OLG Dresden: Zum Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot bei Haftbefehlen

Das Amtsgericht Dresden hat einen Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen, in welchem ihm elf Fälle des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Diebstahls und drei Fälle des gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahls zur Last gelegt werden. Der Angeklagte befindet sich in dieser Sache seit dem 20. September 2010 in Untersuchungshaft.

Gegen den Haftbefehl wendete sich der Angeklagte mit der Beschwerde. Diese wurde mit Beschluss des Landgerichts Dresden vom 09. Mai 2011 als unbegründet verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte am 11. Mai 2011 weitere Beschwerde erhoben und selbige mit Schriftsatz seines Strafverteidigers vom 17. Mai 2011 und 19. Mai 2011 näher begründet. Er verneint das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts und rügt die Verletzung des Beschleunigungsgebotes.

Die Kammer des Landgerichts Dresden hat mit Beschluss vom 23. Mai 2011 der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen.

Dazu das OLG:

Zwar ist – wie im angegriffenen Beschluss des Landgerichts Dresden zutreffend und ausführlich dargelegt – der Angeklagte der ihm zur Last gelegten Taten dringend verdächtig und es besteht auch der Haftgrund der Fluchtgefahr.

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 08. April 2011 sowie der angefochtene Beschluss des Landgerichts Dresden unterliegen jedoch der Aufhebung, da das Amtsgericht in relevanter Weise gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verstoßen hat.

Der verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz verankerte Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen (vgl. – auch zum Folgenden – BVerfG, StV 2008, 198 – 200), welcher das gesamte Strafverfahren umfasst, verlangt, dass (auch) die Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Verfahrensschritte mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten bzw. Angeklagten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Der weitere Vollzug von Untersuchungshaft ist wegen Verstoßes gegen den Beschleunigungsgrundsatz unverhältnismäßig, wenn die Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte insoweit nicht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist (vgl. nur BVerfGE 20, 45 ff.). Zwar stehen – entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat – kleinere Verfahrensverzögerungen der Fortdauer der Untersuchungshaft nicht zwangsläufig entgegen. Bei einer Gesamtschau des hier vorliegenden Verfahrensablaufs ist angesichts vermeidbarer Verzögerungen im gerichtlichen Verfahren dem Erfordernis der bestmöglichen Verfahrensförderung in diesem Einzelfall jedoch nicht mehr Genüge getan (vgl. KG Berlin, StraFo 2010, 26 f).

Danach ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft dann unverhältnismäßig, wenn die zumutbaren Maßnahmen nicht oder nicht schnell genug ergriffen werden. Dazu gehören insbesondere die Termine für die Hauptverhandlungstage.

Das Bundesverfassungsgericht hat in der angegebenen Entscheidung gefordert, „eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umfassende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche“ durchzuführen. Dies ist nach Ansicht das OLG im vorliegenden Fall nicht passiert. Das Amtsgericht hat zunächst nur einen Hauptverhandlungstag anberaumt, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits klar war, dass der Angeklagte nicht aussagen werde. Außerdem war dem Gericht der erhebliche Umfang der Verfahrens mit 14 angeklagten Taten und zwei weiteren Mittätern bekannt. Somit hat das OLG entschieden, dass das Verfahren nicht ausreichend gefördert wurde. Daher wurde der Haftbefehl wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot aufgehoben.

OLG Dresden, Beschluss vom 06.06.2011, Az.: 1 Ws 67/11, 1 Ws 0067/11

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