OLG Hamm: „Gewerbsmäßiger Betrug“ kein eigener Tatbestand

Das Amtsgericht Essen hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Betruges in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Der Angeklagte hatte die Betrugstaten im Internethandel begangen.

Gegen dieser Entscheidung legte der Angeklagte Sprungrevision ein.

Dazu das OLG:

Das Landgericht hat in den 20 abgeurteilten Fällen jeweils ausgehend vom Strafrahmen eines besonders schweren Falles des Betruges Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten verhängt und dabei zunächst verkannt, dass gem. § 263 Abs. 4 StGB i.V.m. § 243 Abs. 2 StGB ein besonders schwerer Fall des Betruges ausgeschlossen ist, wenn sich die Tat lediglich auf eine Vermögensverschiebung von geringem Ausmaß bezieht. Als gering sind nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm Schäden bis etwa 50,00 EUR anzusehen (zu vgl. OLG Hamm, NJW 2003, 3145; OLG Zweibrücken, NStZ 2000, 536). Jedenfalls bei den festgestellten Schäden in Höhe von 32,86 EUR (Fall 13 inkl. Versandkosten) und von 48,90 EUR (Fall 14 inkl. Versandkosten) hätte das Amtsgericht zwingend den Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB zugrunde legen müssen. Feststellungen dahingehend, dass die subjektiv erstrebte Bereicherung oberhalb der Geringwertigkeitsgrenze gelegen hätte, sind nicht getroffen worden. Es ist auch davon auszugehen, dass die Einzelstrafen deutlich geringer ausgefallen wären, wenn dem Tatrichter bewusst gewesen wäre, dass die unwiderlegbare Gegenindikation des § 243 Abs. 2 StGB die Annahme der besonderen Schwere dieser Fälle ausschließt.

Zwar war hier die Annahme besonders schwerer, weil gewerbsmäßig begangener Fälle grundsätzlich denkbar, weil die Geringwertigkeitsgrenze, wenn man sie bei 50,00 EUR zieht, überschritten war. Es ist aber schon zweifelhaft, ob das Amtsgericht überhaupt erkannt hat, dass von der Erfüllung des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 5. 2 Nr. 1 StGB nur eine Indizwirkung ausgeht, die durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden kann. Ferner hat es ersichtlich nicht bedacht, dass beim Betrug für die Strafzumessung vor allem die Schadenshöhe ausschlaggebend ist (zu vgl. BGH NStZ 1999, 244, 245; BGHSt 36, 320, 325; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 263 Rdnr. 207) und beim gewerbsmäßigen Betrug selbst bei zahlreichen vorgeworfenen Fällen ein besonders schwerer Fall dann nicht in Betracht kommt, wenn der Schaden die Geringwertigkeitsgrenze nur knapp übersteigt, der Gesamtschaden relativ gering war und gewichtige zugunsten des Täters sprechende Umstände vorliegen (zu vgl. BGH wistra 2001, 303 f; KG Berlin,Beschluss vom 13.01.2010 — 1 Ss 465/09 -).

Damit stellt das OLG fest, dass ein besonders schwerer Fall des gewerbsmäßigen Betrugs dann ausscheiden muss, wenn der Schaden nur knapp über der Geringwertigkeitsgrenze liegt, der Gesamtschaden gering ist und weiterhin Gesichtspunkte zugunsten des Täters gegeben sind. Zwar sei die Strafzumessung grundsätzlich nicht Aufgabe des Revisionsgerichts. Allerdings lag hier nach Ansicht des OLG ein evidenter Rechtsfehler vor:

Der Schuldspruch ist lediglich dahingehend zu berichtigen, dass die Bezeichnung „gewerbsmäßigen“ entfällt, da das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB lediglich ein Regelbeispiel für den besonders schweren Fall darstellt und gemäß § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist, weil es keinen eigenständigen Tatbestand bezeichnet (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rdnr. 25 m.w.N.).

So hat das Tatgericht verkannt, dass das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nur ein Regelbeispiel darstellt und somit keinen selbständigen Tatbestand. Daher ist das Merkmal auch nicht in die Urteilsformel aufzunehmen. Ferner ist es nach Ansicht des OLG nicht nachvollziehbar, dass das Tatgericht unabhängig von der weit auseinander fallenden Schadenshöhe jeweils eine Strafe von sechs Monaten verhängt hat.

OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2011, Az.: III – 5 RVs 40/11

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