussagen der Beteiligten zu würdigen. Auf dieser Würdigung muss dann die Einschätzung erfolgen, ob der Angeklagte tatsächlich der Täter war oder nicht.

In der bisherigen Praxis sind vor allem Verletzungsspuren, Beschreibung des konkreten Tatherganges oder andere äußerliche Umstände der Tat Indizien für das Vorliegen einer Sexualstraftat. Bereits heute ist der Nachweis einer Sexualstraftat ein schwieriges Unterfangen. Sollte der Gesetzesentwurf wie vorliegend verabschiedet werden, drohen in der Praxis weitere massive Beweisschwierigkeiten. Dies wird zu deutlich mehr Einstellungen und Freisprüchen führen als bisher.

Beispielsweise ist nicht ersichtlich, wie in einem späteren Gerichtsprozess eine „innere Angst“ festgestellt werden soll. Noch weniger wird es möglich sein, festzustellen, ob der Beschuldigte diese „innere Angst“ auch erkannt hat. Die Folge wären zwar mehr Strafverfahren wegen Sexualdelikten, diese würden aber immer häufiger mangels Beweisen eingestellt werden müssen.

Letztendlich dient die Reform mit der Verschärfung des Sexualstrafrechts daher vor allem der Beruhigung der Bevölkerung. Diese erfolgt aber vor allem auf den Rücken der Beschuldigten. Auch möglichen Opfern, deren Strafverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt werden müssen, wird durch die Reform kein Gefallen getan. Niemandem ist nämlich dadurch geholfen, dass ein Strafverfahren am Ende mangels Beweisen eingestellt werden muss. Ein Strafverfahren stellt immer für alle Beteiligten eine belastende Situation dar.

Als Rechtsanwalt und Strafverteidiger im Sexualstrafrecht beobachte ich die Entwicklung im Sexualstrafrecht seit Jahren mit Sorge. Bereits seit einiger Zeit wird der Bevölkerung immer wieder suggeriert, dass heutige Beweisschwierigkeiten mittels einer Reform der Strafgesetze beseitigt werden könnten. Die meisten Strafverfahren im Sexualstrafrecht scheitern jedoch nicht an der engen Grenze der Straftatbestände, sondern schlicht daran, dass eine mögliche Tat nicht nachgewiesen werden kann. Dies kann einerseits daran liegen, dass sich der Beschuldigte schlicht nichts Strafwürdiges zu Schulden kommen lassen hat oder aber daran, dass ihm dies zumindest nicht nachgewiesen werden kann.

Die aktuellen Reformbestrebungen ändern an diesem Umstand nichts. Es könnte daher zwar zu mehr Strafverfahren kommen, diese werden dann aber immer häufiger bereits im Ermittlungsverfahren eingestellt werden müssen. Denn in einem Rechtsstaat heißt es „im Zweifel für den Angeklagten“. Möchte man seine Stellung als Rechtsstaat ernst nehmen, muss man damit Leben, dass man nicht jede Straftat aufdecken kann.

Sollte der Bundestag die Reform des Sexualstrafrechts in der vorgeschlagenen Form verabschieden, bedeutet dies daher für Strafverteidiger vor allem die weitere Konzentrierung der Verteidigung bereits auf das Ermittlungsverfahren. Erfahrene Strafverteidiger werden der Staatsanwaltschaft bereits in dieser Phase aufzeigen müssen, warum die Beweislage für eine Anklage nicht ausreicht. So können viele Strafverfahren im Sexualstrafrecht schon heute ganz ohne öffentliche Hauptverhandlung beendet werden.

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