Oppenheim-Prozess: Middelhoff macht von seinem Auskunftsweigerungsrecht Gebrauch

Der Oppenheim-Prozess zählt wohl zu einem der größten Wirtschaftsstrafprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Angeklagt sind vier ehemalige Führungspersonen des Bankhauses Sal Oppenheim und ein Immobilienmanager. Vorgeworfen wird ihnen teilweise Untreue (§ 266 StGB) in einem besonders schwerem Fall und teilweise die Beihilfe zur Untreue.
Der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff sollte nun als Zeuge in diesem Strafprozess aussagen. Zur Überraschung der Verfahrensbeteiligten machte Middelhoff jedoch von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Der Rechtsanwalt Middelhoffs begründete diesen Schritt mit einem aufgetauchten Medienbericht, nach welchem gegen Middelhoff selbst ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppungen (§ 15a InsO) laufen würde. Die Insolvenzverschleppung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Muss ein Zeuge aussagen? Zeugnisverweigerungsrecht & Aussageverweigerungsrecht

Grundsätzlich muss ein Zeuge vor Gericht auf alle Fragen antworten. Lediglich in einigen Ausnahmekonstellationen besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht. Hauptsächlich darf das Zeugnis dann verweigert werden, wenn eine Verwandtschaft zum Beschuldigten besteht oder der Zeuge einer bestimmten Berufsgruppe mit Verschwiegenheitspflichten angehört. Solch ein berufsbezogenes Zeugnisverweigerungsrecht haben zum Beispiel Ärzte, Steuerberater und Rechtsanwälte.

Davon abzugrenzen ist das Auskunftsverweigerungsrecht. Dies basiert auf dem „nemo-tenetur“-Grundsatz, nach dem sich niemand selbst belasten muss. Da ein Beschuldigter im eigenen Prozess ein umfangreiches Aussageverweigerungsrecht hat, soll ein Zeuge in einem fremden Prozess nicht schlechter gestellt sein. Denn unter Umständen kann sich erst aus einer Zeugenaussage ein möglicher Tatverdacht gegen den Zeugen entwickeln. Aus diesem Grund kennt das Gesetz auch ein Auskunftsverweigerungsrecht für den Zeugen.

Wann darf ein Zeuge schweigen? Das Recht zu schweigen

Das Auskunftsverweigerungsrecht ist in § 55 StPO geregelt. Jeder Zeuge darf die Antwort auf solche Fragen verweigern, die ihm selbst oder einen Angehörigen in die Gefahr einer Strafverfolgung bringen können. Einerseits bedeutet dies, dass der Zeuge grundsätzlich vor Gericht aussagen muss, jedoch auf bestimmte Fragen nicht antworten muss. Je nach Tatkomplex kann das Auskunftsverweigerungsrecht sehr weit gehen und das Recht zu schweigen auf alle möglichen Fragen des Gerichtes einräumen. In solch einer Situation entspricht es dann faktisch einem Aussageverweigerungsrecht.
Wichtig ist jedoch: Das Auskunftsverweigerung berechtigt nicht zum Lügen. Zwar darf der Zeuge die Antwort verweigern, jedoch nicht die Unwahrheit sagen. Zusätzlich ist es wichtig, dass ein Verweigerungsrecht nicht nur dann besteht, wenn tatsächlich eine Straftat offenbart werden müsste. Wenn bereits der Verdacht eine Tatbegehung entstehen könnte greift das Auskunftsverweigerungsrecht.

Wann darf vom Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht werden?

Der Zeuge darf jederzeit von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Selbst wenn zuvor eine Aussagebereitschaft signalisiert wurde kann sich der Aussagende noch während der Vernehmung auf das Recht der Auskunftsverweigerung berufen. Häufig realisiert der Zeuge nämlich erst während der Befragung, dass auch ein strafbares Verhalten seinerseits in Frage kommen könnte.

Daher verwundert es, warum der Oberstaatsanwalt im Oppenheim-Prozess das Verhalten Middelhoffs offen kritisierte. In Richtung der Rechtsanwälte des Zeugen bezeichnete er das Verhalten Middelhoffs als „Unverschämtheit“ und sprach gar von einem „Missbrauch“. Dabei muss klar gesagt werden: Selbst wenn Middelhoff seine Aussagebereitschaft zuvor bekundete, steht ihm weiterhin das Recht zur Auskunftsverweigerung zu. Eine Selbstbelastungspflicht – um der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht entgegen zu kommen – kennt die Strafprozessordnung nämlich selbstverständlich nicht.

Anwaltliche Beratung für Zeugen

Dieser Fall zeigt erneut, dass sich auch als Zeuge eine rechtsanwaltliche Beratung lohnen kann. Vor allem in Wirtschaftsstrafsachen, die häufig sehr komplex sind, droht schnell eine ungewollte Selbstbelastung. Dabei ist zwischen dem Aussageverweigerungsrecht (des Beschuldigten), dem Zeugnisverweigerungsrecht (komplette Aussageverweigerung für Zeuge) und dem Auskunftsverweigerungsrecht (Schweigerecht auf bestimmte Fragen) zu unterscheiden. Eine Prüfung der eigenen Auskunftspflicht kann das ungewollte Auslösen eines eigenen Strafverfahrens verhindern und damit viel Ärger ersparen. Lassen Sie sich daher von einem erfahrenen Strafverteidiger beraten und über Ihre Rechte aufklären, bevor Sie als Zeuge in einem Prozess eine Aussage machen.

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