Unverhältnismäßigkeit von Beugehaft

Der Beschwerdeführer ist Zeuge in einem Strafverfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie unter anderem wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gegen die Angeklagten M. und C. vor dem 5. Strafsenat des OLG Frankfurt am Main.

Als der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vom Vertreter des Generalbundesanwaltes vernommen und ihm die Frage gestellt wurde „Wurden Sie oder Ihre Familie seit Ihren Aussagen bei der Polizei bis heute in Deutschland oder der Türkei von irgendjemandem aufgefordert oder gebeten, nicht oder in einem bestimmten Sinn in dem vorliegenden Strafverfahren auszusagen?“ verweigerte er die Beantwortung dieser Frage, denn eine wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage würde dazu führen, dass er sich und seine Ehefrau der Gefahr einer Strafverfolgung ausgesetzt sehe.

Daraufhin hat das OLG Frankfurt am Main gegen den Beschwerdeführer mit Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 Euro, ersatzweise für je 50 Euro einen Tag Ordnungshaft verhängt und „zur Erzwingung des Zeugnisses Beugehaft bis zu einer Höchstdauer von zwei Monaten angeordnet“. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und hat mit dieser hinsichtlich der Anordnung der Beugehaft Erfolg.

Die Beschwerde gegen die Kostenauferlegung und der Verhängung des Ordnungsgeldes bzw. ersatzweise der Ordnunghaft ist aus folgenden Gründen unbegründet.

Hierzu führt der Strafsenat des BGH aus:

Ein in § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO geregelter Fall, in dem ausnahmsweise die Beschwerde gegen einen Beschluss des im ersten Rechtszug zuständigen Oberlandesgerichts zulässig ist, liegt insoweit nicht vor. Im Gegensatz zur Anordnung von Beugehaft ist die Verhängung von Ersatzordnungshaft keine Verhaftung im Sinne des § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StPO, weil diese lediglich für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, sofort festgesetzt wird (§ 70 Abs. 1 Satz 2 StPO). Sie hat daher keine Verhaftung zum Inhalt, sondern eine an die Bedingung der Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes anknüpfende Entscheidung (vgl. BGHSt 36, 192, 197; BGH NStZ 1994, 198; BGH, Beschl. vom 12. August 2008, StB 16 – 17/08; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 304 Rdn. 13).

Anders sieht es bei der Anordnung der Beugehaft aus. Unabhängig der Frage, ob sich der Beschwerdeführer in dem Prozess als Zeuge auf das gesetzliche Auskunftsverweigerungsrecht gemäß §44 StPO berufen kann, ist die Anordnung nach Ansicht des Senats unverhältnismäßig:

Das Oberlandesgericht hat bei der Anordnung der Beugehaft sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Da § 70 StPO keine speziellen materiellen Voraussetzungen zum Schutz des Freiheitsgrundrechts vorsieht, kommt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu. Danach muss die Beugehaft nach den Umständen des Falles unerlässlich sein und darf zur Bedeutung der Strafsache und der Aussage für den Ausgang des Verfahrens nicht außer Verhältnis stehen (vgl. BVerfG NJW 2007, 1865, 1868; Meyer-Goßner aaO § 70 Rdn. 13).

Obwohl den Angeklagten im vorliegenden Prozess sehr schwere Straftaten zu Last liegen, ist die Aussage des Zeugen (und Beschwerdeführers) für den Ausgang des Prozesses von keinerlei Bedeutung mehr gewesen. Nach Feststellung des OLG Frankfurt war die Beantwortung dieser Frage gegenüber den Zeugen von keiner Bedeutung mehr und konnte das Strafverfahren daher nicht mehr beeinflussen, so dass die Antwort nicht durch Beugehaft erzwungen werden durfte. In derartigen Konstellationen ist nach Auffassung des Senats das in §70 Abs. 2 StPO eingeräumte Ermessen auf Null reduziert. Die Beschwerde hat somit Erfolg.

3. Strafsenat des BGH, Az. StB 32/09

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